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Vierzehnter Brief.
Paris, Mittwoch den 14. December 1831.
[…]
Meine Pariser Briefe sind jetzt bei den hiesigen Buchhändlern angekommen, und ich habe sie gelesen mit einer Ruhe und einer Gleichgültigkeit, mit der man die Rechnung eines Schneiders liest, wenn, um sie zu bezahlen, es weder an Geld noch guten Willen fehlt. Ich würde kein Wort zurücknehmen, wenn ich sie heute schriebe, und keine einzige Rede nur um einen Lichthauch blässer machen. Grob sind sie freilich, wie man sie gefunden. Wer hieß aber auch die dummen Menschen ihnen so nahe treten, und sie durch die Brille betrachten? Sie sind grob, wie Fresko-Gemälde sind und seyn müssen, die in einiger Entfernung angeschaut werden sollen. Auf der frischen, noch feuchten Gegenwart gemalt, mußten die Züge schnell der entschlossenen Hand nachstürzen, durften nicht hinter zaudernder Bedenklichkeit nachschleichen. Dem Volke, das in weiten Kreisen umher steht und kein Vergrößerungsglas gebraucht, fällt es gerade mit dem rechten Maaße in die Augen. Wie freue ich mich, daß mir das gelungen; wie froh bin ich, daß ich der pastellfarbigen Artigkeit entsagt, die den verzärtelten Diplomaten so gut gefällt, weil sie es weglächeln, sobald es ihnen nicht mehr behagt. Nein, diesmal habe ich tiefe Furchen durch ihre Empfindung gezogen, und das wird Früchte tragen; denn selbst für ihre eigenen Felder ist die Saat nicht in ihrer Hand – Gott sorgt dafür. Daß man mir nur das Herz öffne, feindlich oder freundlich, gleichviel; beides ist mir willkommen, denn beides nützt der guten Sache.
Heine hat gegen die zwei Hamburger Künstler Meyer und Wurm, die noch freskoartiger gemalt als ich selbst, einen Artikel geschrieben. Gelesen habe ich ihn nicht, er sprach mir blos von seinem Vorsatze. Es war ihm aber gar nicht darum zu thun, mich zu vertheidigen, sondern sich selbst, da er zugleich mit mir angegriffen worden. Heine hat darin eine wahrhaft kindische Eitelkeit; er kann nicht den feinsten, ja nicht einmal den gröbsten Tadel vertragen. Er sagte mir, er wolle jene Menschen vernichten. Das dürfte mir gleichgültig seyn. Zwei Spatzen weniger in der Welt, das hilft zwar nichts, kann aber noch nichts schaden. Den Artikel schickte er an Cotta für die allgemeine Zeitung; nun schrieb ihm dieser zurück: Es möchte doch seine Bedenklichkeit haben, eine Schrift zu vertheidigen, worin mit ausdrücklichen Worten stünde, jedes Volk dürfe seinen König absetzen, sobald ihm seine Nase nicht mehr gefiele. Geduld, himmlische Geduld! Was fange ich nun mit solchen Menschen an, die ganz ernstlich glauben, ich hätte den Völkern gerathen, ihre Fürsten zu verjagen, sobald sie mit deren Nasen unzufrieden würden? Wie würde es mir ergehen, wenn ich gegen solche Anschuldigungen mich vor deutschen Richtern zu vertheidigen hätte? Wenn ich sagte: Meine Herren, Sie müssen das nicht so wörtlich nehmen – nun, ich glaube, das glaubten sie mir vielleicht. Was würde mich das aber nützen? Sie würden erwiedern: Sie hätten aber bedenken sollen, daß Sie nicht blos für gebildete Leser schreiben, sondern daß auch eine große Zahl Ungebildeter Ihre Werke liest, die keiner Ueberlegung fähig, sich nur an den Wortverstand halten. Zu dieser Bemerkung würde ich schweigen, und sagen: laßt mich in das Gefängnis zurückführen. Alles Reden wäre doch vergebens. Stünde ich aber vor einem deutschen heimlichen Gerichte, wären Geschworne da, und säße Volk auf den Gallerien, würde ich mich, wie folgt, vertheidigen. „Meine Herrn! Der Deutsche ist ein Krokodill (Allgemeines Geschrei des Unwillens. Krokodill! Krokodill!! zur Ordnung, zur Ordnung!) . . . Meine Herrn, der Deutsche ist ein Krokodill (Zur Ordnung, zur Ordnung! Der Präsident: Sie mißbrauchen das Recht der Vertheidigung . . . ) Meine Herrn, der Deutsche ist ein Krokodill – aber ich bitte Sie, lassen Sie mich doch zu Ende reden. Wenn ich sage, der Deutsche ist ein Krokodill, so meine ich gewiß nicht damit, der Deutsche sey ein wildes, grausames, räuberisches Thier wie das Krokodill, und weine heuchlerische Kindesthränen. Ich denke gerade das Gegentheil. Der Deutsche ist zahm, gutmüthig, räuberlich aber gar nicht räuberisch, und weint so aufrichtige Thränen, als ein Kind, wenn es die Ruthe bekömmt. Wenn ich das deutsche Volk ein Krokodill genannt, so geschah es bloß wegen seiner Körperbedeckung, die ganz der eines Krokodills gleicht. Sie hat dicke, harte Schuppen, und ist wie ein Schieferdach. Was festes darauf fällt, prallt ab, was flüssiges, fließt herunter. Jetzt denken Sie sich, meine Herrn, Sie wollten ein solches Krokodill thierisch magnetisiren; zweitens, um es später von seinen schwachen Nerven zu heilen, erstens, um es früher hellsehend zu machen, daß es in sein Inneres hinein schaue, seine Krankheit erkenne, und die dienlichen Heilmittel errathe. Wie würden Sie das anfangen? Würden Sie mit zarter gewärmter Hand auf den Panzer des Krokodills herumstreicheln? Gewiß nicht, Sie wären zu vernünftig dazu. Sie würden begreifen, daß solches Streicheln auf das Krokodill so wenig Eindruck machte, als auf den Mond. Nein, meine Herrn, Sie würden auf dem Krokodill mit Füßen herum treten, Sie würden Nägel in seine Schuppen bohren, und wenn dies noch nicht hinreichte, ihm hundert Flintenkugeln auf den Leib jagen. Sie würden berechnen, daß von dieser großen angewendeten Kraft neun und neunzig Hunderttheile ganz verlohren gingen, und daß der Hundertheil, der übrig bliebe, gerade die sanfte und bescheidne Wirkung hervorbrächte, die Sie bei Ihrem thierischen Magnetisieren beabsichtigen. So habe ich es auch gemacht. Wäre aber das deutsche Volk kein Krokodill, sondern hätte es eine zarte Haut, wie die schöne Fürstin von * * * , dann hätte ich ihm nicht gesagt, es dürfe einen Fürsten vertreiben, der eine unangenehme Nase hat, sondern ich hätte wie folgt mit ihm gesprochen: ‚Die Fürsten – mag sie nun Gott oder der Teufel, oder mögen sie sich selbst, mag die weise Vorsehung, oder mag der Narr Zufall sie eingesetzt haben – sind bestimmt, die Völker, welche ihnen anheim gefallen, nicht blos mit Weisheit, sondern auch mit Stärke, nicht blos mit Stärke, sondern auch mit Milde zu regieren. Wo sie dieses nicht thun, oder nicht vermögen; wo sie das Recht schmählich verletzen, ihren eignen Sünden, oder denen ihrer Lustgesellen zu fröhnen; wenn sie statt der ernsten Stimme der Klugheit, den Possenliedern der Thorheit ihr Ohr hingeben; wenn sie zu schwach oder zu feige sind, den Verführungen oder Drohungen fremder Fürsten zu widerstehen; wenn sie jedes Vergehen als eine Beleidigung ihrer Macht blutig und tückisch rächen – ein so mishandeltes, so mit Füßen getretenes Volk darf und muß seinen verbrecherischen Fürsten vom Throne stoßen und aus dem Lande jagen.‘ Hätte ich aber so mit dem deutschen Krokodill gesprochen, wie viel von meinen Worten wäre in sein Inneres gedrungen? Wenig, Nichts, ja weniger als nichts. Ein Defizit des Widerstandes wäre dabei herausgekommen, und das Krokodill hätte meine Lehre so gedeutet: einen Fürsten, der despotisch regiere, müsse man die Civilliste verdoppeln. Darum sagte ich ihnen: ihr dürft jeden Fürsten verjagen, sobald euch seine Nase nicht mehr gefällt. Deutsche Gutmüthigkeit bringt von solcher Lehre neun und neunzig Hunderttheile in Abzug, und dann bleibt gerade so viel übrig, als ihnen zu wissen gut ist, als ich ihnen beizubringen mir vorgesetzt“ . . . (allgemeines Beifallklatschen). Der Präsident: Alle Zeichen des Beifalls oder der Unzufriedenheit sind untersagt; wenn die Ruhe noch einmal gestört wird, werde ich den Saal räumen lassen . . . Darauf ziehen sich die deutschen Geschwornen in ihr Zimmer zurück. Nach zehn Monaten, elf Tagen, zwölf Stunden und dreizehn Minuten, treten sie wieder in den Saal, und erklären den Angeklagten für nicht schuldig. Todesstille. Die Geschwornen sehen sich um, und werden bleich. Während ihrer Berathschlagung waren Angeschuldigte, Richter, der Prokurator des Königs, der Vertheidiger, sämmtliche Advokaten und Zuhörer alle Hungers gestorben, und schon in Fäulniß übergegangen. Diese traurige Geschichte hatte in Deutschland großes Aufsehen gemacht, und Herr von Kampe in Berlin benutzte sie geschickt, und ließ in Jarke’s antirevolutionärem Tendenzblättchen einen Aufsatz drucken, worin er aus der neuesten Erfahrung bewies, daß ein Schwurgericht für Deutschland gar nicht passe.
Sie aber, Sie, was halten Sie davon? Finden Sie nicht, daß ich Recht habe? Aber mein Gott! Sie haben gar nicht Acht gegeben. Sie waren zerstreut und ich weiß auch warum. Während meiner langen Rede haben Sie an nichts gedacht, als wer die Fürstin sey, deren schönen Teint ich gelobt. Ich werde mich wohl hüten, das zu gestehen. Indem ich es verschweige, werden alle deutsche Prinzessinnen die Schmeichelei auf sich beziehen, und ich werde dadurch sechs und dreißig regierende Herzen gewinnen, welches mir sehr nützlich sein kann, wenn ich einmal früher oder später in die rauhen Fäuste irgend einer deutschen Polizei plumpe.
Gestern habe ich einem Welt-Essen beigewohnt. Nicht einem Essen, wo, wie in manchen Ländern Europas, die Welt von wenigen Mäulern gespeist wird; sondern wo die Welt durch ihre Repräsentanten selbst speißt. Ich habe Nord- und Südamerikaner, Egyptier und Ostindier, Schweden, Polen, Franzosen, Engländer, Deutsche, Schweizer, Italiener um einen Tische versammelt gesehen. Nur Russen waren keine da, denn diese, mit den Markknochen der Polen angenehm beschäftigt, verschmähen jetzt die magern Beefsteaks von gewöhnlichen Ochsen. Herr Jüllien, Herausgeber der bekannten Revue Encyclopädique, versammelte seit vielen Jahren seine Freunde und die es werden sollen – das will sagen alle Welt – monatlich einmal zu einem encyclopädischen Diner. Die Gesellschaft ist gewöhnlich mehr als hundert Personen stark; gestern aber waren es höchstens dreißig. Ihnen die kleinen Götter, die berühmten Polen, Italiener, Franzosen zu nennen, wäre zu weitläufig; die berühmten Frankfurter herzuzählen wäre kürzer, aber das verbietet mir die Bescheidenheit. Von europäischem Rufe war nur ein einziger Mann gegenwärtig, Sir Sidney Smith, dessen Biographie sie im Conversationslexikon finden. Er ist ein schöner und für sein Alter noch rüstiger Mann, und, was an einem Seehelden auffällt, er hat ganz die Art und Haltung eines feinen Parisers. Der würde nie, wie Jean Bart, Taback im Vorzimmer eines Königs rauchen. Ich habe mich sehr unterhalten. Aber, mein Gott, ich erstaune über die Menschen, welchen in Paris nicht aller Ehrgeiz zu Ekel wird. Diese Stadt ist eine Kloake des Ruhms, die ihn auf dunkeln und schmutzigen Wegen in den nächsten Bach schwemmt, worin er immer weiter und weiter, bis in das Meer der Vergessenheit fließt. Sidney Smith wohnt seit vielen Jahren in Paris. Seine Tochter wohnt auch hier und ist an den Baron Delmar (Ossianischer Name), einen getauften Juden und geadelten Lieferanten aus Berlin, verheirathet. Man erzählte mir von ihm, daß er nur Personen vom höchsten Stande empfange, und man, um in seinem Hause Zutritt zu erhalten, mehr Ahnen bedürfe, als man ehemals von einem deutschen Domherrn forderte. So ist es aber in allen Ländern; christlicher Adel und jüdisches Geld haben eine unglaubliche Affinität gegen einander, und darum ist die Faubourg St. Germain jeder Residenz eigentlich eine Vorstadt Jerusalems.
Ein junger Mensch aus Genf ließ, als er meinen Namen hörte, sich mir vorstellen, und äußerte: er habe schon längst den Wunsch gehabt, mich kennen zu lernen. Sie wissen ja, wie ich bei solchen Gelegenheiten mit meinem Pagodenkopf wackele; ich lache mich immer selbst aus, und erst später den Andern. Der junge Neugierige nahm bei Tische seinen Platz neben mir. Ich fragte ihn, wie es ihm in Paris gefiele? Er erwiederte: Die Politik verleide ihm seinen ganzen Aufenthalt. Ich stutzte; doch weiß ich mich leicht in solche Denkungsart zu finden. In meinem eignen Kopfe ist eine große Landstraße ganz mit dieser Gesinnung gepflastert. Ich erwiederte: ja wohl wäre es traurig, daß Politik, Regierung, Staat, Gesetz, Freiheit, alles nur Werkzeuge, das Glück der Menschen zu bereiten; alles nur Wege, sie zur Kunst, Wissenschaft, zum Handel, zu häuslichem Glücke, zu brüderlicher Gesellschaft, zum Vollgenusse des Lebens zu führen – daß diese Werkzeuge mit dem Kunstwerke selbst, daß die Wege mit dem Ziele verwechselt werden; daß man vor lauter Arbeiten es zu keiner Arbeit bringt; daß die grausamen Kriege der Regierungen gegen ihre Völkchen und die thörigten Völker unter sich selbst alle Kräfte der Menschheit verzehren; daß die letzte Verwünschung den letzten Athemzug ausgeben und der Frieden keinen mehr finden wird, der ihn genießt. Aber zu diesem Standpunkte der Betrachtung folgte mir der junge Mann nicht; die Politik war ihm zuwider, wie dem Dichter Robert in Baden-Baden. Darüber verwunderte ich mich. Ich frage ihn, ob er in Paris studire und was? Er erwiederte, daß er sich der deutschen Philosophie ergeben, und jetzt beschäftigt sey, ein Werk von Schelling ins Französische zu übersetzen. Er kannte die ganze philosophische Literatur der Deutschen, sogar die Werke Carove’s, des Biographen Gottes. Im nächsten Frühling will er nach München gehen. Also das war’s! Es ist nicht nöthig, daß ich mich darüber auslasse; ich habe das schon oft besprochen. Als ich ihm einmal Salat präsentirt, der noch nicht angemacht war, dachte ich: Als deutscher Philosoph hätte er es vielleicht gar nicht bemerkt.
Beim Desert wurden wie üblich Toaste ausgebracht. Zuerst: à l’union des peuples! Dann wurden alle Völker durchgetrunken. Zuerst die Polen. Herr Jüllien kündigte an, die Gesellschaft würde den Generalen Romarino, Langerman und Schneider und der Gräfin Plater, der polnischen Amazone, die in diesen Tagen hier ankommen würde, im nächsten Monate ein Fest geben. Darauf stand ein junger Pole auf, Herr von Plater, Vetter der Gräfin, und dankte im Namen seiner Nation. Endlich kam auch die Reihe an die Deutschen – ganz zuletzt. Herr Jüllien trank aber nicht auf die Gesundheit des ganzen deutschen Körpers, sondern nur auf die seiner schwachen Füße, auf das Wohl de cette partie de l’Allemagne, welche Freiheit habe, fordere, vertheidige. Ich, * * * , und ein Berliner, den ich nicht kenne, waren die drei anwesenden Deutschen. Der Berliner war wohl ein Hegelianer, oder dachte an die Cholera oder an Köpenick und schwieg. Mir durfte zu reden gar nicht einfallen, weil ich schlecht Französisch spreche. Aber * * * der es gut spricht, forderte ich auf zu antworten. Doch er schwieg. Und er schwieg nicht allein, er ward noch roth, als hätte er gesprochen. Stumm und roth wie ein Krebs! Ich schämte mich – nein, das ist das rechte Wort nicht – es schmerzte mich. Und warum habe ich nicht gesprochen? Der Pole vor mir sprach viel schlechter Französisch, als ich. Und mir war das Herz so voll, daß ich eine ganze Stunde hätte sprechen können, und ich hätte vermocht, alles so schnell niederzuschreiben, als es hätte gesprochen werden müssen. Aber mir kam in den Sinn, was wohl meine Aengstlichkeit entschuldigt, aber das Gefühl derselben nur noch bitterer macht. Ich bedachte: ein Pole, ein Spanier repräsentiert ein Vaterland, sein Volk steht hinter ihm, was er spricht sind nicht Worte, er berührt Tasten, die Thaten wiederklingen, er erinnert, man hört nicht ihn, man hört die Vergangenheit, man sieht das weit entfernte Land. Aber was repräsentiere ich, an welche Thaten erinnere ich? Ich stehe allein, ich bin ein Lakai, und trage, wie alle Deutsche, die Livree des Grafen von Münch-Bellinghausen. Man hätte mich als einen Schriftsteller, als einen Redner beurtheilt; man hätte mich, nachdem ich gut oder schlecht gesprochen, wie einen Schauspieler beklatscht oder ausgepfiffen. Da stockt das Blut, da steht die Zunge still. Mag sich schämen, wem es zukömmt. Arndt wäre freilich nicht in Verlegenheit gekommen. Er hätte gesprochen von den Sigambern und Cheruskern, von den Katten und Franken, von Allemanen, Friesen, Chaucern, Vandalen, Burgundionen, Quaden, Markomanen, Bojoariern, Hermunduren und Teutonen. Er hätte gesprochen – von Gauen, von Hermann dem Cherusker, vom Teutoburger Walde, von Marobodus und den Hohenstaufen. Aber ich bin nicht Arndt. Ich kenne nur die Deutschen des Regensburger Reichstags und des Wiener Friedens, und die sind nicht weit her.
Bei Tische wurde auch angekündigt, daß eine aus polnischen und französischen Gelehrten gebildete Gesellschaft den Vorsatz gefaßt, alle classischen Schriften der Polen, etwa fünfzig bis sechzig Bände, in das Französische zu übersetzen, um mit dem Ertrage des Werkes die dürftigen Polen zu unterstützen. Gewiß, die Franzosen haben eine gute Art, wohlzuthun. Die Rauheit ihrer Regierung gut zu machen, thut das auch Noth. Schmach und Unglück über die heuchlerischen Erbschleicher der Julirevolution! Keiner der vertriebenen Polen darf nach Paris; sie werden wie Vagabunden auf vorgeschriebenen Wegen nach dem südlichen Frankreich gewiesen. Man will sie an das mittelländische Meer führen, um sie dann bei Strafe des Hungertodes zu zwingen, unter den Truppen von Algier Dienste zu nehmen. Afrika oder Sibirien – diese Wahl gibt ihnen Louis Philipp! Um diesen Preis erkauft sich der Krämer Perrier den Bruderkuß des Grafen von Nesselrode!
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Quelle: Ludwig Börne, Briefe aus Paris, 1831–1832. Dritter Theil. Paris: E. Brunet, 1833, S. 258–78. Online verfügbar unter: https://www.deutschestextarchiv.de/book/show/boerne_paris03_1833