Kurzbeschreibung

Im Mai 1618 trafen sich die protestantischen und hussitischen Stände in Prag, um über die von ihnen empfundene Einmischung des Kronprinzen Ferdinand in böhmische Angelegenheiten allgemein—und in Belange der konfessionellen Koexistenz im Besonderen—zu beraten. Während eines versuchten Staatsstreichs unter der Führung des protestantischen Grafen Heinrich Matthias von Thurn (1567–1640) drangen bewaffnete Söldner in den Amtssaal des Prager Schlosses ein. Sie griffen zwei katholische Statthalter heraus, Jaroslav Borzita von Martinicz (1582–1649) und Wilhelm Slawata (1572–1652), beschuldigten sie der Verschwörung gegen die Religionsfreiheit in Böhmen und warfen die beiden sowie einen Sekretär aus dem Fenster. Diese Handlung war eine bewusste Anspielung auf den ersten Prager Fenstersturz von 1419, bei dem sieben Stadtbeamte aus einem Burgfenster geworfen wurden.

Der Aufstand weitete sich aus, als die durch Hussiten und Protestanten kontrollierten böhmischen Stände eine provisorische Regierung bildeten. Sie begannen, in den protestantischen Ländern Europas nach Verbündeten zu suchen und Maßnahmen zur Unterdrückung des Katholizismus zu ergreifen. Im Mai 1619 verschärfte sich die Krise durch den Tod Kaiser Matthias (reg. 1612–19) und die Thronfolge des Kronprinzen Ferdinand sowohl in Böhmen als auch im Reich als Kaiser Ferdinand II. (reg. 1619–37). Der Konflikt eskalierte nun zum Krieg. Ferdinand wurde zum Kaiser gewählt, doch die Aufständischen setzten ihn zugunsten des Kurfürsten Friedrich von der Pfalz (1596–1632) ab, der nun zum böhmischen König gekrönt wurde. Die Kriegshandlungen bleiben derweil unentschieden, bis die kaiserlichen Truppen gemeinsam mit denen des katholischen Sonderbunds die Aufständischen in der Schlacht am Weißen Berg (8. November 1620) niederschlugen. Es war die erste Schlacht des Dreißigjährigen Krieges.

Der Krieg fängt an—Prager Fenstersturz (Mai 1618)

Quelle

Den 23. Mai am Mittwoch in Vigilia Ascensionis Domini nachdem die vier Herren Statthalter aus der Hauptkirche Sti Viti nach allda verrichter Procession und abgehörter heiligen Messe, früh 8 1/2 Uhr in die Behaimbische Canzlei ankommen seind, als haben sie bald alle Stühl und Bänken außer einen einigen Sessel mit Fleiß gelassen waren aus der Canzlei hinaustragen [], damit für die ankommenden Herren sub utraque genug Raum sein möchte, da seind etwa nach 9 Uhr die Herren aus allen dreien Ständen sub utraque mit ihren Dienern und Gesind in sehr großen Menge in Ihro kais. Mit Prager Schloß [] in die Böheimbische Canzlei und zwar in die Ratstube, wo die größte Sicherheit und Respekt sein sollte, unangemeldet, gar keck, mit großer Importunitet eingetreten, also daß gemeldete Canzlei fast allein von denen Herren- und Ritterstandspersonen ganz voll gewesen, die Burger aber meistenteils draußen vor der Tür, welche deshalben auch ganz ofen bleiben müssen, gestanden.

Als nun die damals nur 4 gegenwärtige Herren Statthalter wegen besseren Raums in einen Fensterwinkel gleich bei dem Ofen beisammen gestanden und verhoffet, es wurden von Ihnen sub utraque eine Antwort auf Ihro kais. Mt ihnen am Montag vorhero abgelesenes copail. communicirtes Schreiben, darinnen sie nochmalens von der zum andermahl angestellten Zusammenkunft, ganz glimpflich bis auf Ihro kais. Mt Ankunft oder weitere Verordnung abgemahnt worden, damals erfolgen.

Haben sie anstat dessen alsbald durch den Herrn Paul von Rziczan eine Schrift mit heller Stim ablesen lassen dieses ungefährten Inhalts: Nachdem Ihro kais. Mt Ihro Gnaden Herren Statthaltern ein scharfes Schreiben zugeschickt, dessen sie Uns nach Verlesung des Originals auch die Copay gebetenermassen erteilet haben, in welchen sich auf unserer aller dreier Ständen sub utraque höchst erschröckenden Schreiben Ihro Mt allbereits uns alle des Leibs und der Ehre verlustig erklären. Samt sie schon nur allein mit der Execution wider uns fortfahren wolten, deshalben haben wir uns miteinander darauf einhellig vergliechen und bei Verlust Leib und Leben, Ehre und Gut verbunden, daß wir alle beisammen vor einen Mann und einer vor alle festiglich stehen, diesfalls keiner rechtlichen Bekanntnuss erwarten, oder untergeben sein, sondern treulich einander helfen und wider männiglich auf das äußerste beschirmen. Weilen aber kundbar, daß solches Schreiben auf etlicher unserer Religions-Feinde Beratschlagung beschehen, als wollen wir wissen und die anwesende Herren Statthaltere befragt haben, ob sie, oder etliche aus ihnen, von gemeltem Schreiben gewußt, dazu geraten und dasselbig approbirt hätten.

Darauf der Obristburggraf geantwortet, weilen denen Herren Statthaltern, so eine geringe Anzahl derselben in der Böhmischen Kanzlei sein, auch sonsten noch einer aus ihrer Mitte, nemlich Herr Adam von Waldstein, obrister Landhofmeister, sich allda zu Prag in seinem Haus krank liegend befinde, als hätten sie die Herren, aus allen 3 Ständen sub utraque, wollten ihnen die abgelesene Schrift der Copay derselben zustellen, damit sie solche gemeltem Landhofmeister auch notificiren und samt ihm beratschlagen können, sie wollten am nächst kommenden Freitag (weilen Morgen ein großer Feiertag wäre) darauf ihnen wiederum gebührliche Antwort zu geben, nicht unterlassen.

Hierauf haben etliche, als Herr Heinrich Mathes Graf Thurn, Herr Leonhart Colon von Fels und Wilhelm der ältere Popel von Lobcowicz einer um den anderen zu denen Statthaltern also geredet: Na, na, wir wollen damit nicht content sein, was darf man uns aufziehen und auf des Herrn Landeshofmesters weisen, mit welchem wir gar wohl zufrieden sein und gewiß wissen, daß er nicht wider uns sondern ein frommer Mann und unser Freund ist, wir wollen es fluchs wissen [] Da sprachen die obgemelte drei Herren durcheinander: Können wir doch selbst darnach, wenn es uns gefällig, den Herrn Landhofmeister darum befragen, aber wir wollen von Euer Gnaden vieren zuwesenden jetzt darauf clare Antwort haben.

Hierauf sind die 4 Statthalter zum Fenster in das Winkel zusammengetreten und geantwortet, daß sie mit schweren Eid verpflichtet und verbunden zu sein nemlich alles dasjenige, was ihnen von ihren Herren im Rat anvertrauet, oder mit ihnen beratschlaget wird, jederzeit im höchsten Geheim zu halten und nichts zu ofenbahren, wie dann gleichfalls und vielmehr ihnen als Ihro kais. Mt geschworenen Räten, Landoffizieren und Statthaltern im Kgr. Böheimb, außer Rat in dem wenigsten, was im Rat fürgebracht, oder worzu sie geraten oder nicht geraten hätten, zu sagen gar nit gebühren will und warten sie alle dabei keiner Beicht sein. []

Als sich aber gemelte Herren sub utraque dennoch nicht zufrieden stellen wolten und fürnemlich Herr Graf von Thurn vermeldet: Ist doch diese gar eine schlechte Frage, können sie doch zumahlen Herr Obristburggraf und Herr Großprior darauf antworten, sonsten wollen wir nicht eher von hinnen aus der Böhmischen Canzlei weggehen, denn einmal wollen wir wissen und clare Antwort haben. Und in einem Augenblick hat Herr Hans Litwin von Rziczan seine Pistolen, die er an der Gürtl unter dem Mantel verborgen gehabet, mit Fleiß entdecket an dieselbigen gegrifen und mit großem Drohen entzündet, gerad zu dem Herrn von Martinicz sehr nahe und trotzig getreten und sich damit gespreitzet, so hat der Herr obriste Burggraf nach einem kürzlichen Untereden geredet: Weil die Herren nicht anderst wollen und uns fast darzu nötigen, als wollen wir sammentlich vor Gott dem Allmächtigen, vor Euch Herren und vor der ganzen Welt offentlich und ausdrücklich auf das höchste protestiert haben und darunter sie alle gegenwärtige Herren vor unsere Zeugen nehmen, wofern I. kais. Mt diesfalls mit uns übel content sein wollten [] daß wir vor ihnen zu dieser Antwort gezwungen worden und dies können wir mit unseren guten Gewissen sagen, daß wir zu selbigen Schreiben, so dem Majestätsbrief zuwider laufe, nicht geraten haben [] und weil wir darin nicht so sehr widerwärtiges, vielweniger die von Ihnen genannte Formalia, daß sie in dem wenigsten verurteilt werden, befunden haben, so könnte man, wofern Ihnen gefällig, dasselbige kais. Schreiben zu besserer aller Vernehmung fluchs überlesen lassen.

Welches sie alsbald verredet und vornehmlich Herr Graf von Thurn, von Fels, Wilhelm elterer Popel, Bohuslav Berka, Wenzl Wilhelm von Ruppa, Joachim Adres Schlieck, Hans Litwin von Rziczan, Albrecht Hans Smirzický und Herr Ulbrich Kinský durcheinander laut geschreien, es lauft uns freilich das kais. Schreiben wider unseren Majestätsbrief. Weiter sagten sie: „Herr Obristburggraf und Herr Großprior, wir wissen wohl, daß sie beide Herren für sich selbst from sein und darzu nicht viel raten oder uns schaden wollen, als dann der Herr Slawata und Herr von Martinicz sie überredet und verführet haben.“

Danach wendeten sie sich zu denen beiden Herren d. h. Wilhelm Slawata und von Martinicz also sprechend: „Ihr seind eben dieselbe unsere und unserer Religion Feinde, welche uns um den Majestätsbrief habet bringen wollen, Ihr habet euere Untertanen, desgleichen auch auf I. kais. Mt Herrschaften, sonderlich in Crumau und Straschitz, die sub utraque gewesen, sehr geplagt und zu euerer Religion wieder ihrer Willen gezwungen, oder aus deren Gründen verweisen lassen, die Pfarrherren sub utraque aus den kais. Collaturen abgeschafft und darin andere sub una eingesetzet, auch auf I. kais. Mt Herrschaften Haubtleute und andere alte Diener beurlaubt und entlassen, herentgegen aber an ihre Stelle andere so euerer Religion sub una ergeben, angenohmen.“ Darauf erstlich Herr Slawata geantwortet: „Ich bin Herren sub utraque kein Feind und hab nicht wider den Majestätsbrief getan, habe auch meine Untertanen zum Glauben nicht gezwungen.“ Da sprung ihm der Herr Wilhelm Popel in die Rede mit diesen Worten: „Hast Du sie nicht zu Teltsch genötiget!“ Folgt Herr Slawata weiter in seiner Rede: „Nein, nirgends habe ich sie genötiget, sondern wer nicht gutwillig catholisch hat sein wollen, dem habe ich frei und los gelassen auch erlaubet, daß er sein Gut in wohl geraumer Zeit verkaufen und unverhindert aus meinen Gründen, samt dem Geld, auch der Reicheste, abziehen und sich anderstwo seinen Gefallen nach begeben hat mögen. Darzu es gebühret sich nicht hier die Herrschaft Teltsch einzumischen, weil selbige nicht im Kgr. Boheimb, sondern in Mgt. Mähren gehörig ist.“ Also hat auch Herr von Martinicz geantwortet: „Ich bin zu schwach darzu, daß ich deren Herren Feind sein solle und ihnen Schaden könnte. Was meine Untertanen betrifft, diese habe ich zwar zu dem heiligen katolischen Glauben, doch ohne sonderliche Bedrängnuß und noch vor dem erteilten Majestätsbriefe mit gebührenden Mitteln gleichfalls gebracht, die ich aber dannoch erkauft habe, dieselben sind auf eine gute Unterrichtung und treuherzige Ermahnung für sich selbst gutwillig bekehret worden [] Die Pfarrherren aber einzusetzen hat nicht uns, sondern Ihro fürst. Gnaden dem Herrn Erzbischofen zu Prag gebühret und zugehöret, weil ihnen sowohl jetzige, als die vorige kais. Mt schon vor vielen langen Jahren hervor und nach dem erteilten Majestätsbrief alle und jede daroselben Collaturen mit Pfarrherren zu versehen gnädig anbefohlen haben. Also daß allenthalben in Ihro Mt Herrschaften die Pfarrherren sich mit dem Pragerischen Herren Erzbischofen, als von welchen sie zur Priesterschaft geweihet und auf gemeldte Ihro kais. Mt Pfarren und Collaturen unter seinem Gehorsam eingesetzt worden, gerichtet, welcher aber etwan vom wahren Glauben und der heiligen katolischen Kirchen, gleichfalls des Herrn Erzbischofs Gehorsam mutwillig abgefallen, dem hat er billig verändert und an seine Stelle einen anderen eingesetzt, wie dann auch solches gar clar zwischen denen sub una und sub utraque gemachte Vergleichniß einen jederzeit frei läßt und berechtigt.“

Nach diesem hat der Herr Wilhelm Popel insgemein dieses geredet, wie ist bei dem nächst vergangenen Landtag, mit der Wahl des Königs zugangen, wie hat man uns bei den Nasen geführt, auch gewähret, daß man in den kgl. Revers wegen zukünftiger Confirmation der Privilegien unsern Majestätsbrief nicht in Specie nennen, sondern nur in genere alle Privilegia setzen sollen. So hat man auch den unsrigen frommen ehrlichen Herrn Graf Thurn das Burggrafenamt zu Carlstein genohmen und ihn um die Nutzung desselbigen Guts gebracht. Darauf hat Herr von Martinicz ihm geantwortet, was in dem Landtag von Ihro Mt, als König in Böhmen, mit allen drei Ständen glücklich geschlossen worden, bei dem muß alles unberührt verbleiben. Darnach hat sich Herr Martinicz zu dem Grafen Thurn gewendet sagend: „Herr Graf, ich nimme jetzt den Herrn für einen Zeugen, daß er dies nicht läugnen kann, sondern selbst die rechte Wahrheit rund bekennen muß, wie daß ich bei der Veränderung der Ämter selbsten I. Mt im Beisein des Herrn und anderen Herren obristen Landoffizieren offentlich diese gesagt habe. Nachdem I. kais. Mt den Herrn um eine Stafel erhöhert nemlich Obristenlehenrichteramts, mir aber das Burggrafenamt zu Carlstein gnädig anvertrauet und geben, um welches ich den Herrn umbringen nicht begehrte und weiter er fluchs damals I. kais. Mt auf das ihm solches Amt weiter gelassen werde, gar hoch gebeten hat, daß ich darmit, wann Ihro Mt ihm seiner Bitte genüssen lassen, gar wohl zufrieden sein wollte, welches aber I. kais. Mt nicht wolte, sondern bei dero vorigen Resolution und der Ämter allseits recht geschehenen Austeilung gnädig verbleiben lassen, also daß der Herr noch vor mich zu sein ein Obristlehenrichteramt die gewöhnliche Eidespflicht getan hat, auch danach ich mit dem meinigen Eid zu dem Burggrafenamt zu Carlstein gehörig, folgen müssen, derowegen jetzt in dieser Exprobation mir als unschuldigen gar unrecht beschieht.“ []

Da haben wiederumben die vorgemelte neun Personen hin und wieder durcheinander und am meisten der Herr Graf Thurn und Herr Wilhelm Popel und alle andere anwesende wider die beiden Herren Slawata und Martinicz stark angereizet mit diesen Worten: „Sehet, alle liebe Herren, diese zwei sind unsere und unserer Religion größte Feind, welche uns um den Majestätsbrief, Vergleichung und andere unsere Religions Freiheiten bringen wollen. Glaubet gewiß, alle Herren, so lang diese im Land verbleiben, daß wir nie mit unsern Majestätsbrief, ja auch selbst alle samt unseren lieben Weibern und Kindern des Lebens nicht sicher sein und wo wir sie beim Leben lassen, da würd es schon um den Majestätsbrief und unsere Religion geschehen, auch wir alle werden hiebei an Leib, Ehre und Gut verdorben und verloren sein, dann dabei und neben ihnen keine Gerechtigkeit zu erlangen ist. Derowegen wär sie vor diejenige, so sie sein, jetzt fluchs declariren und strafen wollen und wann wir Paul Michna, welcher sich aus seiner bösen Gewissen vergrochen hat, wieder bekommen, so werden wir auch wohl uns gegen ihm wie zu verhalten wissen.“

Unter dieser Reed hat Herr Slawata mit einer Seufzer beiseiten den Herrn v. Martinicz in das Ohr mählich gesagt: „Mein Herr Bruder, o wäre es lieber diese Täg, wie ich gewolt, von ihnen weggezogen, aber du hast mir solches wiederraten und siehe, jetzt müssen wir da gar verderben.“ Dem wieder Herr v. Martinicz geantwortet hat. „O mein geliebter Herr Bruder, es ist viel besser also geschehen, dann, wann du als ein Landoffizier und I. kais. Mt Rat und Statthalter mit deinem Fliehen das Land in dieser höchsten Not und Gefahr, wider dein Eidpflicht verlassen hättest, so wärest du für einen untreuen und unehrlichen Mann gehalten worden, aber jetzt leidest und stürbest mit mir als ehrlicher Herr und getreuer Diener, auch Martirer Gottes und des Kaisers unseres Königs und Herrn. Befehlen wir uns nur Gott dem Herr.“ Herr Slawata hat zu allen geredet: „O Herren, wir bitten um Gotteswillen, sie wollen sich in diesem nicht übereilen und wider uns — die wir auch mit den Fürnehmsten aus ihnen gar nahe befreund sein — ohne vorgehende Anklag und Verhör nicht solches feindliches wider alle Billigkeit und Gerechtigkeit ungewöhnlich attentiren, sondern weil wir beide in diesem Königreichtum wohl angesessen und Gott Lob eines ziemlichen Vermögens sein, wofern einer aus ihnen, er seie wer da wolte, sich wider uns beide, oder unser einen, was zu beschweren hat, oder zu klagen, derselbe wolle nur uns gebührlichermassen bei I. kais. Mt als unsern allergnädigsten König, anklagen, oder für das löbliche Landrecht allen gebiligten Gebrauch nach, ordentlich laden, wo wir gar gern erscheinen, wider unsere Ankläger stehen und gegen ihnen recht verantworten, auch die gerichtliche endliche Sentenz oder Ausspruch redlich auswarten und derselben gehorsamlich nachkommen []“.

Nach diesen alsobald — dunckt mich — H. Wenzl Wilhelm von Ruppa — von den anderen umgezingelt — in der Mitte ihnen abermals eine Schrift mit heller Stimm gelesen, dieses ungefähren Inhalts: „Demnach der Wilhelm Slawata und Jaroslaus von Martinicz noch in dem Jahre 1609 gehaltenen Landtag den von I. Kais. Mt Kaiser Rudolpho uns allen dreien Ständen sub utraque auf die freie unsere Religionexercitium gegebenen Majestätsbrief, wie auch von beiden Teilen der sub una und uns sub utraque aufgerichtete Ausgleichung, sowoll die Amnestien neben anderen obristen Herren Landoffizieren und Landrechtsbeisitzern nicht unterschreiben, weder in dieser und andern Religion-Betreffen, den Landtagsarticuln, die Relation zu der Landtafel, ihnen wollen, wie wir bald zu deroselben Zeit uns gegen ihnen lauter also erkläret haben, sofern jemals uns zu schaden etwas wider den Majestätsbrief, Vergleichung und andere unsere Religion Freiheiten, welche sie uns nicht vergönnet, in dem wenigsten vorgenommen wurde oder geschehen sollte, so wir auf solchen Fall am meisten sie in Verdacht haben und nicht anders als solches alles von ihnen berühret, beduncken und sie also für unsere Feinde halten müssen. Dieweil nun wir jezt genugsam erkennen und gewiß wissen das oftgedachtes schweres kais. Schreiben aus ihrer Beratschlagung herkomme, auch allhier zu Prag concipirt worden und sie also wiederum aus gemeltem Majestätsbrief und Freiheiten unserer Religion nicht zu machen, ja auch die Vergleichung und was sonsten mehrers durch gemeinen Landtag gebilliget und bestätiget worden, gantzlich zu zerstören [] derohalben wir die beide für unser und des Landes Feinde gleichfals Zerstörer des Rechtes und allgemeines Friedens declariren und publiciren. Werden auch wider sie mit ernstlicher Straf alsobald verfahren.“

Nach dieser oder dergleichen Schriftablesung hat der Publikator gar laut alle insgemein mit diesen Worten gefragt: Bekennet Ihr euch zu diesen? So meldet Euch jetziger Zeit. Da haben sie fast alle, auch ihre nächste Blutfreunde, mit großem Geschrei bekennet. Darnach ist eben derselbige Herr Wenzl Wilhelm von Ruppa zu denen obgemelten Herren was nehender zugetreten und gesagt: „Es ist mir sehr leid, also das mir mein Herz Wehe tuet, was da jetzunder geschieht. Ich habe das lang gefürcht und vorgesagt, es werde nichts gutes daraus erfolgen.“

Darauf sie beide Herren, einer nach dem anderen, also geantwortet: „Daß wir bei dem Landtag 1609 uns in etlichen Religion betreffenden Sachen nicht einmischen und unterschreiben, noch mit guten Gewissen können, haben wir uns in diesen bald zu jener Zeit gnugsam verantwortet auch bei denen Herren und anderen aus allen dreien Ständen sub utraque Personen billichermassen entschuldigt, wie es denn männiglich kundig ist. Daß die Unterschreibung des kgl. Majestätsbriefs uns beiden gar nicht gehöret hat, gleichfalls die Amnestion, wie dieselben von I. kais. Mt selbsten und nicht von uns gegeben, auch in dem Landtagsbeschluß eingesetzt worden, hat sich nichts bedörftet, weder wohl geschickt, daß wir sie unterschreiben solten. Die Vergleichung aber, weil sie schon von viel anderen Herren, welche dieselbe gemacht, unterschrieben war und wir dabei nichts geholfen, also ist auch darinnen unser Unterschreibung unnötig gewesen, wie auch in allen andern Glaubensartikeln und geistlichen Sachen. Weil in derselben uns, als einfaltigen Leuten, das wenigste zu disponiren nicht zu stehen noch gebühren wollen, haben wir wider unserer Gewissen darein nicht verwilligen, weder solche Relationes zu der Landtafel tun können. Ebenermassen in die braunauische, als geistliche, danebens auch I. kais. Mt clar ganz billiche Sache, hat uns nicht gebühret von denen Herren ins Berednuß zu begehren, dann mit solchen Tractationen und Vergleichungen bis auf dato allzeit haben wir Katholische zu verschonen gar viel verloren, sondern viel mehr haben die Herren sollen am ersten die ganze Sach in völligen und vorigen Stand bringen und hernach ihre Prätensionen oder vermeinte Gerechtlichkeit friedlich bei dem ordentlichen Recht führen und suchen. Was aber den vorlängst nuns bdrohenden Verdacht anlanget, darauf haben wir auch alsobald damals vor alle Heerren offentlich geantwortet mit klarer Protestation, daß an solcher wider uns concipirten bösen Verdacht nichts wird gelegen sein, sondern es müsse jederzeit alle und angemessene Schulden beim ordentlichen Recht genugsam erwiesen werden. Und protestiren wir darin wieder [], daß man diese ansehentliche I. kais. Mt Stelle und unsere Ämter in bessere Acht nehmen und sich wider uns keines Gewalts gebrauchen, oder in dem wenigsten nicht vergreifen sollen.“

Darauf Herr Wilhelm Popel gesaget: Na, wir nehmen da keine Statthalter, sondern nur die böse, aller unser und des gemeinen Friedens, Feinde. Dazu auch Herr v. Ruppa alsbald zugesetzt: Aj verfahren wir darnach eine Apologia davon ausgeben zu lassen, damit die ganze Welt sehe, daß wir dieses alles billich und wohl getan haben. Nachdem hat Herr Wilhelm Popel und etliche mehr zu denen anderen zweien Statthaltern sich gewendet und gesprochen: „Herr oberster Burggraf und Herr Großprior gehen nun ihren Weg hinaus, es soll ihnen beiden von uns nichts böses geschehen, aber mit diesen zwei wollen wir schon Recht verfahren“, und haben auch den obristen Burggrafen bei der Hand hinausführen wollen.

Da hat Herr von Martinitz gemeldeten Herrn Obristburggrafen bei dem linken Ermel am Rock ergriffen und mit diesen Worten ihm angesprochen: „Herr Obristburggraf, mein geliebter Herr Vater, bitte Euer Gnaden, Sie wollen nicht hinausgehen und sich von uns nicht scheiden, dann wir alle Statthalter sollen billich einander nicht verlassen, sondern sammentlich gut und böses leiden und unzertrennet halten auch beieinander lebendig und tot verbleiben.“ Wie dann Herr Obristburggraf sich aus ihren Händen zurückgezogen und noch länger in der Canzlei verbleiben wollten, auch mit beiden zusammengeregten Händen, damit sie sich an denen zweien Herren mit keiner Gewalttätigkeit übereilen. Es haben aber dannach ihrer etliche den Obristburggrafen samt dem Herrn Großprior aus der Böhmischen Canzlei zu der Tür hinausgewiesen auch mit mahl bei ihren Händen hinausgezogen und weggeführt.

Darnach alsbald haben sie die Herren selbst ihre Hand gewalttätigerweis an die oft gemelte zwei Herren furiose angelanget, also dunckt mich, den Herrn Slawata, der Graf Thurn und der Joachim Andres Graf Schlick samt anderen etlichen und den Herrn von Martinicz der Herr Wilhelm Popel, Hans Litwin v. Rziczan, Herr Ulrich Kinský, Herr Albrecht Smirzický und Herr Paulus Kepler mit Gewalt angegriefen, sie stark hin und wider gerissen und durch die ganze Böhmische Canzlei anfahend von dem Ofen bis zu dem andren Fenster gegenüber schreiend: „Jetzt werden wir uns gegen diesen unsern Religionsfeinden rechtschaffen verhalten.“ In welchen Ziehen hat Herr von Martinicz laut gesagt: „I nu, weils da um Gottes Willen und katolischer Religion und auch Kaisers Willen zu tun ist, so wollen wir für sie alles gern und geduldig leiden“ und obwohlen sie beide ernstlich vermeinet, als man sie zu der Tür hinausführen und etwann in Arrest aufhalten wölte, da sie aber die Tür fürüber passiert und gleich vor sich das Fenster aufmachen sehen, so haben sie beide fluchs nur um Vergünstigung eines Beichtvaters, dem sie alsobald beichten wollten, gar hoch um die jüngste Gerechtigkeit Gottes unaufhörlich gebeten. Darauf aber die Standespersonen sub utraque ungeacht solches ihres inständigen Bittes geantwortet: „Ja, gleich werden wir auch die schelmischen Jesuviten noch hereinführen.“

Und haben also die vorgemelten Personen selbst, erstlich den Herrn v. Martinicz, indem er sich Gott dem Allmächtigen mit diesen Worten „Jesu, fili Die vivi miserere mei, Mater Die memento mei“ treulich befehlend, in schwarzen, kannavassenen Mantl samt Rapier und Dolch, aber ohne Hut, welcher mit schöner von Gold und Edelsteinen gezierter Schnur ihm aus der Hand weggerissen, mit blosen Haubt voran zum Fenster hianus in den, gar bei 30 Ellen tiefen und steinerigen, Schloßgraben jammerlich gestierzet und ausgeworfen. Als er aber allzeit oft nacheinander die heiligsten Namen „Jesu-Maria“ stark ausgeruft, hat ihm solcher erschröcklicher Wurf und Fall, aus sonderbahrer, durch vornehmste unser lieben Frauen Vorbitte erlangten Gnade und Barmhertzigkeit Gottes, nicht allein an leben nichts, sondern auch an der Gesundheit gar wenig geschadet. Wie dann insgemein gesagt, auch von etlichen frommen, gottesfürchtigen Leuten – so selbst dieses deutlich gesehen haben sollen – vor gewiß standhaftig bekennet wird, daß oberhalb des am allerersten hinunterfallenden Herr v. Martinicz in der Luft die allerseeligste und lobwürdigste Jungfrau Maria, Mutter Gottes, als seine vortreffliche Patronin erschienen, welche ihm mit ihrem ausgebreiteten und unterlegten Mantl in dem Fall gleichsam aufgehalten, desto sanfter zu der Erden mählich fallen lassen und also von gewissen Tod beim Leben und Gesundheit gnädiglich zu erhalten geholfen hat. Welches, obwohl er selbst Herr v. Martinicz nicht so deutlich gesehen hat, nichts desto weniger dessen tut, er sich gar wohl erinnern, daß gleich in seinem Hinunterfallen und Anrufung beiden heiligsten Namen, weil er zu gewißer und jeder Zeit längst gewünschter heiliger Märtirercronenerlangung unverzweifentliche starke Hofnung gehabt, ihm wahrhaftig vorkommen ist, als wann sich der allerhöchste Himmel darinnen er in die ewige Gloria alsbald eingehen sollte, recht aufgemacht hätte.

Darnach dem Herrn Slavata, so auch Gott dem Herrn andächtig abgeruft sagend „Deus propitius esto mihi peccatori“, haben sie erst die Finger an seiner rechten Hand, mit der er sich etwan angehalten, sehr bis auf Blut zerschlagen und also immer fort eben durch dasselbige Fenster ohne Hut, in schwarzem, samettern Mantl und mit Rapier hinabgeworfen, welcher alsbald er auf die Erden gefallen, hat sich noch wohl um 8 Ellen weiter und tiefer, als der Herr v. Martinicz, in den Graben hinuntergewältzet und gar sehr mit dem Kopf in seinem schweren Mantl verwickelt. Letztlich noch der dritte, Herr M. Philipus Fabricius, röm. Kais. Mt Rat und des Kgr. Böheim secretarius, meistenteils durch Beförderung des Herrn Albrechts Hansen Smirzitský, von dem er auch zuvor in seinem Schreiben auf allerlei Manir geplaget worden, gleichfalls von ihnen in Mantl und ohne Hut zu diesem Fenster, da er auch fleißig zu Gott gerufen – Deus est propitius animae meae – in den Graben geworfen worden, dessen der Ehrenfried Berbisdorf, unter etlichen anderen, der vornehmste Exekutor gewesen, welcher ihm auch vorher mit Raufen seiner Haar aus dem Kopfe und im Bart nicht zufrieden gelassen.

Quelle: Documenta Bohemica Bellum Tricennale Illustrantia. Tomus II. Der Beginn des Dreißigjährigen Krieges. Der Kampf um Böhmen. Quelle zur Geschichte des Böhmischen Krieges (1618–1621). Academia Prag. Verlag Hermann Böhlaus Nachf.: Wien-Köln-Graz. Pragae, MCMLXXII, S. 42–49.