Quelle
Im Jahr 5279 (1518/19) starb der Kaiser, an den man sich im Guten erinnert,[1] und die Regensburger Gemeinde wurde vertrieben und entwurzelt von all der Pracht und von unseren kostbarsten Besitztümern—unserem Teuersten. Die Verbannten wurden in Booten auf der Donau fortgeschickt. Ein kleiner Rest, darunter die Familie Auerbach, blieb in Stadtamhof im Herrschaftsgebiet der Herzöge von Bayern.[2] Damals maßten sich die Dorfbewohner von Dangolsheim selbst die Amtsgewalt an, und sie schmiedeten zusammen einen Plan, alle Juden auszuweisen; tatsächlich führten sie ihre Absicht aus. Eines Tages im Monat Adar 5279 (2. Februar–2. März) vertrieben sie alle Juden aus Dangolsheim. Und als die bösen Bewohner der Nachbarorte am selben Tag davon erfuhren, wollten sie von ihnen kal ve-homer lernen und ihrem Beispiel nacheifern.[3] Und Gott bewegte die Herzen unseres Herrn, des Unterlandvogts[4] von Hagenau und des Bischofs von Straßburg, meinem Flehen Beachtung zu schenken, das ich vor ihnen ausschütte. Ich ging mit unserem Herrn dem Unterlandvogt nach Dangolsheim und erteilte eine strenge Warnung, worauf sie [die Dorfbewohner] ihre bösartigen Absichten und Taten ebenso bereuten wie ihre Übertretung der Machtbefugnisse und den Bruch des öffentlichen Friedens. Sie gaben den Juden ihre Häuser wieder zurück, und danach kam der Unterlandvogt mit Reitern und Söldnern, um Rache an ihnen zu üben. Und wäre Gott uns nicht beigestanden, indem er den [Juden] in Dangolsheim durch diesen besagten Racheakt half, und nicht auch uns in Rosheim beigestanden, dann wären alle Juden des Rhein[gebiets] in Gefahr gewesen. Lob sei Gott, der [uns] nicht im Stich gelassen hat in Seiner liebenden Güte.
Im Jahr 5280 (1519/20) wurde unser Herr der Kaiser Karl zum König gekrönt. Ich kam zu ihm und zu seinen Staatsdienern, um für unser Volk und unser Erbe zu flehen. Wir (das heißt, ich und der Mann mit mir) erlangten umfassende Privilegien für ganz Deutschland. Dessen ungeachtet wurden im selben Jahr Freibriefe[5] erteilt, welche die Ausweisung [der Juden] aus Rosheim und aus der Vogtei Kaysersberg genehmigten. Mit Hilfe Gottes, gepriesen sei Er, habe ich mich beim König eingesetzt, und es gelang mir, die Vertreibung aus der Vogtei Kaysersberg ganz rückgängig machen zu lassen, samt Aufhebung jenes speziellen Ausweisungsfreibriefs. Allerdings wurde der Freibrief von Rosheim nicht widerrufen [noch geschah dies mit der Entscheidung jener Stadt, die Juden auszuweisen]. Durch äußerste Anstrengungen gelang es uns immer wieder, unter großen Schwierigkeiten, einen weiteren Aufschub zu erreichen. Bis heute wissen wir noch immer nicht [wie die Sache ausgehen wird], und wir können lediglich auf unseren Vater im Himmel bauen. Er wird uns erlösen und von [unseren] Angreifern erretten. Möge Sein Wille geschehen. Amen.
Im Jahr 5282 (1521/22) sollten wir auf Verfügung des Großrabbiners, unseres Lehrers Rabbi Samuel seligen Angedenkens, nach Nürnberg kommen, und bei dieser Gelegenheit reichte ich eine Beschwerde über jenen Ort Oberehnheim und das ein, was uns dort in der Stadt und draußen auf den Feldern angetan worden war. Es gelang mir, die Ernennung des Abts von Weißenburg als Beauftragten zu sichern, um unsere Beschwerdeschrift und die Anklage anzuhören, auf die [die Stadtobersten] antworten mussten. Anschließend wurden sie vor eine Gerichtsversammlung geladen, und während des Verhörs lehrte man sie das Fürchten. Durch die Vermittlung des Unterlandvogts haben sie [die Stadtbürger] einen Bund mit uns geschlossen. Sie [die Stadt] öffnete ihre Tore und verhielt sich uns gegenüber friedlich, gemäß dem Text des mit uns unterzeichneten Abkommens.
Im Jahr 5385 (1524/25) gab es einen Tumult unter den Dorfbewohnern, die sich in allen Teilen Deutschlands versammelten, besonders in dieser Region—dem Elsass.[6] Sie wollten sich selbst zu Herren aufschwingen, und sie hatten die Absicht, uns bei lebendigem Leibe zu verschlingen. Die Geißel hatte in bestimmten Orten bereits begonnen. Durch Gottes Gnade traf ich bei der Abtei Altdorf auf sie und sprach mit dem Buch zu ihrem Herzen[7] hinsichtlich des Rates, den sie den Anführern ihrer Streitkräfte geben sollten. Sie verkündeten lautstark, dass den Juden kein Leid geschehen sollte und stellten auch viele Geleitbriefe für jede Stadt und Region aus. Obwohl sie letztlich ihr Wort und ihre schriftlichen Versprechen nicht hielten und brachen, brachte ihr öffentliches Unternehmen jedenfalls den Juden Linderung und Erlösung. Dann kamen Tag und Stunde ihrer Niederlage. Der Herzog von Lothringen[8] kam über sie und richtete ein großes Gemetzel unter ihnen an. Auch in anderen Territorien wurden Tausende und Zehntausende gemordet und ertränkt. Gepriesen sei Gott, der uns aus ihrer Gewalt und ihren üblen Plänen erlöst hat. Möge Er uns weiterhin erretten. Amen.
Im Jahr 5288 (1527/28) leitete die Landvogtei Hagenau Anschuldigungen [gegen die Juden] an König Ferdinand, möge er gepriesen sein, weiter und sicherten sich seine Zustimmung, uns, die wir Bewohner der Deutschen Reiches sind, aus unseren Behausungen in allen Dörfern und selbst aus einigen Städten auszuweisen. Der Unterlandvogt wurde gegen seinen Willen gezwungen, vom König einen als Ordnung bezeichneten Erlass zu erhalten. Daraufhin baten mich alle jüdischen Einwohner in der Region inständig, vor ihnen her in den Kampf zu ziehen und vor ihnen her wieder in das Lager einzuziehen wie in der Vergangenheit, und ich willigte in ihr Ansinnen ein. Und aufgrund eines Unfalls, der meinem Pferd unterwegs zustieß, beschloss ich, nicht zu reiten auf der übrigen Strecke zum Königshof, der dort lag, wo gerade Hof gehalten wurde, sondern zu Fuß zu gehen. Mein Beweggrund dafür war meine Hoffnung, dass meine Fürsprache mithilfe vieler Mühen, Gebete und demütiger Bitten gelingen würde. Ich musste dem Königshof zur heiligen Gemeinde Prag folgen und dort gelangte ich in das Audienzzimmer des Königs und fand Gnade vor seinen Augen. Er hob den ersten Erlass auf und gab mir einen Freibrief, der bestätigte, dass die Juden wie in der Vergangenheit gemäß dem Text unserer Privilegien zu tolerieren seien. Wenngleich ich dazu ermächtigt war, bis zu 300 Gulden für all dies aufzuwenden, gab ich letzten Endes insgesamt nur 40 Gulden aus, um meine Hin- und Rückreise sowie zusätzliche Ausgaben zu bestreiten. Und die Widersacher beschlossen, neue Schwierigkeiten zu entfachen, um das Erreichte rückgängig zu machen, doch Gott sandte Engel der Zerstörung und tötete sie; drei der Rädelsführer starben an einer plötzlichen Seuche, und einen vierten ergriffen seine Feinde im Herrschaftsgebiet Hochfelden und richteten ihn hin. Und das Land war ruhig bis zum heutigen Tage. Gepriesen sei Gott, der für uns Rache an unseren Feinden übte und uns aus deren Händen rettete und vor den bösen Plänen, die sie gegen uns auszuführen gedachten.
Im Jahr 5289 (1528/29) wurden die heiligen Märtyrer von Pösing, 36 Seelen—Männer, Frauen, Jünglinge und Mädchen—verhaftet aufgrund einer falschen Beschuldigung durch einen Mamser [Nachkomme einer verbotenen Beziehung] und sie starben zur Heiligung von Gottes Namen. Sie wurden allesamt am 13. Siwan 5289 [21. Mai 1529] auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Bei dieser Gelegenheit wurden all jene Juden in Mähren verhaftet. Gemäß der Bitte unserer Rabbiner und der Not der Stunde, musste ich alle alten kaiserlichen und päpstlichen Privilegien nach Günzburg bringen. Dort fertigte ich Abschriften an, die ich zusammen mit Worten der Entschuldigung in einem Büchlein an den König und seine Staatsdiener schickte, und so erfuhren sie, dass wir unschuldig waren. Sie sagten zu den Gefangenen, „Gehet hin“, und mit der Hilfe Gottes, gepriesen sei Er, wurden jene, die die Folterkammer überlebt hatten, für frei und entlassen erklärt. Möge Gott, gepriesen sei Er, uns günstig sein durch die Verdienste jener erhabenen Märtyrer, die ihr Leben für die Heiligung Seines Namens geopfert haben.
Im Jahr 5290 (1529/30) gab es einen großen und lautstarken Aufschrei von allen Völkern, dass die Juden in einem hochverräterischen Austausch mit den Türken stünden. Verleumdungen dieser Art kamen schließlich unseren Herrn, dem Kaiser und dem König, gepriesen seien sie, zu Ohren, worauf wir geächtet wurden und mehrere Territorien nicht mehr betreten durften.[9] Mit Zustimmung der Judengemeinden entwarf und stellte ich ein Büchlein zusammen, das unsere Worte der Entschuldigung enthielt, und mit der Hilfe Gottes, gepriesen sei Er, legte ich es den beiden Monarchen in Innsbruck dar. Und Joseph fand Gnade vor ihren Augen, denn sie nahmen gerne unsere entschuldigenden Worte an und bestätigten all unsere früheren Privilegien.
Im selben Jahr, 5290 (1530), fand eine Versammlung aller Reichsfürsten und Adligen sowie unzähliger Damen statt, um vorbeugende Gesetze und Regeln festzulegen, und die Fürsten und Adligen beabsichtigen, den Zinswucher abzuschaffen. Damals blieb ich mit Gottes Hilfe fest und erlangte vom Kaiser eine Verlängerung unserer Privilegien von Kaiser Sigismund.[10] Die Ankläger wurden zum Schweigen gebracht und eine kurze Weile herrschte Frieden im Lande.
Im Jahr 5291 (1530/31) waren die Ankläger erneut rührig, und sie hefteten sich an den Kaiser und bedrängten ihn in Brabant und Flandern—Lande, in denen überhaupt keine Juden wohnten. Ich trat hervor aus den vielen und unternahm die Reise zu Pferde in jene Lande, um mit Gottes Hilfe unsere Sache zu vertreten. Ich wurde vom 1. Adar bis zum 1. Siwan 5291 [18. Februar–17. Mai 1531] an den Kaiserhof gesandt, um für das Gemeinwohl zu wirken. Obwohl der Streiter Roth Royth mich lebendig verschlingen wollte—ich war der Schwelle des Todes sehr nahe—sandte jedoch Gott in Seiner großen Gnade Seinen Engel schützend vor mich hin und rettete mich aus dessen Händen und den Händen all jener, die mir einen Hinterhalt gelegt hatten. Damals hatte ich eine Audienz beim Kaiser in seinem Allerheiligsten und sprach mit ihm bezüglich meines Anliegens, und er gab mir die rechte Antwort. Mittlerweile verfasste ich, da ich Ruhe hatte und zurückgezogen in meiner Kammer war, das Werk mit dem Titel Der heilige Weg. Und beim Leben dieses Autoren, ich fand großes Vergnügen an jenen Tagen am Alleinsein und dachte in meinem Herzen, „Glücklich waren jene rechtschaffenen Männer der früheren Generationen, die Gedanken und Verstand darauf ausrichteten, sich von den Eitelkeiten dieser Welt zu distanzieren und sich mit den Fragen des Geistes zu beschäftigten.“
Im Jahr 5292 (1531/32) war ich erneut gezwungen, eine Audienz beim Kaiser, gepriesen sei er, zu haben, diesmal beim Regensburger Reichstag, um über Israel zu wachen. Und Gott war auch bei dieser Gelegenheit mit uns. Er beschützte uns vor den Anschuldigungen der Fürsten und Adligen bezüglich des Wuchers und gab uns ein Mittel zum Lebensunterhalt unter den Völkern. Zu jener Zeit kam der Mann aus Italien, der rechtschaffene Konvertit namens Rabbi Solomon Molcho, möge seine Seele in Eden ruhen, mit seinen fremdartigen Ideen, um den Kaiser zu erregen, indem er ihm erzählte, er sei gekommen, alle Juden zu versammeln, um Krieg gegen die Türken zu führen. Als ich von seinen Plänen hörte, schrieb ich ihm einen Brief mit der Warnung, den Kaiser nicht zu provozieren, damit wir nicht vom großen Feuer verzehrt würden. Ich verließ Regensburg, sodass der Kaiser nicht sagen sollte, ich hätte meine Hand im Spiel gehabt bei dessen seltsamen Plänen. Als er zum Kaiser kam, wurde er in Ketten gelegt und nach Bologna gebracht, wo er zur Heiligung von Gottes Namen und des Glaubens Israels auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Er reformierte viele Sünder. Seine Seele ist ganz in Eden aufgegangen.
Im Jahr 5293 (1532/33), kam ein Strafgericht über unsere Brüder in Schlesien, wobei alle jüdischen Einwohner der Region verhaftet wurden. Ich musste hinauf zu den Städten Schwabach und Ansbach, zusammen mit Rabbi Liebermann seligen Andenkens, um die Freilassung der Gefangenen zu erwirken. Der Parnes[11] und weitere zwei oder drei Personen waren bereits auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden aufgrund einer Verleumdung in Sachen Milch von Waldschweinferkeln, eine Anschuldigung, die man schließlich als unrichtig entlarvte. Und mit der Hilfe Gottes sagte er den Gefangenen, sie seien frei. Ich gab über 600 Gulden aus den Mitteln der Juden auf deutschem Boden aus, um den Herzog, Markgraf Georg, davon zu überzeugen und ihm zu beweisen, dass wir und das gesamte Judentum völlig unschuldig seien und diese Anschuldigung unbegründet sei.[12]
In den Jahren 5293 und 5295 (1532/33 und 1534/35) kam ein Strafgericht über die Juden im Berberland,[13] als unser Herr der Kaiser gegen jene Lande Krieg zu führen begann und die Städte Koron und Patras erobert wurden. Für unsere vielen Sünden wurden einige Juden ermordet und einige gefangen genommen. Die jüdischen Gemeinden Italiens schrieben mit der Bitte um Unterstützung bei Auslösung und Unterhalt der Gefangenen, was aus dem in ihrem Brief Geschriebenen ersichtlich ist. Wenngleich jedoch hier im Elsass eine Steuer von vier Prozent gesammelt wurde, um sie auszulösen, gelang es uns nicht, dieses Lösegeld in verlässliche Hände zu geben. Und ich sagte, „Es ist gestattet, dieses Geld für den Freikauf anderer Gefangener zu verwenden oder für ähnlich wichtige religiöse Verpflichtungen dieser Art.“ Daher setzte ich einen Teil für meine Aktivitäten im Zusammenhang mit dem harten Erlass gegen die Juden Böhmens und die heilige Gemeinde Prags ein, sowie einen Teil davon für weiteres lebensrettendes Wirken. Möge diese Entscheidung in den Augen Gottes, gepriesen sei er, annehmbar sein.
Im Jahr 5294 (1533/34) gab es Meinungsverschiedenheiten und Streit innerhalb der heiligen Gemeinde Prags zwischen der Gemeinde und den Horowitz-Leuten sowie weiteren Personen, und infolgedessen entstanden viele verfeindete Lager in anderen böhmischen Gemeinden. Die Rabbiner von Posen und Deutschland schrieben mit der dringenden Bitte, zu einer Einigung zu gelangen und die Beilegung der Streitigkeiten den Händen eines rechtschaffenen Mannes anzuvertrauen. Und das Los fiel auf jenen hochgeschätzten Gelehrten, den großen Rabbiner unseren Lehrer Rabbi Abraham, den Sohn unseres Lehrers Rabbi Avigdor, selig sei das Andenken des Rechtschaffenen, und auf meine Wenigkeit, um neue Verordnungen für die Gemeinde auszuarbeiten und festzusetzen. Auf Bitte und Bestehen unserer Rabbiner reiste ich unter vielen Mühen und Schwierigkeiten in jene große Stadt Gottes, um als Gehilfe des Gaons seligen Andenkens zu dienen.[14] Wir erstellten und erließen 23 ausgezeichnete und achtenswerte Vorschriften, und über 400 erwachsene und verantwortliche Männer kamen gerne und unterschrieben das Dokument. Während ich jedoch noch bei Tische saß, das Lavendelöl breitete seinen Duft aus, da gelang es einem Anhänger von Horowitz namens Schabbat Tash und seiner Splittergruppe, mich in die Hände von Mördern auszuliefern. Ich musste dreimal in der Prager Festung in meiner Verteidigung sprechen, und die gesamte Gemeinde unterstützte mich. Mit Gottes Hilfe entkam ich untadelig und unbeschadet aus den Krallen des Löwen. Zusätzlich zu alledem machten gewisse Personen mit lebhaften Fantasien, weise Männer, die jenem Lager zugehörten, gemeinsame Sache mit jenen, die meine Ehre angriffen. Doch Gerechtigkeit kommt auf ihre eigene Art zustande: vorbildhafte Personen kamen von allen Seiten und wandten sich, beseelt durch den Herrn der Heerscharen, an die Rabbiner Italiens und Österreichs, um Genugtuung für meine Beleidigung zu fordern, meine Schlacht zu schlagen und Dank zu sagen für die Segnungen wie sie in jenem Buch niedergeschrieben sind.[15] Und die von den Horowitz-Leuten provozierte und angezettelte Zwietracht und Uneinigkeit hat bedeutet, dass Jakob [=Israel] für unsere vielen Sünden als Beute genommen wurde, um zerstört und nicht aufgebaut zu werden, so wie dies durch das Aufkommen einer Verleumdung nach der anderen bewiesen wird. Möge der Geheiligte, gepriesen sei Er, ihnen vergeben und all unsere Sünden. Möge dies Sein Wille sein. Amen.
Im Jahr 5296 (1535/36), führte die Landvogtei Hagenau und auch Ensisheim[16] wegen Klatschs und boshafter Männer Krieg gegen mich. Ich musste hinaufgehen und gegen die Landvogtei Hagenau in Heidelberg und auch viele Male in Ensisheim kämpfen. Mit der Hilfe des Einen, der mir beisteht, waren sie nicht in der Lage, mich zu besiegen, und Er rettete uns von ihren bösen Absichten und aus der Hand der Bösewichter. Möge Gott Seine Hilfe für mich vom Himmel fortsetzen und vermehren. Möge dies Sein Wille sein. Amen.
Im Jahr 5297 (1536/37) erklärte uns Herzog Hans von Sachsen[17] für vogelfrei und weigerte sich dem jüdischen Volk zu erlauben, auch nur einen Fußbreit auf sein Land zu setzen. Dies geschah aufgrund eines Priesters namens Martin Lo Tohar[18]—möge sein Leib und seine Seele in der Hölle aufgehen! Und in den vielen ketzerischen Büchern, die er verfasste und verbreitete, sagte er, dass für keinen eine Hoffnung bestünde, der den Juden hälfe. Seine zahlreichen Schriften brachten Herrscher und Völker so sehr gegen uns auf, dass es nahezu unmöglich für die Juden war, sich zu behaupten. Mit Zustimmung der Rabbiner besorgte ich ausgezeichnete Briefe von anderen Weisen der Völker und von jenem Ort Straßburg, und ich reiste hinauf, um eine Audienz beim Herzog in Meißen und Thüringen zu erbitten. Doch gelang es mir nicht, die Briefe zu präsentieren, bevor er nach Frankfurt kam, um dort andere Fürsten zu treffen, darunter den Herzog von Brandenburg,[19] der ebenfalls alle Juden auszuweisen beabsichtigte. Allerdings geschah es, dass ich durch die Disputationen, die ich in Anwesenheit vieler nichtjüdischer Gelehrter bestritt,[20] die Argumente Luthers und Bucers[21] und ihrer Anhänger mit Belegen aus unserer Heiligen Thora widerlegen konnte, und sie erkannten die Wahrheit meiner Worte an. Und ein Wunder im Wunder wurde für uns vollbracht, denn es wurde offen gelegt und vielen eröffnet, und auch eben jenem Markgraf Joachim, dass all jenen Märtyrern, die zu Zeiten seines Vaters im Jahr 5270 (1509/10) auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden waren—38 jüdische Seelen—, verbrannt worden waren wegen einer lügenhaften, bösartigen und falschen Anschuldigung. Denn bereits damals hatte der Räuber seine Falschaussage zurückgezogen, doch ein schlimmer Feind und Gegner, der Bischof, hatte dem Priester befohlen, dem Herzog die letzte Beichte des Räubers nicht zu verraten. Da sie all diese Dinge gehört hatten, bereuten die Herzöge[22] ihr bösartiges Tun und ließen sie [die Juden] in ihren Ländern Fuß fassen. Bis zu diesem Tage hat Herzog Joachim treu sein Wort gehalten, doch der Herzog von Sachsen hat sein Versprechen gebrochen und uns viel Schaden zugefügt, indem er uns für vogelfrei erklärte. Deswegen ist er zu Fall gebracht worden[23] und hat seine gerechte Strafe erhalten. Gepriesen sei Gott, der Sein Volk gerächt hat.
Im Jahr 5301 (1540/41), als ich zum Reichstag von Regensburg kam, um bessere Bedingungen für unser Volk in Form von weiteren Privilegien von unserem Herrn dem Kaiser zu erlangen, kam ein Strafgericht über die Juden von Neapel. Wenngleich der Mann aus Rom namens Salomon Romm dort in Regenburg war und alles Mögliche tat, um die Vertreibung zu verhindern, weigerte sich der Kaiser, auf seine Worte zu hören und erließ ein hartes Dekret, dass sie [die Juden] aus dem gesamten Königreich auswies. Er verbat Solomon unter Androhung der Todesstrafe, seine Bemühungen fortzusetzen. Der Mann musste untertauchen und gewann dort ein wenig Zeit mittels seiner Geheimkontakte mit geschätzten Statthaltern.[24]
In eben jenem Jahr, 5301 (1540/41), verschwand im Weißenburger Wald[25] ein Kind und wurde erstochen entdeckt—ein verwester, in den Boden festgetretener Leichnam. Juden in jener Gegend, aus der heiligen Gemeinde Titting wurden fälschlich beschuldigt und verhaftet. Ich musste mich sehr energisch beim Herzog von Neuburg[26] und bei den Herren von Pappenheim[27] einsetzen, bis sie mit der Hilfe Gottes, gepriesen sei Er, freigelassen wurden. Das Reichsgericht[28] ließ in meinem Namen eine Vorladung an die Herren ergehen. Und unter Druck wichen die Schwäbischen und zogen sich aus dem Kampf zurück. Auf alle Fälle wurde den Herren von Pappenheim mit der Hilfe Gottes, gepriesen sei Er, das Fürchten vor ihnen gelehrt, und sie entließen die Juden aus ihrer erzwungenen Haft und sprachen sie von der falschen Anschuldigung frei. Gepriesen sei Gott, der uns in Seiner liebenden Güte nicht im Stich gelassen hat.
Im Jahr 5302 (1541/42) kam ein Strafgericht über alle Juden Böhmens, einschließlich der heiligen Gemeinde Prag, durch die Schlangen, die feurigen Schlangen [Numeri (=4. Buch Mose) 21, 6]. Die Juden erlitten vier harte Strafen: Gefangenschaft, Tötung, Verbrennung und Kreuzigung, und schlimmer noch als all diese, eine bittere und hastige Vertreibung. Auf unzählige Bitten hin kam ich wie ein Bruder im Unglück, um mich anderen Männern der Tat aus der heiligen Gemeinde Prag anzuschließen in einem ernsten Appell an den König, möge er gepriesen sein. Und Gott, gesegnet sei Er, erblickte das große Fasten und Elend der Seelen, die Reue, Gebete und Mildtätigkeit, und Er ließ einen kleinen Rest übrig. Und letzten Endes, Lob sei Gott, war es mir vergönnt, die Kinder in ihr eigenes Land zurückkehren zu sehen, sich zu mehren und das wiederaufzubauen, was zerstört worden war. Allerdings teilten sie mir, als ich am 1. Tammus dieses Jahres [19. Juni 1547] bei ihnen in der heiligen Gemeinde Prag weilte, sowohl in Wort als auch Schrift mit, dass einige Splittergruppen in ihr korruptes Verhalten zurückgefallen wären und die Streitigkeiten wieder aufgenommen hätten. Also sprach ich zu ihren Herzen mit Worten des deutlichen Tadels, bis sie einwilligten, dem Pfad der Wahrheit und des Friedens zu folgen. Und so möge Sein Wille geschehen.
Im Jahr 5304 (1543/44) wurde für unsere vielen Sünden ein Strafgericht vollzogen an fünf Leuten—einem Mann, drei Frauen und einer Jungfrau—durch eine falsche Beschuldigung bezüglich eines Kindes, dessen Leichnam in den Boden getrampelt aufgefunden wurde. Sie folterten den Mann, die Frauen und die Jungfrau, bis sie an der Schwelle des Todes waren, doch, Lob sei Gott, weigerten sie sich, ein falsches Geständnis abzulegen. Und während dieser Zeit war ich einen Monat lang in der heiligen Gemeinde Würzburg und auch in Speyer tätig im Zusammenhang mit den kaiserlichen Briefen [an den Bischof von Würzburg]. Wir, das heißt, ich selbst und andere Leute, darunter kein anderer als unser Lehrer Rabbi Selkelin gesegneten Andenkens sowie Rabbi S., möge Gott ihn schützen und erhalten, wendeten eine enorme Summe an unzähligen Ausgaben für diese Sache auf. Es war dies Lösegeld für die Befreiung der Gefangenen. Die Jungfrau heiligte Gottes Namen, sie erduldete mehr als 32 Wochen schwere Folter. Gepriesen sei Gott, der sie errettete.
Im Jahr 5305 (1544/45) brach der Kaiser, möge er gepriesen sein, mit einem großen Heer auf, um den König von Frankreich zu bekämpfen, und er rückte bis zu einem Ort unweit von Paris vor.[29] Und damals erließen die Räte eine Verfügung, die von allen Juden auf deutschem Boden einen Beitrag zu den Kriegsanstrengungen einforderte. Schließlich erreichten wir einen Kompromiss und willigten ein, ihm [dem Kaiser] über die zusätzlichen Geschenke im Wert von 1.000 Gulden weitere 3.000 Gulden zu 15 Batzen je Gulden und 400 Kronen für Getränke zu geben. Wir erhoben dreiviertel Gulden vom Hundert.[30] Und am selben Tag, als ich bei der heiligen Gemeinde von Worms weilte, beabsichtigten alle Fürsten und Herzöge, die Juden auszuweisen und in diesem Zusammenhang an den Kaiser zu appellieren. Woraufhin ein guter Mann sich erhob,[31] der in guter Erinnerung bleibt, und ihnen erklärte und zeigte, dass dies nicht zu machen sei: die Juden konnte man nicht aus ihrem Regierungsbereich entfernen, denn christliche Gesetze und Prinzipien verlangten, dass sie innerhalb des Herrschaftsgebiets des römischen Kaisers und König behalten werden als Zeichen und Beweis der Wahrheit des Christentums. Das böse Vorhaben für eine Gesamtausweisung wurde fallen gelassen, doch einzelne Juden sind aus dem Mainzer Herrschaftsgebiet[32] ausgewiesen worden, auch aus Esslingen und Landau, sowie seit jener Zeit aus anderen Orten. All dies rührt daher, dass wegen unserer vielen Sünden diese Generation nicht würdig ist und sich nicht ehrlich und rechtschaffen beträgt wie unsere Väter, so wie sie es uns gelehrt haben. Doch jene, die das Wort Gottes fürchten, haben sich errettet und folgen dem Pfad der Wahrheit und des Friedens.
Im Jahr 5306 (1545/46) kam unser Herr der Kaiser nach Regensburg und befahl allen Fürsten und Prinzen, dem Reichstag beizuwohnen und ihre Meinungsverschiedenheiten und Unstimmigkeiten in Glaubenssachen beizulegen.[33] Obwohl die meisten von ihnen kamen, waren die beiden Herzöge von Sachsen und Hessen und ihre Anhänger widerspenstig und verärgerten den Kaiser; sie lehnten sich mehrere Jahre lang gegen ihn auf. Unterdessen bemühte ich mich, neue Privilegien und Berechtigungsnachweise zu erlangen, wie sie uns noch nie ein Kaiser oder König gewährt hatte. Bereits in Speyer hatten der Kaiser und seine Räte versprochen, mir diese zu geben, und während dieses Reichstages in Regensburg ersuchte ich die Räte dringlich, ihr Wort zu halten. Und tatsächlich wurden sie mit der Hilfe Gottes, gepriesen sei Er, niedergeschrieben und mit des Kaisers Unterschrift und Siegel besiegelt. Bald danach entschloss sich der Kaiser, Streitkräfte zu sammeln und einen Krieg gegen die oben erwähnten Fürsten zu führen. Dann kamen die Leute, deren Sprache man nicht verstehen kann—die Spanier—und hätten das jüdische Volk angegriffen, wäre nicht Gott mit uns gewesen und hätte uns geholfen, als ich zu jenem großen Statthalter—dem obersten Minister des Kaisers—namens Granvelle[34] kam und ihn bat, den Kaiser zu beschwören und inständig zu bitten, uns zu beschützen, und er tat wie wir ihn gebeten. Er ging zum Kaiser und sagte zu ihm, „Siehe, die Juden haben schwere Verfolgungen seitens jener lutherischen Ketzer erlitten, und nun kommen Euere eigenen Leute, die Spanier, und werden sie angreifen trotz der neuen Rechte, die Ihr ihnen [den Juden] zuvor gewährt habt. Und der Kaiser gab eine gnädige Antwort: „Es wäre nicht Recht, ließe man die Juden ungeschützt. Hier sind schriftliche und unterzeichnete Befehle, dass kein Soldat aus irgendeiner unserer Armeen bei Strafe eine Hand oder einen Fuß heben soll, um irgendeinen Juden zu verletzten oder zu schädigen.“ Daher wurde auf kaiserlichen Befehl in allen Teilen Deutschlands öffentlich verkündet, dass jeder, der den kaiserlichen Erlass verletzte, mit dem Tod bestraft würde. Auf einmal wurden die Spanier den Juden wohlgesonnen, und als der Kaiser mit seiner Armee zur Schlacht eintraf, brachten ihm die Juden Brot und Wein und versorgten die Streitkräfte mit mehr als 50 Wagen. Die beiden Fürsten von Sachsen und Hessen hatten zusammen mit all den deutschen Städten riesige Streitkräfte, über 100.000 Fußsoldaten und Panzerreiter. Doch wenngleich unser Herr der Kaiser, gepriesen sei er, eine nicht so große und mächtige Armee hatte wie jene—nur insgesamt 40.000—kam Gott zu seiner Hilfe, sodass er sie verfolgte und völlig vernichtete. Und schließlich nahm er die beiden Fürsten fest. Sie befinden sich noch immer in seiner Gefangenschaft. Wir riefen alle Juden energisch auf, morgens und abends für die Sicherheit des Kaisers zu beten und auch „Unser Vater, unser König“ zu rezitieren und das Lied der Einheit,[35] und in der heiligen Gemeinde von Frankfurt beteten die Juden, dass Gott unseren Herrn den Kaiser schützen solle und sein Volk Israel. Denn Seine Hand reicht weit genug, um die die Vielen und die Wenigen zu erretten. Der Sieg, den der Kaiser errang, datierte in das Jahr 5307 (1546/47). Und Gott wirkte Wunder und tat Wunderbares für uns: In Seiner Gnade beschützte Er das jüdische Volk, sodass wir keine einzige Person in diesem großen Krieg verloren. Gepriesen sei Gott, der uns in Seiner liebenden Güte nicht im Stich ließ und uns zweimal von jenen großen Scharen befreite. Möge Er fortfahren und auch mehr tun. Amen.
Im Jahr 5307 (1546/47) entsandte unser Herr der Kaiser den Befehlshaber der Armee mit 10.000 Soldaten, um die Stadt Frankfurt zu belagern und zu unterwerfen. Falls die Stadt sich ergeben und um Frieden bitten sollte, dann würde er unter Vorbehalt zustimmen. Die jüdische Gemeinde schickte Abgesandte zu mir mit dem Wunsch, ich möge mich für sie beim Kommandeur, Graf von Buren,[36] einsetzen. Die Stadt wurde erobert und die Tore für den Kommandeur und all seine Soldaten geöffnet. Ich ging mit Friedensangeboten zum Befehlshaber und brachte ihm ein Geschenk von 800 Gulden. Und da herrschte Frieden für die Juden in der Gasse[37] und in der Stadt. Die in Feuchtwangen und Darmstadt gemachte Kriegsbeute wurde billig an die Juden verkauft, und sie konnten eine gewisse Summe Geldes verdienen. Lob sei Gott, ihre Gebete waren wirksam und ihre Trauer verwandelte sich in Freude. Möge Gott weiterhin ganz Israel Frieden gewähren.
Anmerkungen
Quelle der englischen Übersetzung aus dem Hebräischen: Joseph of Rosheim, The Historical Writings of Joseph of Rosheim: Leader of Jewry in Early Modern Germany, Hrsg. Chava Fraenke-Goldschmidt und Adam Shear, übers. Naomi Schendowich, Leiden, Brill, 2006, S. 315–39.