Quelle
[…] Am 9. April morgens um die dritte Stunde wurde vor dem Hause des Königs ein ganzer Ochse im Wert von sieben Gulden zum Braten hergerichtet; im Ochsen wurde ein Schwein und im Schwein eine Gans und eine Henne mitgebraten, wie dies bei der Krönung eines Römischen Königs Brauch und Sitte ist. Nachher kam zur angesetzten Stunde ein Stellvertreter des Königs, der ein gutes Stück des gebratenen Ochsen für den König abschnitt. Daraufhin drängten alle Leute beiderlei Geschlechtes heran und zerteilten den gebratenen Ochsen mit Schwertern und Keulen, wobei sich jeder nahm, was möglich war. Mittlerweile erschien Bischof Johann von Horn von Lüttich mit mehr als 200 wohlausgerüsteten Reitern in guter Ordnung, alle in der Kleidung der Hofleute des Königs. Vor dem Palast des Römischen Königs war ein eherner Brunnen errichtet mit einem schwarzen Adler, der das Wappen des Römischen Königs hielt, aus dessen Brust Rheinwein floß. Rechts vom Adler war ein goldener Löwe mit dem Banner und dem Wappen von Brabant; aus diesem Löwen floß auch Rheinwein. Links vom Adler war ein schwarzer Löwe mit dem Wappen von Flandern, aus dem ebenfalls Rheinwein floß. Dort war ein schreckliches Gedränge von armen Leuten und allerlei anderem Volk. Um die sechste Morgenstunde kamen die kaiserliche Majestät, der Kurfürst Pfalzgraf [Philipp] bei Rhein, Kurfürst Herzog Ernst von Sachsen, der Herzog [Adolf] von Kleve, Herzog Albrecht von Sachsen und der Herzog [Wilhelm] von Jülich zum Römischen König. Dort zogen sich die beiden Kurfürsten an, wie es ihrer kurfürstlichen Würde zukam, und zogen dann in folgender Ordnung zur Kirche: Der Adel ging voran; es folgten die Bischöfe, nach ihnen Herzog Albrecht von Sachsen, der Herzog von Jülich, der Herr von Kleve, der einen sehr kostbaren Armreifen mit Perlen trug und auf seinem Hut ein Kleinod, das mit Perlen und kostbaren Steinen geschmückt war. Am Schluß kam die kaiserliche Majestät in goldenem Gewand mit einer sehr wertvollen Kette, welche rundum plastisch gearbeitet war, woran ein kostbares Kreuz hing. Zur rechten Seite des Kaisers ging sein Sohn Maximilian, der Römische König, mit einem goldenen Mantel, der mit Hermelin besetzt war und über die Schultern seiner Hoheit bis zu den Ellenbogen herabhing und dessen vordere Schließe mit Perlen und kostbaren Steinen besetzt war; auf dem Haupt trug er einen goldenen Hut, der nach italienischer Art ähnlich mit Hermelin besetzt war. Links vom Kaiser ging Kurfürst Herzog Ernst von Sachsen mit ähnlichem Mantel und Gewand aus rotem Samt, einem großen hohen scharlachroten Hut, ebenfalls mit Hermelin besetzt. Kurfürst Pfalzgraf Philipp bei Rhein ging zur rechten Seite des Römischen Königs auf ähnliche Weise gekleidet und mit rotem Samthut. So betraten sie zugleich die Kirche. Am Umgang der Kirche kamen ihnen die geistlichen Kurfürsten entgegen; und zwar die Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier in ihren Pontifikalgewändern, mit Mitra, Kreuz und Bischofstäben, auch der Klerus mit Kreuz, Weihrauchfaß und Evangelienbuch; außerdem andere Prälaten, Bischöfe und Äbte in ihren Pontifikalgewändern, um die Fürsten zu empfangen. Beim Empfang sprach der Erzbischof von Köln, der den Gottesdienst feiern sollte, ein Gebet […]. Nach diesem Gebet nahmen die Erzbischöfe von Mainz und Trier den Römischen König in ihre Mitte und führten ihn in die Kirche. Der Erzbischof von Köln schritt voran, ihm folgte die Prozession und man sang eine Antiphon […]. Nachdem sie vollendet war, warf sich der König vor den Stufen des Altars in ganzer Länge auf den Boden, und der Erzbischof von Köln las über den also Liegenden Gebete […]. Hierauf nahm der König auf einem schön geschmückten Betstuhl vor dem Marienaltar Platz, und etwas dahinter auf einer kleinen Sitzbank saß rechts vom König der Erzbischof von Mainz, links der Erzbischof von Trier; hinter ihnen standen der Erzbischof von Gran, der Herzog von Jülich, Herzog Albrecht von Sachsen, der Herzog von Kleve und Herzog Kaspar von Bayern und Graf in Veldenz. Zur Rechten des Altars saß die kaiserliche Majestät auf einem reichgeschmückten Thron, zu dem drei Stufen emporführten. Links von ihm waren Kurfürst Pfalzgraf Philipp bei Rhein und Kurfürst Herzog Ernst von Sachsen. Dann begann der feierliche Gottesdienst von der Erscheinung des Herrn mit einer Sequenz […], die im gregorianischen Choral gesungen wurde. Nach der Sequenz erhoben sich der Mainzer und der Trierer und nahmen dem König das Oberkleid ab. Inmitten der beiden ging er im goldenen Gewand vor den Altar, wo er sich in Form eines Kreuzes niederwarf. Von zwei Klerikern wurde die Litanei gesungen; hierauf erhob sich der Erzbischof von Köln und sprach mit dem Stab in der Hand die Gebete […], worauf die Kleriker antworteten. Nach der Litanei erhob sich der König, und der Erzbischof von Köln, der mit dem Hirtenstab in der Hand vor dem Altar stand, richtete an den König folgende sechs Fragen: „Willst du den überlieferten katholischen Glauben bewahren und mit gerechten Mitteln schützen? Willst du der heiligen Kirche und ihren Dienern ein getreuer Beschützer und Verteidiger sein? Willst du das Reich, das Gott dir anvertraut hat, nach der Gerechtigkeit deiner Vorgänger regieren und wirksam verteidigen? Willst du die Rechte des Reiches und des Kaisertums wahren und deren zu Unrecht verlorengegangene Güter zurückgewinnen und getreulich dem Nutzen des Reiches und des Imperiums überlassen? Willst du Armen und Reichen, Witwen und Waisen ein gerechter Richter und ein rechtschaffener Verteidiger sein? Willst du dem allerheiligsten Vater und Herrn, dem Römischen Papst, und der heiligen Römischen Kirche in Ehrfurcht schuldigen Gehorsam und Treue erweisen?“ Auf alle Fragen antwortete der König: „Ich will.“ Hierauf wurde der König durch die Erzbischöfe von Mainz und Trier an den Altar geführt. Er legte die zwei Finger seiner rechten Hand auf den Altar und sprach: „Mit Hilfe Gottes und unterstützt von den Gebeten der Christgläubigen will ich, soweit ich kann, alles getreu halten, so wahr mir Gott helfe und alle seine Heiligen.“ Hierauf wurde er durch die genannten Erzbischöfe wieder an seinen Platz vor dem Altar zurückgeführt, und der Erzbischof von Köln, mit dem Hirtenstab in der Hand vor dem Altar stehend, fragte die umstehenden deutschen Fürsten, den Klerus und das Volk: „Wollt ihr euch diesem Fürsten und Regenten unterwerfen, seine Herrschaft stärken, durch Treue festigen und seinen Befehlen gehorchen, entsprechend dem Wort des Apostels, daß jede Seele den höheren Gewalten untertan sein soll, wie etwa einem so hervorragenden König?“ Auf diese Frage antworteten die Herren von Mainz und Trier, die deutschen Fürsten, der Klerus und das Volk und riefen dreimal: „So soll es geschehen!“ Hierauf führten sie den König vor den Altar, wo er sich der Länge nach auf die Erde warf, und der Erzbischof von Köln über ihn Segensgebete sprach […].
Nach den Segensgebeten richteten sie den König auf die Knie auf, entblößten seine Schulter, die Brust und die Armbeugen. Der König saß andächtig und mit gefalteten Händen da. Der Erzbischof von Köln salbte ihn auf dem Haupt, auf der Brust, zwischen den Schulterblättern und an den beiden Schulterbeugen mit Katechumenenöl; dann salbte er auch noch die Innenseite der Hände, wobei er Gebete sprach […]. Der Klerus sang inzwischen: „Der Herr hat dich gesalbt.“ Hierauf wurde der König von den Erzbischöfen sofort in die Sakristei geführt, und die Ältesten des Domkapitels wischten ihm mit reinster Wolle die gesalbten Stellen ab. Hierauf zogen ihm die Herren des Domkapitels die Schuhe und die Alba an, ebenso die Stola kreuzweise über die Brust. Der König kehrte vor den Altar zurück, wo er sich in Kreuzesform niederwarf, worauf der Erzbischof von Köln ein Segensgebet sprach […].
Nach diesen Segensgebeten wurde der Römische König durch die Erzbischöfe von Mainz, Trier und Köln mit einem Mantel bekleidet; sie überreichten ihm zugleich das bloße Schwert des heiligen Karl, wobei der Erzbischof von Köln ein Gebet sprach […]. Hierauf steckten sie das bloße Schwert in die Scheide und umgürteten den König damit. Dann übergab ihm der Erzbischof von Köln die Armspangen, das Pallium und den Königsring […], hierauf das Zepter und den Reichsapfel […]. Nachdem dies geschehen, setzten alle drei Erzbischöfe, der Kölner, der Mainzer und der Trierer, dem König zugleich die Krone des heiligen Karl auf das Haupt, wobei sie ein Gebet sprachen […]. Hierauf wurde der König durch die Erzbischöfe von Mainz und Trier an den Altar geführt; dort legte er beide Hände auf den Altar und gab in der Volkssprache folgendes Versprechen: „Ich bekenne vor Gott und seinen Engeln, fortan Gesetze, Gerechtigkeit und Frieden der heiligen Kirche Gottes zu wahren, dem mir untertänigen Volk zu nützen und Gerechtigkeit zu üben, die Rechte des Reiches zu wahren, unter Rücksicht auf die göttliche Barmherzigkeit, wie ich dies mit Rat der Fürsten und Getreuen des Reiches und meiner Freunde am besten kann. Dem allerheiligsten Römischen Papst, der Römischen Kirche, den übrigen Bischöfen und Kirchen Gottes will ich ihre kirchenrechtliche Ehre erweisen; das was Kaiser und Könige den Kirchen und geistlichen Personen übertragen haben, will ich unverletzt halten und erhalten lassen; den Äbten und Orden als Vasallen des Reiches will ich die gebührende Ehre entgegenbringen, soweit mir unser Herr Jesus Christus Hilfe, Kraft und Würde verleiht.“
Nach dieser Eidesleistung wurde der König durch die Erzbischöfe von Mainz und Trier zu seinem Thron oder Königsstuhl geführt, der sich oberhalb, über dem hohen Münster vor dem Altar der Apostel Simon und Judas befindet […]. Der Erzbischof von Köln mit seinem Gefolge und mit den anderen Fürsten folgte dem König; sie setzten ihn auf den steinernen Königsstuhl des heiligen Karl, wobei der Kölner folgendes Gebet sprach: […]. Als der König so auf dem Königsstuhl saß, traten diejenigen heran, welche in die Ritterschaft aufgenommen werden wollten. Der König zog das Schwert des heiligen Karl aus der Scheide und hielt es in seiner Hand. Als erster trat heran Kurfürst Philipp Pfalzgraf bei Rhein, dann Kurfürst Herzog Ernst von Sachsen, dann der Herzog von Jülich, Herzog Kaspar von Bayern und Graf in Veldenz, Herzog Karl von Geldern, der Markgraf [Christoph] von Baden, Landgraf Wilhelm von Hessen in Kassel und Wilhelm von Egmont mit vielen anderen; im ganzen wurden etwa 200 oder mehr zu Rittern geschlagen, wobei Posaunenmusik ertönte. Hierauf stieg man wieder hinunter an den alten Platz des Chores, wo das Te Deum gesungen wurde […].
Darauf ging der Römische König mit dem Zepter in der Hand zum Opfer und brachte einige Goldstücke dar […]. Dann kamen die Domkapitulare der Aachener Kirche und nahmen den Römischen König als ihren Kanoniker auf; er leistete ihnen den Eid für die zugehörige Kirchenpfründe. Sie wiesen ihm seinen Platz im Chor an. Er übergab die Statuten und den Zulassungswein entsprechend dem Brauch dieser Kirche. Er unterhält zwei Vikare an diesem Ort, welche die ganze Pfründe innehaben und seinen Platz in der Kirche ausfüllen. So ging die Königskrönung zu Ende.
Quelle dieser modernen deutschen Übersetzung aus dem lateinischen Original: Inge Wiesflecker-Friedhuber, Hrsg., Quellen zur Geschichte Maximilians I. und seiner Zeit. Darmstadt: WBG, 1996, S. 43–47.