Quelle
(A) Böhmischer Majestätsbrief des
Kaisers Rudolf II.
Prag, 9. Juli 1609
Wir Rudolf usw. geben zum ewigen Gedächtnis mit diesem Briefe jedermann bekannt: Alle drei Stände unsers Königreichs Böhmen, welche den Leib und das Blut unsers Herrn Jesu Christi unter beiderlei Gestalt empfangen, Unsere Lieben Getreuen, haben auf dem im verflossenen Jahre des Herrn 1608 Montags nach Exaudi auf dem Prager Schlosse gehaltenen, und in demselben Jahre Freitags nach dem Feste Johannes des Täufers geschlossenen Landtage, bei uns, als Könige von Böhmen, in geziemender Untertänigkeit ergebenst angesucht: es möchte ihnen die allgemeine Böhmische Konfession, von einigen auch die Augsburgische genannt, welche auf dem allgemeinen Landtage im Jahr 1575 verfaßt und Seine Majestät dem Kaiser Maximilian glorreichen und ehrwürdigen Angedenkens Unserm geliebtesten Herrn Vater überreicht worden, (welche auch, wie Wir aus sicheren darüber eingezogenen Nachrichten, sowie aus dem von Sr. Kaiserlichen Majestät Unserm geliebtesten Herrn Vater eigenhändig geschriebenen Briefe zu ersehen geruht, ja selbst aus einigen bei der Landtafel vorgefundenen glaubwürdigen Urkunden erhellt, von Sr. Majestät sofort bewilligt worden,) und der in der Vorrede der nämlichen Konfession enthaltene unter ihnen getroffene Vergleich wie auch die übrigen auf demselben Landtage von ihnen ausdrücklich beigefügten Religionsgesuche bestätigt, die freie Ausübung ihrer christlichen Religion unter beiderlei Gestalt ruhig und ungehindert verstattet, und solches von Uns, ihnen, den Ständen, genugsam bekräftigt werden, wie dies der ganze Religionspunkt und ihr Begehren bei dem gedachten Landtage und die Landtagsverhandlungen selbst, welche sich bei der Landtafel in dem grünen Quatern der allgemeinen Landtage auf das Jahr 1608 den Montag nach Exaudi unter dem Buchstaben K. 8 von Wort zu Wort eingetragen befinden, ausführlich in sich enthalten.
Da Wir aber zu jener Zeit wegen anderweitiger sehr wichtiger, keinen Aufschub duldender Geschäfte, um derentwillen der damalige Landtag ausgeschrieben worden, die Bestätigung nicht erteilen konnten; so haben Wir zur weitern Entscheidung aller dieser Angelegenheiten einen Aufschub bis zu dem darauf folgenden, auf den ersten Donnerstag vor Martini festgesetzten Landtag gnädigst begehrt, inzwischen aber den utraquistischen Ständen, solange nicht alles auf dem allgemeinen Landtage geordnet wäre, zugesichert, daß sie ihre Religion nach ihrem Belieben auszuüben befugt, und bis zur Austragung des berührten einstweilen vertagten Punktes, keiner weitern Verfügung, was auch immer für Positionen von Uns den Ständen vorgelegt werden möchten, beizutreten, auch über nichts zu verhandeln verbunden sein sollten.
Da nun der, dem vorigen Landtagsbeschlusse zufolge, auf den Donnerstag vor Martini verlegte Landtag aus gewissen Ursachen von Uns aufgeschoben und ein anderer auf den Dienstag nach S. Pauli Bekehrung, kraft Unseres Mandats, auf das Prager Schloß ausgeschrieben worden, auch die benannten utraquistischen Stände uns aufs neue die angeführte Konfession und den untereinander getroffenen Vergleich eingereicht und bei uns, als ihrem Könige und Herrn, nicht nur durch eigene anhaltende untertänige Bitten, sondern auch durch angesehene und hohe Fürsprachen anzusuchen nicht nachgelassen haben, daß wir doch dem Begehren gedachter utraquistischer Stände Unserer Lieben Getreuen gnädig willfahren möchten: so haben Wir dies alles mit unsern höchsten Beamten, Landrichtern und Räten des Königreichs Böhmen in unsere kaiserliche und königliche sorgsame Erwägung gezogen, und auf die untertänige Bitte der erwähnten Herren, Ritter, Prager und anderer Abgesandten der Städte aus allen drei Ständen dieses Unseres Königreichs Böhmen, welche den Leib und das Blut unseres Herrn Jesu Christi unter beiderlei Gestalt genießen, und sich zu der erwähnten Konfession bekennen, Unsern lieben getreuen Untertanen allen drei Ständen dieses Königreichs, Unsern Getreuen, einen allgemeinen Landtag auf den Montag nach dem Sonntage Rogate, sonst Kreuzwoche genannt, dieses Jahres 1609 durch Unsere königliche Mandate auszuschreiben, auf das Prager Schloß zu bescheiden, und in denselben an jedermann ergangenen Befehlen unter andern dieses ausdrücklich beizufügen uns bewogen gefunden, daß Wir bei diesem Landtage den vertagten Religionsartikel zur Entscheidung in der Landtagsproposition vorlegen, auch ihnen darüber genugsam Sicherheit stellen wollen, daß sie alle, die Partei unter einer sowohl, als auch die unter beiderlei und die sich zu eben der Uns vorher eingereichten Konfession bekennen, ihre Religion ohne alle Hindernisse und Bedrückungen, es sei von geistlichen oder weltlichen Personen, ausüben konnten, wie solches Unsere auf dem Prager Schlosse Samstag nach Jubilate dieses Jahres 1609 datierten Mandate über den berührten Punkt besagen. Als sich nun zu diesem von Uns ausgeschriebenen allgemeinen Landtage alle drei Stände gehorsam und untertänig eingefunden, und Wir laut Unserer im erwähnten Mandat beigefügten, gnädigen Zusicherung diesen Artikel über die Religion in unsrer Landtagsproposition zuerst zur Beratung vorzuschlagen geruhten: so haben die schon oft erwähnten vereinigten drei Stände unter beiderlei ihr voriges Uns von ihnen überreichtes Ansuchen erneuert, und um genugsame Sicherstellung und Eintragung derselben bei der Landtafel untertänig gebeten.
Da Wir denn nun wollen, daß in diesem Königreiche unter allen
drei Ständen, wie der katholischen Partei so auch der oft genannten
utraquistischen, zwischen Unsern sämtlichen lieben getreuen Untertanen
jetzt und auf künftige Zeiten alle Liebe und Eintracht, Friede und gutes
Vernehmen zur Auferbauung und Erhaltung des allgemeinen Besten und
Friedens bestehe, daß jede Partei ihre Religion, bei welcher sie ihre
Seligkeit hofft, frei und unverhindert und ohne Bedrängnis ausüben
könne, und dadurch sowohl (wie billig) dem Landtagsschlusse von J. 1608
als auch Unserm allgemein ergangenen Mandate (in welchem Wir die zu der
oft erwähnten Konfession sich bekennenden vereinigten utraquistischen
Stände dafür, was sie immer waren, nämlich für Unsere getreuen,
gehorsamen Untertanen unter Unserm gnädigen Schutz, so an allen
Ordnungen, Rechten und Freiheiten dieses Königreichs Anteil haben und
über welche sich Unsere königliche Pflicht, Recht und die Landesordnung
erstrecket, öffentlich anerkannten und auch gegenwärtig dafür erklären)
ein Genüge geschehe, und indem wir die obberührten bedeutenden
Fürsprachen, die vielfältigen emsigen Bitten der utraquistischen Stände
selbst, endlich die vielen treuen und wichtigen von ihnen Uns zu jeder
Zeit während Unsrer glücklichen Regierung tätig erwiesenen Dienste
berücksichtigen: so haben wir aus allen diesen und vielen andern
Ursachen nach eigener reifer Erwägung mit Unserm ernstlichen Wissen und
Willen kraft Unserer königlichen Gewalt in Böhmen mit der Zustimmung der
obersten Landbeamten, Landrichter und Räte diesen Artikel, die Religion
betreffend, bei dem gegenwärtigen allgemeine Landtage am Prager Schlosse
mit allen dreien Ständen dieses Königreichs folgendermaßen anordnen,
beschließen, und sie, die utraquistischen Stände, mit diesem Unsern
Majestätsbriefe versehen wollen, und versehen sie damit
ausdrücklich.
Erstens, so wie es vorher schon durch die Landesverfassung (Art. A. 32) bezüglich des Glaubens unter einer- und beiderlei Gestalt bestimmt worden, daß niemand den andern bedrängen, vielmehr alle als gute Freunde beisammenhalten, und eine Partei die andere nicht schmähen solle: so wird auch jetzt die Landesverfassung in diesem Artikel durchgängig aufrechtgehalten und beide Teile werden für die Zukunft zur Beobachtung desselben unter den durch dieselbe Landesordnung bestimmten Strafen verpflichtet. Und weil die Katholiken in diesem Königreiche ihre Religion frei und ungehindert ausüben dürfen, die zu der oft erwähnten Konfession sich bekennende utraquistische Partei den erstern keinen Eintrag tun noch Vorschriften setzen kann; so erlauben, ermächtigen und berechtigen wir, damit eine völlige Gleichheit eintrete, daß die oft erwähnten vereinigten utraquistischen Stände, die Herren, Ritter und Prager, Kuttenberger und andere Städte nebst ihren Untertanen, überhaupt alle, samt und sonders, so zur oftberührten böhmischen Konfession, welche dem Kaiser Maximilian glorwürdigen Andenkens, Unserm geliebtesten Herrn Vater, auf dem Landtage vom Jahr 1575 und gegenwärtig Uns aufs neue überreicht worden (wobei Wir sie allergnädigst schützen wollen), sich bekannt haben und bekennen, keinen ausgenommen, ihre christliche Religion unter beiderlei dem oft besagten Glaubensbekenntnisse und dem unter ihnen selbst gemachten Vergleiche und Vereine gemäß, frei und nach Gefallen überall ausüben können, bei ihrem Glauben und ihrer Religion, wie auch bei ihrer Geistlichkeit und Kirchenordnung, welche bei ihnen sich vorfindet oder von ihnen eingeführt wird, ruhig gelassen werden mögen, und zwar bis zur christlichen vollkommenen allgemeinen Vergleichung über die Religion im Heiligen Römischen Reiche. Ebenso sollen sie auch weder jetzt noch künftig schuldig sein, sich nach den schon auf dem Landtage vom Jahr 1567 aufgelassenen und in den Landesprivilegien und anderswo ausgelassenen Kompaktaten zu richten.
Ferner wollen wir den utraquistischen Ständen die besondere Gnade erweisen und das untere Prager Konsistorium in ihre Gewalt und Defension wieder übergeben, auch gnädigst bewilligen, daß dieselben utraquistischen Stände das gedachte Konsistorium mit ihrer Priesterschaft nach ihrem Glaubensbekenntnisse und Vereine erneuern, wie auch ihre Prediger, sowohl böhmische als deutsche, demselben gemäß ordinieren lassen, oder bereits ordinierte auf ihre Kollaturen, ohne einige Verhinderung des Prager Erzbischofs oder jemand andern, annehmen und einsetzen dürfen. Nicht minder übergeben Wir die von alters her den Utraquisten gehörige Prager Universität mit allem Zubehör der Gewalt bemeldeter Stände, damit sie dieselbe mit tüchtigen und gelehrten Männern besetzen, gute löbliche Einrichtungen treffen, und über beides zuverlässige Personen aus ihrer Mitte zu Beschützern anstellen mögen. Inzwischen aber, bis dieses alles ins Werk gesetzt wird, sollen nichtsdestoweniger die utraquistischen Stände bei allem dem, was oben bestimmt, daß sie nämlich ihre Religion frei und unbehindert ausüben dürfen, vollständig belassen werden. Soviel Personen sie aus ihrer Mitte zu Defensoren über bemeldetes Konsistorium und die Prager Universität, ihrem gemeinschaftlichen Vertrage gemäß, aus allen drei Ständen in gleicher Anzahl ernennen, und Uns als ihrem Könige und Herrn mit ihrer Namen Verzeichnisse übergeben werden, diese alle, auf solche Weise Uns namhaft gemachten und überreichten Personen, keinen hiervon ausgelassen, wollen wir von dem Tage der Einreichung des Verzeichnisses an binnen zwei Wochen bestätigen und sie für dergleichen Defensoren erklären, ohne ihnen außer der Pflicht, welche von den Ständen denselben vorgeschrieben werden soll, andere Pflichten oder Instruktionen aufzulegen. Im Falle aber, daß Wir anderer Unserer Geschäfte wegen oder aus was immer für Ursachen binnen dieser obangegebenen Frist sie nicht bestätigen könnten oder würden; so sollen sie dessen ungeachtet über beides Beschützer verbleiben und Vollmacht haben, alles zu leiten und zu verrichten, als wären sie schon von Uns dazu bestätigt und dafür anerkannt worden. Falls auch einer von ihnen mit Tode abginge, so können an die Stelle des Verstorbenen die Stände unter beiderlei bei dem nächstfolgenden Landtage zu den am Leben verbliebenen einen andern wählen und beiordnen. Und so soll es auch in folgenden Zeiten immer auf die oben beschriebene Weise, wie von Uns, Unsern Erben und nachfolgenden Königen in Böhmen, also auch von den Landständen und Defensoren bestimmt und beobachtet werden.
Ferner, wenn jemand von den utraquistischen Ständen dieses
Königreichs, außer den Kirchen und Gotteshäusern, welche sie jetzt
besitzen und ihnen vorher schon zuständig gewesen (bei welchen sie auch
friedlich gelassen und geschützt werden sollen) in Städten, Flecken,
Dörfern und anderswo noch mehrere Gotteshäuser oder Kirchen zum
Gottesdienst, oder auch Schulen zur Bildung der Jugend wollte oder
wollten erbauen lassen; so sollen dieses sowohl der Herrn- und
Ritterstand, als auch die Prager, Berg- und andere (königliche) Städte
alle gemeinschaftlich und jeder insbesondere ohne Hindernis von Seite
irgendeines Menschen auf alle beliebige Weise jederzeit frei und offen
tun können. Und weil in vielen Unsern königlichen, auch Ihrer Majestät
der Kaiserin Städten, als Königin von Böhmen, beide Religionsparteien
Katholiken und Utraquisten beisammen wohnen, so wollen und befehlen Wir
insbesondere, daß zu Erhaltung der Liebe und Eintracht, jede Partei ihre
Religion frei und uneingeschränkt ausübe, sich von ihrer eigenen
Geistlichkeit leiten und dirigieren lasse, und kein Teil dem andern in
seiner Religion und deren Gebräuchen etwas vorschreibe, noch die
Ausübung der Religion, Beerdigung der Leichen in Kirchen und Kirchhöfen
oder das Geläute verwehre.
Vom heutigen Tage an soll niemand, weder die höhern freien Landstände noch die Bewohner untertäniger Städte und Flecke, noch die Bauern von ihren Obrigkeiten oder irgend jemand, sei es von geistlichen oder weltlichen Personen, von ihrer Religion abgedrängt und zu einer andern Religion durch Gewalt oder auf irgendeine ersonnene Art gezwungen werden.
Weil alles, was eben bestimmt worden, von Uns um Aufrechterhaltung der Liebe und Eintracht willen redlich gemeint und verordnet worden ist; deshalb versprechen und geloben wir bei Unserm königlichen Worte, daß alle diese zur böhmischen Konfession sich bekennenden drei Stände Unseres Königreichs Böhmen, ihre gegenwärtigen und künftigen Nachkommen, bei dem allen, was oben schriftlich geordnet worden, von Uns, Unsern Erben und zukünftigen Königen in Böhmen allenthalben vollkommen und unverletzt sollen gelassen und beschützt werden, so wie Wir sie auch in den Religionsfrieden des heiligen Reichs, als das vornehmste Mitglied desselben, gänzlich mit einschließen und bestätigen, worin ihnen weder von Uns, Unsern Erben und künftigen Königen in Böhmen, noch von jemand anderem geistlichen oder weltlichen Standes auf künftige und ewige Zeiten irgendein Eintrag geschehen soll. Es sollen auch wider den obbemeldeten errichteten Religionsfrieden, und wider die von Uns den utraquistischen Ständen erteilte feste Sicherung, keine Befehle und nichts dergleichen, was ihnen irgend worin das geringste Hindernis oder einige Abänderung verursachen könnte, weder von Uns, Unsern Erben und nachfolgenden Königen in Böhmen, noch von sonst jemandem an sie ergehn, auch von ihnen nicht angenommen werden. Wenn aber auch etwas derlei erfolgen, oder von wem immer vorgenommen werden möchte, soll es keine Kraft haben und in dieser Sache, sei es mit oder ohne Recht, kein richterliches Urteil noch ein Ausspruch mehr gültig sein. Daher Wir alle vorigen wider die bemeldete utraquistische Partei, und die sich zur ofterwähnten böhmischen Konfession bekennen, von wo immer ergangenen Befehle und Mandate gänzlich aufheben, für ungültig und nichtig erklären, dergestalt, daß dieses alles, was bei diesem Artikel die Stände von uns gegenwärtig und vorher begehrt, und Wir denselben bestätigt haben, auch was inzwischen vorgegangen, ihnen allen, den vereinigten drei Ständen dieses Königreichs insgesamt oder einzeln nie zum Nachteil und Abbruch ihres guten Rufs oder zu irgendeiner Beschwerde gereichen, noch von Uns und den folgenden Königen in Böhmen in irgendeine ihnen nachteilige Erinnerung gebracht, auch nichts abgeändert werden soll, jetzt und auf künftige ewige Zeiten. Wir gebieten demnach den obersten Landbeamten, Landrichtern und Unsern Räten, wie auch allen Landständen, den dermaligen und zukünftigen Einwohnern dieses Königreichs, Unsern Lieben, Getreuen, daß ihr sie, die Herren, Ritter, Prager, Berg- und sämtliche Städte, ja alle drei Stände dieses Königreichs, mit allen ihren Untertanen, und überhaupt die zu der oftbemeldeten böhmischen Konfession samt und sonders sich bekennende Partei unter beiderlei bei dieser Unserer Sicherstellung und diesem Majestätsbrief wie derselbe in allen seinen Artikeln und deren Inhalt lautet, vertretet und schützet, ihnen darin keine Hindernisse legt, noch irgend jemanden zu legen gestattet, bei Vermeidung Unseres Zornes und Unserer Ungnade. Und sofern jemand, wer es auch sei, von geistlichen oder weltlichen Personen, sich unterstünde, diesen Majestätsbrief zu übertreten, achten Wir uns schuldig, samt Unsern Erben und künftigen böhmischen Königen, wie auch den Ständen dieses Königreichs, jeden solchen als einen Verletzer des gemeinen Besten und Störer des Friedens anzusehen, und die Landstände dagegen zu schützen und zu verteidigen, wie solches die Landesordnung in dem Artikel von der Beschützung des Landes, der Ordnungen und Rechte bestimmt und ausweist.
Endlich befehlen wir den hohen und niedern Beamten bei der Landtafel Unseres Königreichs Böhmen, daß sie zum künftigen Gedächtnis diesen Unsern Majestätsbrief bei der Landtagsrelation, welche bei dem jetzigen Landtage von allen drei Ständen dieses Königreichs zu der Landtafel geschehen wird, in die Landtafel eintragen und einschreiben, und alsdann gegenwärtiges Original zu andern Freiheiten oder Landesprivilegien nach Karlstein bringen lassen. Zu Urkund dessen haben Wir diesem Majestätsbriefe Unser kaiserliches Insiegel anzuhängen befohlen. […]
(B) Vergleich zwischen den
evangelischen und katholischen Ständen Böhmens
[Prag], 9. Juli 1609
Was den Religionsartikel betrifft, der auf das gnädige Verlangen S. M. des Kaisers als Königs von Böhmen auf dem Landtage vom Jahre 1608 Montag nach Exaudi bis zu dem folgenden Landtag und Abschluß aller übrigen Angelegenheiten vertagt wurde, so wird hier dessen Inhalt – weil S. M. den betreffenden Artikel mit allen drei Ständen des Königreichs auf diesem Landtag zu Ende beraten und den Utraquisten mit seinem königlichen Majestätsbrief die Macht erteilt hat, daß sie ihre Religion nach der böhmischen S. K. M. überreichten Konfession und nach dem unter ihnen selbst geschlossenen Vertrage und Übereinkommen frei und ohne Druck und Hindernis bekennen dürfen, wobei er auch das untere Konsistorium und die Prager Akademie mit allem Zugehör den Utraquisten in ihre Macht und ihren Schutz übergeben hat, wie dies der Majestätsbrief, der auf besondere Landtagsrelation in der Landtafel eingerückt ist und dessen Datum Donnerstag nach Procopi 1609 umständlicher nachweist – hier aufrecht erhalten.
Zuerst haben sich die Katholiken (strana pod jednou) mit mehren Personen aus den Utraquisten dahin besprochen und vertragen, daß die Utraquisten die Katholiken bei ihren Kirchen, ihrem Gottesdienste, Zeremonien, Kollaturen, Klöstern, Kollegien, Privilegien, Dotationen, Zehnten, Giebigkeiten, geistlichen Heimfällen und alten Gebräuchen, kurz ohne jede Änderung bei ihrem Glauben belassen und ihnen dabei keine Gewalt und kein Hindernis antun werden, gerade so wie die Katholiken die Protestanten bei den Kirchen, welche diese Partei eben im Besitz hat, beschützen wollen und sollen.
Zweitens sollte S. M. der Kaiser als König von Böhmen, oder irgend jemand, ob Katholik oder Utraquist, aus den höheren Ständen auf seinen Gütern für sich oder seine Untertanen auf eine Pfarre, die seine Kollatur ist, einen solchen utraquistischen Priester, der vom Erzbischof geweiht ist, setzen wollen, so soll er dies tun können. Was jedoch die Prager und andere königliche Städte betrifft, so soll – weil die Prager Gemeinden und ihre Geistlichkeit, so wie die übrigen (königlichen) Stadtgemeinden in großer Zahl zu den Utraquisten und dieser Konfession sich geschlagen haben und sich größtenteils nach jener Ordnung, die unter den Utraquisten nach derselben Konfession entweder schon errichtet ist oder errichtet sein wird, verhalten wollen – folgender Vertrag gelten, damit nicht später in irgendeiner Gemeinde oder einem Kirchspiel Zwiespalt und Streitigkeiten entstünden: Wenn sich in einer Gemeinde oder einem Kirchspiel eine solche Person findet, die sich nach einem (als) utraquistischen Priester richten will, der vom Prager Erzbischof und nicht nach besagter Konfession geweiht ist, so kann dieser, ohne jedoch der Gemeinde, dem Kirchspiel oder dem von den Ständen zu errichtenden Konsistorium Hindernisse in den Weg zu legen oder Wirren zu erregen, an einen solchen vom Erzbischof geweihten Priester wo immer hin sich wenden und seine kirchlichen Dienste in Anspruch nehmen.
Was die Bestattung der Leichname und das Läuten der Glocken betrifft, so sollen die Utraquisten bei den Kirchen und Pfarren der Katholiken, so wie diese letztern bei denen der ersten nicht bestattet werden, es sei denn mit Willen und Wissen des Kollators und des Pfarrers.
Wenn zu einer katholischen Pfarre Utraquisten gehören und zu ihr einen Zehent oder was sonst für Zahlungen leisten würden, so können sie ohne besondere Erlaubnis des Kollators daselbst bestattet werden und ebenso auf der andern Seite: wenn zu einer utraquistischen Pfarre Katholiken gehören und einen Zehent oder sonstige Zahlung zu ihr leisten werden, so können auch diese ohne besondere Erlaubnis des Kollators bestattet werden. Würde der Kollator oder sonst jemand die Bestattung der Leichname hindern wollen, so sind die Betreffenden zur Leistung des Zehents oder sonstigen Zahlungen nicht verpflichtet. Ihre Obrigkeit kann sie zu einer beliebigen Pfarre hinweisen und da können sie ihre Begräbnisse vornehmen.
Wenn in einem Ort oder einer Stadt, ja selbst auf den Gütern sowohl des Königs wie der Königin die Utraquisten keine eigenen Kirchen und eigene oder mit den Katholiken gemeinschaftliche Friedhöfe haben würden, so dürfen diese nach dem Wortlaute des Majestätsbriefes sich Kirchen und Gotteshäuser bauen und Friedhöfe sich anlegen.
Wer vor diesem Vertrag mit jemandem einen Streit über eine Kollatur vor dem ordentlichen Gerichte hatte, welcher der rechtlichen Entscheidung noch harrt, der soll diese abwarten. Wenn jemand gegen einen zweiten eine Kollatur im Prozeßwege gewinnen will, soll er sich derselben nicht willkürlich bemächtigen, sondern den Richterspruch erwarten, so wie dies der Vertrag unter den Katholiken und Protestanten weitläufiger bestimmt.
Weil der Majestätsbrief, der von S. M. dem Kaiser den Utraquisten gegeben worden, nicht diesem Vertrag präjudizieren soll und ebensowenig dem Majestätsbrief dieser Vertrag, diese Sicherstellung der einen Seite den wahren Sinn der Sicherstellung der andern Seite nicht in Frage stellt, so beläßt S. M. der Kaiser sie die Katholiken nicht bloß bei der Sicherheit, die ihnen der Majestätsbrief gewährt, sondern auch bei diesem Vergleiche, so daß wie der Majestätsbrief die Bedeutung des Vergleiches, so auch dieser Vergleich die des Majestätsbriefes nirgends verringern soll, und erlaubt gnädig, daß so den Katholiken wie den Utraquisten sowohl eine Abschrift des Majestätsbriefes wie dieses Landtagsartikels aus der Landtafel versehen mit dem Landessiegel dieses Königreichs gegeben werde. Actum Donnerstag nach St. Procopi 1609.
Quelle: Geschichte der Böhmischen Brüder von Anton Gindely. Zweiter Band (1564-1609). Prag: Carl Bellmann’s Verlag, 1858, S. 447-58.