Kurzbeschreibung

Das älteste Gewerbe der Welt erlebte in der frühen Neuzeit einen erheblichen Wandel, insbesondere in den Gebieten, die von den protestantischen Reformen erfasst wurden. Die Prostitution in der frühen Neuzeit nahm viele Formen an, sowohl formelle als auch informelle, doch zwei Faktoren stellten die vorherrschende mittelalterliche Auffassung von Prostitution als „notwendiges Übel“ in Frage: die protestantische Reformation und die Ausbreitung der Syphilis. In protestantischen Gebieten wurden Moral und Sexualität verstärkt kontrolliert und überwacht, wobei der Fokus oft unverhältnismäßig stark auf den Frauen lag. Im gesamten deutschsprachigen Raum wurden mit der zunehmenden Verbreitung des Protestantismus städtische Bordelle geschlossen, deren Besitzer/innen zuvor oft einen Amtseid ablegen mussten. Dies geschah als Reaktion auf die neuen moralischen Prioritäten der Reformatoren und die Gesetze der Magistrate. Martin Luther übte heftige Kritik an der Prostitution und betrachtete Prostituierte als Mörderinnen. In seiner „Warnung vor Prostituierten“, die er 1543 an Universitätsstudenten in Wittenberg richtete, beschreibt er die jungen Männer, die Prostituierte besuchen, als „Brunst fühlend“ und die Prostituierten selbst als „mörderisch“.

Martin Luther warnt vor Prostituierten (13. Mai 1543)

Quelle

An die Studenten zu Wittenberg.

Es hat der Teuffel durch unsers glaubens sonderliche feinde etliche hurn hieher gefüret, die arme jugent zu vorderben. Dem zu wider ist noch als eines alten, treuen predigers an euch, lieben kinder, mein vetterlich bitt, das ir wolt gar gewislich gleuben, das der böse Geist solche hurn hieher sendent, di da gressig, schebig, stinckend, garstig und französisch[1] sein, wie sich teglich leider in der ergarung findet. Das doch ein gut gesell den andern warne! Denne in solch französische hur 10, 20, 30 etc fromer leut kinder vorgifften kan, ist derhalben zurechnen al sein mörderin und erger al sein vorgiffterinne. []

Drolt euch, das radt ich, jeh ehr, jeh besser! Wer nicht hurntreiber will sein, der kan es wol anderswo bekommen. Unser herr churfurst hat diese universitet nicht gestifft vor hurntreiber oder hurnheufer, da wist euch nach zurichten!

Und ich muste törlich reden. Wenn ich ein richter were, so wolt ich ein solche gifftige französische huren redern und eedern lassen, den es ist nicht auszureden, was schaden ein solch unfletige hure thut bei dem jungen blut, das sich an ir so jemerlich vorderbet, ehe es ein recht mensch ist wurden, und in der bluet sich vorterbt. Die jungen narren meinen, sie mussen nicht leiden; so bald sie eine brunst fulen, soll ein hur da sein! Die alter veter nennens impatientiam libidinis, Heimlich leiden. Es mus ja nicht alles so balde gebusset sein, was einen gelustet. Es heist: Were dich, post concupiscientias tuas ne eas Eccles. Kans doch in ehelichem stand nict so gleich zugehen. Summa, hutte dich vor hurn und bitt Gott, der dich geschaffen hat, das er dir ein frum kind zufuge; es wirt doch muh genug haben.

Anmerkungen

[1] Französische Krankheit = Syphilis

Quelle: „Ernste Vermahn- und Warnschrift an die Studenten zu Wittenberg“, am 13.5.1543 öffentlich an der Kirche angeschlagen. In D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe. 120 Bände, Weimar 1883-2009, Br, X, S. 295-296.