Kurzbeschreibung

Michael Gaismair (1490–1532), ein ehemaliger Beamter des Prinzbischofs von Brixen, entwarf 1526 die Tiroler Landesordnung. Sie ist eines der wichtigsten Reformprogramme des Bauernkrieges und entwirft eine Vision Tirols als egalitäre Republik, inspiriert von den Prinzipien Ulrich Zwinglis. Tatsächlich sind die Bibelnähe und Betonung des Prinzips des „göttlichen Gesetzes“ in der Tiroler Verfassung auf die Züricher Reformation zurückzuführen. Gaismairs Verfassung beinhaltet einen detaillierten Plan für ein Sozialsystem sowie eine Reform in Landwirtschaft, Industrie und Handel. Auch der Bergbau wird behandelt. Die Verfassung basiert auf merkantilistischen Prinzipien, d.h. der Vorherrschaft kleiner Produzenten, und sie schafft die Rahmenbedingungen für einen autarken, kommunal organisierten Territorialstaat in einem einzelnen Land. Tirol bot sich insofern für dieses Projekt an, da es eine starke Bauernschaft, einen schwachen Adel, minimale Verstädterung, sowie eine Mischwirtschaft aus Ackerbau, Viehzucht, Weinbau und Bergbau besaß.

Michael Gaismairs Landesordnung für Tirol (1526)

  • Micheal Gaismair

Quelle

Anfenklich so werd ir geloben und schwörn, Leib und Guet zusamen setzen, von einander nit weichen, sonder mitainander heben und legen, doch alzeit nach Rat ze handlen, eur furgesetzten Öbrigkait treu und gehorsam ze sein und in allen Sachen nit aignen Nuz, sonder zum ersten die Eer Gottes und darnach den gemainen Nuz zu suechen, auf daz uns der almechtig Gott (wie er dann allen denen, so im in sein Gebotten gehorsam sein, vilfeltig gehaisen hat) Gnad und Beistand tue. Darauf wir genzlich vertrauen sollen, dann er ganz wahrhaft ist und niemand betruegt.

2. daz ir alle gotlosen Menschen, die daz ewig Wort Gottes vervolgen, den gemain armen Man beschwären und den gemainen Nuz verhindern, ausreiten und von dannen tuen wellet.

3. daz ir daran sein wöllet und ain ganz christenliche Satzung, die allein in allen Dingen aus dem heiligen Wort Gottes gegründt ist, aufrichten und daran genzlichen geleben wellet.

4. sollen alle Freihaiten abgetan, dann si wider daz Wort Gottes seind und daz Recht völschen, darin niemand fur den andern gevortailt werden soll.

5. sollen alle Rinkmauren an den Stetten, dergleichen alle Geschlösser und Bevestigung im Land niderprochen werden und hinfur nimer Stött, sonder Dorfer sein, damit kain Underschaid der Menschen, also daz ainer höcher oder pösser weder der ander sein wölle, werde, daraus dann im ganzen Land Zerrugtligkait, auch Hoffart und Aufruer entsteen mag, sonder ain ganze Glaichait im Land sei.

6. sollen alle Pilder, Pildstock, die Capellen, so nit Pfarrkirchen sein, und die Meß im ganzen Land abgetan werden, dann es ain Greul vor Gott ist und ganz uncristlich ist.

7. soll man daz Wort Gottes treulich und wahrhaftiglich ins Gaismairs Land allenthalben predigen und alle Sophisterei und Juristerei ausreiten und dieselben Puecher verprennen.

8. soller die Gericht allenthalben im Land auf daz gelegenlichest, desgleichen die Pfarren ausgezellt werden, also daz man die mit wenigstem Costen versechen mag.

9. soll ain jede ganze Gmair ains jeden Gericht alle Jar ain Richter und acht Geschworen erwöllen, die sollen daselbig Jar den Gerichtzwang versehen.

10. soll alle Montag Recht gehalten werden und alle Sachen nicht über das ander Recht aufgezogen werden, sonder zu End bracht auf den anderen Tag, sollen die Richter, Geschworn, Schreiber, Redner und Gerichtsleut, Potten sollen in den Gerichtshändlen von niemant nicht nemen, sonder vom Land besoldt werden und demnach in irem Costen alle Montag bei der Gerichtstatt erscheinen und dem Gericht gewertig sein.

11. soll ain Regiment im Land besetzt werden, darzue Brichsen der gelegentlichst Platz wer, außerdem vill Pfaffenheuser und andere Notturft und mitten im Land were; und solten die Regenten aus allen Viertailen des Lands, auch etlich vom Pergwerch erkuest werden.

12. söll die Apellation von Stund an fur die Regierung und nimmer gen Meran, dann es ain Uncosten und kain Nutz ist darin, gepraucht worden und von Stund an dasselb erledigt und zu End an ferrer Wägerung gen.

13. sol an dem Ort, da die Regierung des Lands ist, ain hoche Schuel aufgericht werden, da man allain daz Wort Gottes innen lernen soll und sollen albeg drei gelerte Männer von der Hochenschuel, die daz Wort Gottes kundig und der göttlichen Geschrift (aus welcher die Gerechtigkeit Gottes allain erleutert werden mag) wol erfaren sein, in der Regierung sitzen und alle Sachen nach dem Bevelch Gottes, als eristenlich Volk zugehörent, richten und urtailen.

[14] Der Zins halben sol ain ganze Landschaft nach Rat mitainander beschließen, ob dieselben von Stund an ab sein sollen, oder ob man ain frei Jar nach dem Gesatz Gottes beruefen wölle und die Zins mitlerweil zu gemainer Landsnotturft einziehen, dann es ist zu bedenken, daz gmaine Landschaft ains Kriegscostung ain Zeit lang prauchen wurd.

[15] Der Zöll halben, sech mich dem gmain Man Nutz sein [für] guet an, man tet dieselben im Land allenthalben ab, aber an Confinen richtet man si auf und hielts also, was im Land gieng, daz zollet nicht, was aber aus dem Land gieng, daz zollet.

[16] Zechends halben, den soll jedermann geben nach dem Gepott Gottes und sol also verpracht werden: in jeder Pfarr sol ain Priester sein nach der Leer Pauli, der daz Wort Gottes verkundt, der soll mit erberer Notturft vom Zechend underhalten werden und der ubrig Zechend sol armen Leuten geben werden; aber ain solche Ordnung sol mit den Armen gehalten werden, es sol niemant von Haus zu Haus pettlen gen, damit Lotterei, vil unnutz Volk, daz wol arbeiten mag, abkhert werd.

[17] Die Klöster und teutschen Heuser sollen in Spitäler gmacht werden. In etlichen sollen die Kranker beiainander sein, den mit aller Zaff und Erznei wol gewart werden soll, in den anderen die alten Personen, so eltershalben nimer arbeiten mugen, und die armen, unerzogen Kinder, die man lernen und zu Eeren ziechen soll. Und wo aber hausarm Leut weren, den sol man nach Rat ains jeden Richters in seiner Verwaltung, da si am pasten erkannt werden, nach Gelegenhait ierer Notturft vom Zechend oder Almuesen Hulf tuen. Wo aber der Zechend zu Underhaltung der Pfarrer und Armen nit erklecken möchte, so soll meniglich sein Almuesen nach seinem Vermuegen treulichen darzuegeben. Und wo uber daz Mangel wer, so solt vom Einkomen völlige Erstattung geben werden. Und soll in einem jeden Spital ain Spitalmaister sein und darzue ein öbrister Vogt oder Ambtmann über alle Spiteler und Armen gesetzt werden, der nicht anders tue, dann fur und fur alle Spitäler bereit und Fursorg uber die Armen trag und inen Fursechung tue; darzue in alle Richter, ain jeder in seiner Verwaltung, mit ainer Hulf der Zechenden und Almuesen auch Anzaigung und Underrichtung der auch hausarmen Leuten hülflich sein sollt. Es sollen auch die Armen nit allain mit Essen und Trinken, sonder mit Klaidung und aller Notturft versechen werden.

Item, damit guete Ordnung im Land allenthalben in allen Dingen gehalten werde, so sollen auch vier Hauptleut und darzue ain obrister Hauptman uber das ganz Land gesetzt werden, die in Kriegsleufen und allen Dingen fur und fur des Lands Notturft und Fursorg tragen mit Bereitung des Lands, der Refier, der Päß, Weg, Pruggen, Wasserpei, Lantstraßen und alles handlen, was in dem Land Notturft ist und dem Land alle Notturft in allen Dingen treulich zu dienen; doch si sollen alle Mängel nach der Besichtigung und Erkundigung zuvor der Regierung anzaigen und nach Rat derselben albeg handlen.

Man sol auch Möser und Auen und ander unfruchtpare Ort im Land fruchtbar machen und den gemain Nutz um etlich aigennutzigen Personen willen nit unterwegen lassen. Man möcht die Möser von Meran unz gen Trient alle auftrucknen und merklich Vich und Kue und Schaf darauf halten, auch viel mer Traid an vil Orten zuglen, also daz Land mit Fleisch versehen war. Man möcht auch au vil Orten Ölpam setzen, auch Saffran zuglen, auch die Poden-Weingarten sol man zu Glafuren[1] machen, rott Lagrein darin anlegen und verjeren, Wein machen wie im Wälschland und darzwischen Traid anpauen, dann daz Land Mangel an Traid hat. Daraus volget, daz die pösen Tämpf von den Mösern vergiengen und daz Land frischer wurd. Es wurden vil Krankhaiten aufhören, die von den swären Poden Wein komen, der Wein und Traid wurd wolfail und mit ringer Costung ze arbaiten. Aber die Pergweingarten, die man mit Korn nicht anpauen, die ließ man bleiben.

[18] Item man sol in jedem Gericht alle Jar zu gelegener Zeit ain ganze Gmain in den Velden und Gemainden robudden, dieselbigen raumen und guet Waid machen und also daz Land fur und fur pösseren. Es sol im Land niemant Kaufmanschaft treiben, auf daz sich mit der Sund des Wuchers niemant befleck. Aber damit in solchem nicht Mangel erschein und guet Ordnung gehalten werd, auch niemant überschätz und betrogen, sunder alle Ding in aim rechten Kauf und guet Waar gefunden werden mug, so soll anfänklichen ain Ort im Land furgenomen werden, darzue Trient der Wolfail halben und in miden Weg gelegen wäre, dahin man alle Handwerch anrichten und vom Land verlegen solle als Seidentuech, Pirett, Mössingzeug, Samat, Schuech und anders zu machen. Und sol ongevar ain Generalambtman, der alle Ding verrait, darüber gesetzt werden. Und was im Land als Gewurz und ander nicht erlangt werden mag, daz soll außerhalb bestellt werden. Darauf an etlichen Orten, der Gelegenhait nach im Land Laden gehalten, darin allerlei faigehapt; und sol auf nichte kain Gwin darauf schlahen, sonder allein der Costung, so darüber get, darauf gerechnet werden. Damit wurde verhuet aller Betrug und Falsch und man mocht alle Ding im rechten Wert gehaben, und bleibt daz Gelt im Land und käm dem gemainen Man zu gar großem Nutz. Diesen Ambtman über den Handl und seinen Dienern geb man bestimmte Besoldung.

[19] Man soll ain guete schwäre Munz, wie bei Herzog Sigmund Zeiten widerumb aufrichten und die jetzig Munz aus dem Land tuen und vertreiben und ferrer kein auswendig Munz, weder vil noch wenig nemen, damit daz Gelt sol probiert werden und sol valuirt werden und was gegen Landnutz wert ist, also sols genumen werden.

[20] Man soll von allen Kirchen und Gotsheuseren alle Kelch und Klainet nemen und vermunzen und zu gemainer Landnotturft prauchen.

[21] Man sol auch guete Verständnus zu anstoßenden Länderen machen. Man sol den Zafairen im Land zu hausieren nit gestatten. Man sol hinfuran ain Markt im Etschland und ainen im Inntal halten. Man sol ain dapfere Summa Gelts zum Forat machen, ob daz Land ain unverschener Krieg anfiel. Und der vertriben Edelleit oder ander Paugueter sol man zu Underhaltung des Gerichts Costung halten.

[22] Des Pergwerchs: Erstlichen sollen alle Schmölzhütten, Tailpergwerch, Arz, Silber, Kupfer und was darzue gehört und im Land betreten werden mag, so dem Adel und auslendischen Kaufleuten und Gesellschaften als Fuckerisch, Höchstetterisch, Paumgarterisch, Pumblisch und dergleichen zugehört, zu gmain Landshanden einziehen; dann si solches billich verwurkt haben, dann si haben sollich ir Gerechtigkait mit unrechtem Wuecher erlangt: Gelt zu vergießen menschlichs Pluets, desgleichen gmainen Man und Arbaiter mit Betrug und pöser War in hohem Gelt, zwier mer, weders beswert gwesen, seins Lidlons bezalt, auch daz Gwurz und andre War durch ieren Furkauf vertaurt und Ursach ringer Munz gwesen; und alle Munzherren, die Silber von inen kaufen, nach irn solch erdacht Taten bezallen muessen, oder die Munz entgegen der Armen genumen, sein Lidlon auch dem Armen abgeprochen, so si mit Schmälzherren in irem Erzkauf nicht erstatt; aber alle Kaufmanswar, aus dem sis alle in ire Hend bracht, in ainem höcheren Kauf gestaigert. Und also die ganz Welt mit ierem uncristenlichen Wuecher beschwärt und sich dardurch ir furstliche Vermugen gericht, das dann billich gestraft und abgestölt werden solt.

Demnach sol vom Land ain obrister Factor über all Perkwerchsachen gesetzt werden, der alle Ding handl und jahrlichen verrait. Und sol niemant zu schmölzen gestatt werden, sonder daz Land sol durch iren gesetzten Factor alle Ärz schmölzen lassen die Ärzkeuf der Pillichait nach bestimbt und dargegen dem Arbaiter alle Raitung mit parem Gelt und mit kainem Pfenwert hinfuran Bezalung tuen, damit furan die Landleut und Perkleut in guetem Frieden beiainander bleiben mugen.

Dergleichen sol im Pfannhaus guete Ordnung gehalten werden und sol dem Land ain zimblich Einkumen vom Perkwerch machen, dann es am pasten geschechen mag, damit die Regierung des Lands mit allen Ämberen und Versicherung darvon underhalten werden mugen, wo aber in sölchem dem Land Mangel erschin und gennegsam Einkumen zu Versehung des Lands darin nicht erlangt werden möcht, so muest man ain Steur oder ain Zinsphenning auflögen, damit ain gleiche Purd im Land getragen wurd. Man sol auch allen Fleiß darzue tuen und die Costung vom Land daran lögen, damit im Land an mer Orten Perkwerch erweckt und erpaut werden mügen, dann durch die Perkwerch mag das Land an meniglich Beschwerung daz maist Einkumen erlangen.

Anmerkungen

[1] Glasuren—Hrsg.

Quelle: Quellen zur Geschichte des Bauernkrieges, gesammelt und herausgegeben von Günther Franz. Darmstadt: WBG, 1963, S. 285–89.