Kurzbeschreibung

Die Reformation löste bei Frauen im gesamten deutschsprachigen Raum leidenschaftliche Reaktionen aus. Während die protestantische Reformation in mancher Hinsicht mehr Raum für religiöse Aktivitäten von Frauen schuf, insbesondere in den frühen Phasen der Reformation, wurden die religiösen Äußerungen von Frauen in anderer Hinsicht zunehmend von Männern überwacht und kontrolliert. Einige protestantische Frauen ließen sich von der Vorstellung der spirituellen Gleichheit und des Priestertums aller Gläubigen inspirieren und versuchten, sich mit Wort und Tat an der religiösen Transformation des europäischen Christentums zu beteiligen. Trotz ihrer Aktivitäten verstärkte die Reformation zunehmend traditionelle Vorstellungen von patriarchalischer christlicher und familiärer Autorität und erinnerte an die Ermahnung des Paulus, dass Frauen nicht predigen sollten. Die religiösen Aktivitäten der meisten Frauen blieben somit auf die häusliche Sphäre beschränkt.

Im Jahr 1524 erschien Ursula Weydas Angriff gegen den Abt Simon Blich des Benediktinerklosters von Pegau (Sachsen) in einer Flugschrift. Ursula Weyda war die Frau des Schössers (Steuereintreibers) im sächsischen Eisenberg. In ihrer Streitschrift kritisierte sie eine Vielzahl römisch-katholischer Praktiken, darunter die Rolle des Papsttums und des klerikalen Zölibats.

Ursula Weydas Pamphlet gegen den Abt von Pegau (1524)

Quelle

Zu dem ersten/ sagestu das der kirchen zů glawben sey unnd nicht den waren lautern gottes wort wie es vom Luther unn andern von got erleuchten mennern gepredigt wirt/ Ist hie zů fragen wer die kirch ist die den heyligen geyst hat/ unn nicht irren mag/ Ir nennet die kirchen den Bapst/ Bischoffe/ Pfaffen unn München wan des volcks vil zůsammen kompt/ ya wen den babst die nacht etwaß getreumet unn darnach auff den abent eyn bulla des abentfressens drauß macht/ was denn diß volck beschleust sol balde eyn artikel des glawbens seyn/ und die kirche gethan haben wenn es glich aller schrifft entgegen ist/ meynstu das das die kirche gethan/ und sey vom heyligen geyst eyngegeben; ia vil mer durchs teufels Sinagog geschehen die sich unter den namen der kirchen dargibet/ wie den pflegen alle falsche Apostel unter Christus namen sich zůverstellen/ als Paulus zů den Corin. Saget ii. Corin. xi.

Die kirche aber welche gewislich den heiligen geist hat/ ist ein geistlich leib/ nemlich die zal aller außerwelten/ welche nicht gesehen werden mag sonder geglawbet wie unser glaub in sicht helt. Ich glawbe eyn heylige Christliche kirche gemeine der heyligen/ Die kirch wissen wir woll/ das sie nicht irren mag/ unnd den heyligen Geyst habe der sie im glawben erhelt/ und nichts annimpt noch leret das der schrifft entgegen ist/ welchs denn zůvor auch durch den heyligen Geyst von den Propheten geschriben worden ist/ unnd in die bucher vorfast/ Darumb leret der heylig geyst nichts denn was ehr vormals auch gelert ha und ihm selber nicht wider ist/ denn alleyn auff das götliche wort/ durch den glawben wirt gepawt die kirche gottes/ unn dar ynne vom heyligen geyst erhalten/ wie den tzum dickern mal Paulus leret/ zů folgen der heylsamen lere Christi/ unn derhalben Timotheum zů Epheso ließ/ das er gepotthe etlichen das sie nichts leren solten/ das den glawben yn got nicht bessert/ welchs Judische fable/ unnd geschlecht register warenn/ und ander unnütz menschlich geschwetz/ aber nichts bessert den glawben denn das wort Christi/ durch welchs wort die kirche ihm glawben/ vom heiligen geyst gepaut/ gepflantzt/ und erhalten wirt/ Also das ein gewiß zeichen der kirchen ist wů das götlich wort angenummen wirt/ wie denn Johannis x Christus selbs auch sagt Meine shefflein hören meine stim das ist/ die kirchen und alle Christen vormergkt man do bey/ wenn sie mein wort und stimme hören.

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Zům andern so sagestu das die geystlichen/ so yn durch gelubdnůß unkeuschheyt abschnitten/ keyn ehe besitzen mugen in ewigkeyt/ abermalß an allen grundt der schrifft/ Lieber Apt wen deyn wort und furgeben allenthalben zů glawben wer so durfften wir keynes gottes nach schrifft mer/ luffen nur alle gen pegaw zům apt und seynen brüdern die wurden unß/ wz zů wissen und zů thun/ wol unterricht geben/ es gilt aber nicht das auff eynen menschen/ wie heylig er auch seyn kan/ zů bawen ist/ ich geschweyge eyns solchen schmerbauchs in welches wort vil weniger etwas bestand haben kan/ du must hie durch klare sprůch der schrifft erweysen/ und deyn wort bekrefftegen das die geystlichen keyn ehe besitzen mugen wie du sagest unn das dz gelübnůs (so auß unverstandt gethann) zůhalten sey bey der selgkeyt/ der thustu keyns nicht/ machst alleynn wortt und furest die schrifft felschlich eyn das man sol sagenn/ sehet her und lauffet zů/ der apt zů pegaw kan auch bücher schreyben.

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O wolt nu Gott das solchs der Adel zůhertzen fasset unn so kinder unn freundt yn klöstern haben/ die mit grosser gefarre der seligkeit drinnen sein/ Sich doch der selbigen erbarmeten/ unn auß solchen greulichen gefencknuß sie erledigten. O meyn freund laß dich doch deins blůts und fleischs erbarmen. Es ist deyn kindt/ von got dir gegeben unn zůvorsorgen entpfollen/ von dir wirts got widerfordern/ denn sich du hast es do dem teuffel geopffert/ unn lest es yn grosser begirde vorbrennen unn ummkumen/ Gleich wie die Juden etwan auch yr kinder dem abgot Moloch zů eren/ mit fewer verbrandten/ hilff hilff es ist zeit das unß gottes zorn nicht plutzlich uberfalle/ weil zůhelffen ist.

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Derhalben du iunger munch unn nonne/ entpfindestu brennen deines fleisches/ unn kannst nicht keuscheit halten. So spring mit freyen sichern gewissen auß/ unn laß kloster/ platten/ kappen ligen/ unangesehen/ ob du tausent eyed gethan hest (denn es ist oben erweyst/ das gelübdnůß wider got gethan/nicht zühalten sey/ ia zu vorachten/ und mit fůssen zutretten) und halt dich wider zu deinem ersten gelubdnuß/ das du got in der tauff gethan hast/ dz ist got anzuhangen/ seinen worten zů folgen/ wirde dazu Elich/ wie dich gottes wort lert/ unn du zum ersten in der tauff zů halten gelobet hast/ Schilt man dich hierüber ein bůben/ oder ein bübin/ meineydig abtrynnig/ So acht solch geplerr gar nicht/ so auch leyden dartzu folgen wurde/ So leyde was zů leyden ist/ ist besser gelitten/ und todtgeschlagen zeytlich/ denn ewig zum teuffel faren. Nun zů tröst und stercke dein gewissen/ mit dem spruch Esa. Des propheten/ am li. Ir solt nicht furchten die lesterung der menschen/ unnd vor yren schmech worten/ solt yr euch nicht entsetzen/ Denn wie das kleydt/ also wirt sie auch fressen der wurm/ unn wie die wolle/ also wirt sie auch vorzeren der matthe/ als solt er gesaget haben/ Ein vorgengklich ding ist es umb den menschen/ es wirt balde mit ym auß sein. Item Psal. 30. Spricht David ynn dich herr habe ich gehofft/ ich werde nicht zů schanden werden/ yn ewigkeit/ ob ich gleich wol zeytlich schmach und hon erdulden muß von den gotlosen/ aber es sol sich balde wenden. Item Joh xv. wenn euch die welt hasset/ solt yr wissen das sie mich zuvor auch gehasset hat/ Gedenckt der rede die ich zů euch geredt habe/ der knecht sol nicht mehr sein/ denn sein here. Item Joh. Xvi Sie werden euch yn bann thun/ und wirt die stundt kummen/ das/ wer euch tödten wirt/ wirt vormeynen das er got eynen grossen dinst erzeyge/ Sich es můß also ergeen/ wie Christus weyssaget verfolgnuß/ leyden/ müssen erdulden alle die Christen sein wöllen/ Laß dich allein gnügen das got auff deyner seytten ist/ Ob gleich die gantz welt wider dich ist acht geringe/ Du hast ye zeügnuß auß der schrifft/ dass dein thun unn vornemen/ nicht falsch noch unchristlich/ Sonder von got gepoten yr thun/ unn zůhalten/ Bist der halben auch nicht meyneydig und trewloß/ yam er warhafftig unn gerecht vor got/ wie Lucas 11. Sagt/ selig sein die/ das wortt gottes hören unn bewaren das.

Weiterführende Literatur

Gisela.Brandt, Ursula Weyda, prolutherische Flugschriftautorin (1524): soziolinguistische Studien zur Geschichte des Neuhochdeutschen. Stuttgart: Hans-Dieter Heinz, 1997.

Merry E. Wiesner, Women and Gender in Early Modern Europe, Cambridge University Press, 2019.

Paul A. Russell, Lay Theology in the Reformation: Popular Pamphleteers in Southwest Germany 1521-1525, Cambridge University Press, 1986.

Quelle: Ursula Weyda, Wyder das unchristlich schreyben unn Lesterbůch/ des Apts Simon zů Pegaw unnd seiner Brüder. Durch Ursula Weydin Schöfferin zů Eyssenbergk/ Eyn gegrundt Christlich schrifft Götlich wort unnd Ehelich leben belangende, Zwickau: Johann Schönsoerger, 1524. S. Aiiir-v, Biiir-v, Cir, Civ-Ciir. Online verfügbar unter: http://dx.doi.org/10.25673/opendata2-7264

Ursula Weydas Pamphlet gegen den Abt von Pegau (1524)

Quelle: Wyder das vnchristlich schreyben vñ || Lesterbüch/ des Apts Simon zů Pegaw vnnd seyner || Brüder. Durch Vrsula Weydin Schösserin zů || Eyssenbergk. Zwickau, 1524. Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, https://dx.doi.org/10.25673/opendata2-7264

ULB Sachsen-Anhalt

Ursula Weydas Pamphlet gegen den Abt von Pegau (1524), veröffentlicht in: German History in Documents and Images, <https://germanhistorydocs.org/de/von-den-reformationen-bis-zum-dreissigjaehrigen-krieg-1500-1648/ghdi:document-5456> [28.03.2025].