Kurzbeschreibung

Eine Fernsehsendung, die der Südwestfunk 2012 ausstrahlte, beschreibt das Umfeld, in dem die meisten Kinder in den 1960er Jahren aufwuchsen. Im Klassenzimmer und zu Hause herrschten traditionelle Zustände; die Autorität von Lehrern und Eltern wurde nicht in Frage gestellte. Die Rebellion der Generation der späten 1960er Jahre begünstigte jedoch Experimente wie alternative Kindergärten, die als Kinderläden bekannt wurden. Im Namen einer „antiautoritären“ Erziehung setzten sich die Kinderläden für größere persönliche Freiheit ein und legten wenig Wert auf strenge Disziplin. Solche Experimente beeinflussten nachfolgende Reformversuche, die zu einem offeneren und demokratischeren Schulsystem führten.

Aufwachsen in den 1960er Jahren (Rückblick, 2012)

Quelle

Kindheit in den 60ern

Erziehung im Hamsterrad: Gestresste Kinder – überforderte Eltern

Aufschwung in der Bundesrepublik. In den 60ern war der Nachkriegsmangel überwunden. Der Tisch war reich gedeckt. Die Wirtschaft brummte und ebenso der Konsum! Optimismus war angesagt. Aber es herrschte noch kein Überfluss. Das prägte auch die Kindererziehung. Im Zeitalter der Vollbeschäftigung konnte man auch mit einem Hauptschulabschluss einen anständigen Beruf ergreifen. Das verringerte den Druck, schon in der Schule Karriere machen zu müssen.

Autoritäre Erziehung

Die Schule war in einem Maß von Autorität bestimmt, das man sich 50 Jahre später kaum noch vorstellen kann. Doch die meisten Lehrer waren als Autoritäten von Schülern und Eltern respektiert. Ebenso wie die Tatsache, dass Lehrer sich diesen Respekt notfalls auch mit Gewalt von den Schülern einfordern konnten. In Frage gestellt wurde das nicht, höchstens im Detail diskutiert, wie ein Ausschnitt aus einem Expertenstatement dokumentiert: „Noch gibt es keine klare Altersgrenze, bei der die Erziehung mit der Hand beendet werden muss. Laut Minister liegt sie bei zehn bis zwölf Jahren. Stellt sich die Frage: Ist wirklich jeder Dreizehnjährige erwachsen genug, um ohne Schläge davonzukommen?“ Autorität und Drill schon im Kindergarten: Sicher gehörte das zu den Schattenseiten der 60er Jahre.

Aber auch viel freie Zeit zum Spielen

Doch insgesamt war Kindheit in den 60ern unbeschwert durch die insgesamt optimistische Grundhaltung in der Bevölkerung. Schließlich ging es jedes Jahr ein bisschen besser. Für Kinder gab es kaum Fernsehprogramm, keine Computer, dafür viel freie Zeit im Freien, die mit Phantasie gestaltet wurde. Denn Geld für teure Spielzeuge hatten die Wenigsten.

Klare Fronten

Die Eltern-Kind-Beziehung war in den 60ern noch klar. Eltern waren Eltern, Kinder Kinder. Keine Mutter wäre auf die Idee gekommen, mit einem kleinen Kind zu diskutieren, was es anzieht. Undenkbar! Keine Rede davon, einander „auf Augenhöhe“ zu begegnen. Die Erwachsenen sagten, wo´s lang ging.

Studentenproteste und Auflehnung

Das änderte sich erst mit den 68ern. Studentenunruhen. Proteste. Auflehnung gegen althergebrachte autoritäre Strukturen. Das blieb auch in der Pädagogik nicht ohne Folgen. Plötzlich war antiautoritäre Erziehung angesagt. Die Kinder sollten bloß nicht in ihrer freien Entwicklung behindert werden. In den großen Städten kamen Kinderläden in Mode. Wo die Kleinen unbehelligt von den Erwachsenen Randale machen konnten. Und das hatte durchaus Methode, folgt man den Ausführungen einer überzeugten Mutter: „Die bestehende Gesellschaft erzieht die Kinder zu Gehorsam und Unselbständigkeit. Wir versuchen die Kinder zu Ungehorsam und Selbständigkeit zu erziehen.“ Ein radikales Konzept, das in den folgenden Jahrzehnten allerdings teilweise revidiert wurde.

Quelle: Frank Wittig, „Kindheit in den 60ern“, Südwestrundfunk, 26. März 2012.