Kurzbeschreibung

Kurz nach seiner Übernahme des Parteivorsitzes der SED skizzierte Erich Honecker sein Wirtschaftsprogramm in Gestalt eines Fünfjahresplans, der zwar die Investitionen im Bereich der Technologie fortführte, die Priorität jedoch auf die Herstellung von mehr Konsumgütern verschob, um als Gegenleistung für politische Loyalität den Lebensstandard zu verbessern.

Erich Honecker über die „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ (15.–19. Juni 1971)

  • Erich Honecker

Quelle

Bericht des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands an den VIII. Parteitag der SED. Berichterstatter: 1. Sekretär des ZK der SED Erich Honecker.

Genossinnen und Genossen!
Verehrte Gäste!

Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands kommt mit guten Ergebnissen beim Aufbau des Sozialismus in der Deutschen Demokratischen Republik zu ihrem VIII. Parteitag. Jeder Genosse unserer Partei, jeder Bürger unseres Staates vermag aus eigener Erfahrung zu beurteilen, daß der von der marxistisch-leninistischen Partei der Arbeiterklasse vorgezeichnete Weg richtig und erfolgreich ist. Wir kennen nur ein Ziel, das die gesamte Politik unserer Partei durchdringt: alles zu tun für das Wohl des Menschen, für das Glück des Volkes, für die Interessen der Arbeiterklasse und aller Werktätigen. Das ist der Sinn des Sozialismus. Dafür arbeiten und kämpfen wir.

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Seitdem in unserem Lande die sozialistischen Produktionsverhältnisse gesiegt haben, arbeiten wir daran, umfassend und allseitig die entwickelte sozialistische Gesellschaft zu gestalten. Das ist eine große und schöne Aufgabe, deren Lösung sich unsere Partei und unser Volk mit großem Eifer hingeben. Gewiß wird noch einige Zeit vergehen, und es bleibt noch viel zu tun, bis wir sagen können, der Sozialismus ist in der Deutschen Demokratischen Republik vollendet. Dafür erforderlich ist ein höheres Niveau der Produktivkräfte, der sozialistischen gesellschaftlichen Beziehungen und des sozialistischen Bewußtseins der Menschen. Jede Fünfjahrplanperiode, jeder Parteitag bringen uns diesem Ziel näher. Auch auf dem VIII. Parteitag können wir von bedeutenden Fortschritten berichten.

Wir haben das sozialistische Eigentum beträchtlich vermehrt, die sozialistischen Produktionsverhältnisse entwickelt und die Staatsmacht der Arbeiter und Bauern weiter gestärkt. Die Verhältnisse in unserem Land, die Beziehungen zwischen den Menschen, ihr Denken und Handeln, die geistige und moralische Atmosphäre, werden immer tiefer von den Prinzipien des Sozialismus bestimmt. Das stellt der Arbeiterklasse und unserer Partei als Führerin des Volkes wiederum ein gutes Zeugnis aus. Das macht uns stolz und glücklich.

Wieviel Tatkraft, wieviel beharrlicher Fleiß, wieviel schöpferische Energie der Werktätigen stehen hinter dieser Feststellung! Wir wissen um die Größe der Anforderungen und die manchmal schwierigen Umstände, unter denen diese Leistung vollbracht wurde. Fünf Jahre fleißiger Arbeit haben unser sozialistisches Vaterland wiederum stärker und schöner gemacht. Die Arbeiterklasse, die Genossenschaftsbauern, die Angehörigen der Intelligenz, alle Teile unseres Volkes, alle Klassen und Schichten, die verschiedensten Berufsgruppen, die vielen Produktionskollektive, Frauen und Männer, die Jungen und Älteren, haben dazu ihren Beitrag geleistet.

Bekanntlich bezeichnete Lenin die Aufgabe des wirtschaftlichen Aufbaus als außerordentlich bedeutsam, weil der Kampf im Weltmaßstab vorrangig auf diesem Feld geführt wird. „Lösen wir diese Aufgabe“, so sagte Lenin, „dann haben wir im internationalen Maßstab bestimmt und endgültig gewonnen.“ Von dieser Erkenntnis ließen wir uns stets leiten. Darauf haben wir die Kräfte der Partei besonders konzentriert.

Unser Nationaleinkommen stieg während der vergangenen fünf Jahre um mehr als ein Viertel und betrug 1970 bereits 108 Milliarden Mark. Eine große Leistung dafür vollbrachte erneut die Arbeiterklasse, die zusammen mit der sozialistischen Intelligenz und anderen Werktätigen die industrielle Warenproduktion um 37 Prozent steigerte. Heute produzieren unsere Betriebe in weniger als 9 Monaten so viel wie im ganzen Jahr 1965.

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Wenn wir den neuen Fünfjahrplan jetzt in Angriff nehmen, können wir uns nicht nur auf die guten materiellen Ergebnisse der Arbeit im abgelaufenen Berichtszeitraum stützen. Wir sind auch reicher an Wissen und Erfahrung bei der Ausnutzung der ökonomischen Gesetze des Sozialismus.

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Im Entwurf der Direktive wird gesagt: „Die Hauptaufgabe des Fünfjahrplanes besteht in der weiteren Erhöhung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus des Volkes auf der Grundlage eines hohen Entwicklungstempos der sozialistischen Produktion, der Erhöhung der Effektivität, des wissenschaftlich-technischen Fortschritts und des Wachstums der Arbeitsproduktivität.“

Diese Formulierung bezeichnet das Ziel unserer Wirtschaftstätigkeit in seinem unauflöslichen Zusammenhang mit den Voraussetzungen, die dafür geschaffen werden müssen. Es ist eine wichtige Lebenserfahrung unseres Volkes, daß unsere Gesellschaft niemals mehr verbrauchen kann, als produziert worden ist. Die bessere Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen ist zunächst ein hoher Anspruch an die fleißige Arbeit, die Sachkunde und das Verantwortungsgefühl eines jeden, wo immer er in unserer großen Gemeinschaft seine Pflicht tut.

Mit der Hauptaufgabe des Fünfjahrplanes von 1971 bis 1975 ist ein ganzes wirtschaftspolitisches Programm umrissen. Die Zielstellung entspricht dem ökonomischen Grundgesetz des Sozialismus. Für unsere Gesellschaft ist die Wirtschaft Mittel zum Zweck, Mittel zur immer besseren Befriedigung der wachsenden materiellen und kulturellen Bedürfnisse des werktätigen Volkes.

Natürlich ließ sich unsere Partei auch in der Vergangenheit davon leiten. Aber mit der weiteren Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft und ihrer ökonomischen Potenzen kann und muß dieser gesetzmäßige Zusammenhang zwischen Produktion und Bedürfnissen der Menschen immer unmittelbarer wirksam werden. Dem tragen wir mit der Hauptaufgabe Rechnung.

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Die sozialistische Intensivierung der Produktion ist ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft. Und wenn wir sie als Hauptweg bezeichnen, dann heißt das, sie ist nicht irgendeine Sache, sondern die Hauptsache. Sie ist keine Angelegenheit einzelner, sondern eine Angelegenheit aller. Wenn überall daran festgehalten wird, dann werden einige Anspannungen geringer werden, es wird manches mit weniger Ärger und Kraftverschleiß abgehen, und auch das ist keine Kleinigkeit, Genossen. Wir werden rascher und sicherer vorwärtskommen.

Entsprechend dieser Orientierung haben wir auch den Platz der sozialistischen Rationalisierung in unserer Wirtschaftspolitik bestimmt. Sie wird noch stärker zu einer erstrangigen politischen Aufgabe von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Wir wollen also nicht nur die eine oder die andere, sondern alle Möglichkeiten ausschöpfen, um rationeller zu produzieren – im großen wie im kleinen, in der ganzen Volkswirtschaft und an jedem Arbeitsplatz.

Vertrauen in das Verantwortungsbewußtsein, die Sachkunde, die Erfahrungen und den Erfindungsreichtum der Arbeiter, Wissenschaftler und Techniker, Vertrauen in die Fähigkeit der Leiter unserer Kombinate und Betriebe, sich solcher Initiative voll zuzuwenden, sie zu fördern und aufzunehmen – das spricht aus solcher, Aufgabenstellung für die Rationalisierung. Sie öffnet dem sozialistischen Wettbewerb neue Räume.

Sie ist ein weites Aufgabenfeld für die sozialistischen Kollektive und Neuerer. Sie ist ein neuer, größerer Anspruch an die Gewerkschaftsarbeit. Im schöpferischen Wetteifer werden die Werktätigen unseres Landes ihre Fähigkeiten erproben und ausbilden, werden sich erneut sozialistische Haltungen formen und Persönlichkeiten entwickeln. In diesem Kampf wird die Arbeiterklasse als führende Kraft unserer Gesellschaft wiederum selbst wachsen und mit ihr alle ihre Weggefährten.

Nun, liebe Genossen, zu einigen wichtigen Fragen, die zu unserem Programm höherer wirtschaftlicher Effektivität gehören. Zunächst zu unseren Erwartungen im Hinblick auf den Beitrag der Wissenschaft. Diese Erwartungen sind zweifellos groß. Wissenschaft und Forschung beeinflussen Wachstum, Struktur und Leistung unserer Volkswirtschaft entscheidend. Das um so mehr, als sich in der Gegenwart die wissenschaftlich-technische Revolution vollzieht. Als Marxisten-Leninisten verhalten wir uns zu ihr wie zu anderen wesentlichen gesellschaftlichen Tatsachen und Prozessen. Wir studieren gründlich ihre Gesetzmäßigkeiten und nutzen sie im Interesse des Volkes – so, wie es unserer sozialistischen Gesellschaft gemäß ist. Das macht es nötig, die wissenschaftlich-technische Revolution organisch mit den Vorzügen des sozialistischen Wirtschaftssystems zu vereinigen und in größerem Umfang als bisher die dem Sozialismus eigenen Formen des Zusammenschlusses der Wissenschaft mit der Produktion zu entwickeln.

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Genossinnen und Genossen!

Die Aufgabe der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands als marxistisch-leninistische Partei der Arbeiterklasse besteht darin, auf der Grundlage einer wissenschaftlich begründeten Strategie und Taktik die gesellschaftliche Entwicklung in der Deutschen Demokratischen Republik politisch zu leiten. Sie weckt und fördert die Initiative aller Bürger für das weitere Gedeihen der sozialistischen Ordnung.

In den 25 Jahren seit ihrer Gründung, seit sich Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl im Zeichen der Einheit die Hand reichten, hat unsere Partei kämpferisch, stetig und erfolgreich an der Lösung dieser Aufgabe gearbeitet. Als revolutionäre Partei der Arbeiterklasse und des ganzen werktätigen Volkes, als Partei neuen Typus vollbrachte sie unter komplizierten historischen Bedingungen an der Spitze des ganzen werktätigen Volkes eine wahrhaft geschichtliche Leistung. Der Sieg in der antifaschistisch-demokratischen Revolution, der Aufbau der festen Fundamente des Sozialismus und die erfolgreiche Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft beweisen: Unsere Partei wird den objektiven Erfordernissen unserer Epoche gerecht. Sie führt das Volk sicher auf dem richtigen Weg. Die von Marx, Engels und Lenin begründeten Ziele der revolutionären Arbeiterbewegung und mit ihnen jahrhundertealte humanistische Ideale werden bei uns immer vollständiger zur Wirklichkeit.

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Quelle: VIII. Parteitag der SED – Bericht des ZK, 15.–19. Juni 1971. Berichterstatter: 1. Sekretär des ZK der SED Erich Honecker; abgedruckt in Günter Benser, Hrsg., Dokumente zur Geschichte der SED, Bd. 3: 1971–1986. Berlin, 1986, S. 7–33.