Kurzbeschreibung

Der Merkantilismus vertrat Maßnahmen zur Vermehrung der Bevölkerung, die von den preußischen Königen begeistert als „Peuplierung“ bezeichnet wurden. Zu der Zeit, als Friedrich Wilhelm diese Anweisungen zur bäuerlichen „Colonisation“ in Ostpreußen erließ, einer entlegenen, von polnischen und polnisch-litauischen Territorien umgebenen Provinz, hatte dieses Gebiet im Verlauf der letzten schweren Pestepidemie in Deutschland (1709-1713) bereits schwere Bevölkerungsverluste hingenommen, war von damit einhergehenden Erntekrisen heimgesucht worden und hatte unter den in nächster Nähe stattfindenden polnisch-schwedisch-russischen Kriegshandlungen zu leiden gehabt. Die östliche Region der Provinz, hier als „Litauen“ bezeichnet (teils aufgrund ihrer kleinen, einheimischen litauischsprachigen Bevölkerung), bestand überwiegend aus Kronländern, auf denen Friedrich Wilhelm bäuerliche Kolonisten anzusiedeln beschloss (anstatt sie als großflächige Krongüter zu verpachten, die untertänige Bauern bewirtschafteten). Die vom König veranschlagten Bedingungen waren nach damaligem Maßstab liberal und wurden von vielen Pionierfamilien angenommen. Insgesamt förderte die preußische Regierung im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts erfolgreich die Ansiedlung hunderttausender ausländischer Kolonisten auf zuvor verwüsteten oder unbesiedelten Landstrichen. Viele dieser Gebiete wurden besonders unter Friedrich II. aus Sumpfgebieten entlang von Flüssen urbar gemacht.

Anweisungen des preußischen „Soldatenkönigs“ Friedrich Wilhelm I. an seine Offiziellen über die bäuerliche Colonisation in Ostpreußen (2. Juli 1718)

Quelle

K. O. in Betreff des Kammer- und Domainenwesens, wie der Colonisation in Lithauen (1718)

Wir haben Uns von der hiezu verordneten Commission unterthänigsten Vortrag thun lassen, in was Zustande sich Unser hiesiges Lithausches Cammer-Wesen befindet. Und da Wir allergnädigst resolviret, es damit auf einen bessern Fuss zu setzen, auch wohl erkennen, dass die Cammer unmöglich in Ordnung und Richtigkeit kommen kan, wofern es nicht in den Aembtern in bessere Ordnung gebracht und gute Beambte bestellet werden, so wollen wir zuvörderst

1. Damit Unsere bäuerlichen Unterthanen desto mehr zu Gott geführet werden, und also Segen und Gedeyen erlangen mögen, dass in allen grossen Dörfern Schulmeistere bestellet, und einem jeden eine halbe hube Land, frey von Zinss, Contribution und Einquartierung von Unsere wüsten Huben zu seinem Unterhalt eingegeben werden solle, Wir haben auch an Unser Samländisches consistorium rescribiret, deshalb gehörige weitere Verfügung zu thun, wie ingleichen unserem Hofprediger Dr. Lypsio und Magister Franke in Halle aufgegeben, wegen nöthiger subjectorum besorgt zu seyn, wozu ihr dann und damit unsere allergnädigste intention erreichet werde, eures ohrts alles dienende mit beyzutragen habt; und

2. Weilen zu Erreichung des intentirten Zwecks sowohl hierin als sonsten unumbgänglich nöthig, dass in den Aembtern tüchtige Beambte, die gute Wirthe, und der Rechnungen erfahren seyn, bestellet werden, so wollen Wir vor dieselbe zureichende Gehälter constituiren, befehlen euch auch in Gdn., Uns fördersamst ein project, was einem jeden, nach Grösse des Ambts, und proportion der Arbeit an tractament zu geben seyn werde, einzusenden, auch sodann und nach Erhaltung Unserer weitern allergnädigsten Verordnung, gute erfahrene tüchtige und redliche Beambten aufzusuchen, und anzunehmen, wie Wir denn aus Pommern, und Unsern übrigen Chur- und Neumärk. Provintzien auch dergleichen anhero senden wollen; ob auch gleich sonsten

3. nicht rathsam, dass sowohl den Cameralen, als Beambten etwas zu arrendiren verstattet werde, so wollen Wir jedoch aus besondern uhrsachen ein solches denen unter eurem Departement seyenden, umb desto eher gute Beambte auch arendatores zu bekommen, gestatten, jedoch ist dieses nur ad tempus, und werden Wir hiernechst, und wann sich erst mehrere Leute wieder eingefunden haben, Uns darüber näher expliciren. Und da Wir

4. Unserm Interesse nicht convenable finden, bey Ermangelung der arendatoren, auch aus verschiedenen andern erhebl. Uhrsachen mehrere neue Vorwerker anlegen zu lassen, allermaassen die itzo schon gebauete, so lange selbige, wie bishero administriret, und nicht verpachtet werden, Uns bey weitem das darinnen verwandte Capital nicht interessiren und folglich wenig Nutzen bringen, So wollen Wir es bey denen bis hieher anbefohlenen und in der Arbeit seyenden bewenden lassen, anstatt der Vorwerker aber sind Wir gäntzlich resolviret, die wüst gewordene Dörfer hinwieder und von nun an anbauen und besetzen zu lassen, zu welchem Ende ihr und die Beambte auf solche Wiederbesetzung des Landes alle Mühe anzuwenden habet, und besorget seyn sollet, dahero denn auch ein Dorf nach dem andern wieder angebauet, nicht aber alles zugleich angefangen, einem jeden Bauern in den neuen Döfern zwey Hufen eingeräumet, und zum Besatz hinführo, weile Wir wahrgenommen, dass mit dem bisherigen Besatz der Bauer seine Wirthschaft nicht recht betreiben, noch den Acker, wie es sich gehöret, bearbeiten können, Vier pferde und Vier ochsen, ausser den andern Besatz-Stücken und zwar sogleich bey seinem Antritt auf einmahl gegeben, die nationes, so viel möglich zusammen gebracht, und jährlich bei den einzusendenden Etat zugleich deutlich berichten sollet, wie viel Dörfer ihr das jahr anzubauen vermeinet, aus wie viel Wirthen selbige bestehen werden, wie selbige situiret, und wie viel Geld dazu nöthig seyn dörfe, als dann Wir das nöthige darüber resolviren, und die dazu erfordernde Gelder in den Etat ansetzen lassen werden. Wir Wollen

5. diese Unsere allergnädigste intention durch öffentl. patente bekandt machen lassen, und habet ihr dazu ein project zu entwerfen, in selbigem, was ein jeder zu geniessen haben, auch künftig prästiren solle, deutlich zu exprimiren, und solches sodann zu Unserer allergnädigsten approbation einzusenden. Es muss aber schon gedachter maassen diesen neu anzusetzenden alles zur rechter Zeit auf einmahl gegeben, ihnen gleich Besatzbücher ertheilet, in selbige alles accurat angeschrieben, das Wintergetreyde gesäet und der Acker zum Sommergetreyde bestellet, geliefert, und sonsten mit ihnen sehr wohl und freundlich, damit sie nicht gleich anfangs verdriesslich werden mögen, umbgegangen, und dass solches geschehen, auch keine von den anzusetzenden, eher als aufs Frühjahr, weile Wir dadurch die subsistense vom halben jahre profitiren, auch die Leute gleich Weyde vors Vieh finden, kommen sollen, dem patente inseriret werden, bey ablauf des jahrs habt ihr als dann von diesem allen, ob solches, und wie es geschehen, ausführlich an uns selbst zu berichten, welche Berichte wir bey künftiger Untersuchung als dann zum fundament dessen was geschehen, nehmen werden. Wie ihr denn auch

6. die Beambten zwar zu fleissiger Inachtnehmung ihrer obliegenheit, und die ansetzung der Bauren in möglichster Eilfertigkeit zu bewerkstelligen, anhalten, doch sie weiterhin durchaus nicht anders als glimpflich, keinesweges aber auf eine bey andern Cammern nicht gebräuchliche Art tractiren, sondern wann jemand nachlässig ist, und sein devoir nicht thut, an Gelde zu strafen, oder befundenen Umbständen nach, und wann ihr desfals unterthänigst berichtet, cassirt, und ein anderer in seine Stelle gesetzt werden solle. Weile auch

7. die bishero neu angesetzte durch die vielfältig auf einander gefolgte Unglücksfälle in einen schlechten Zustand gerathen seyn, und denenselben die gehabte Freyjahre wenig oder nichts helfen können, so seyn wir nicht abgeneigt, denenjenigen, welche das, was sie bis itzo schuldig, und ohne ihren ruin nicht abzutragen vermögend, wann solches mit attestatis der Priester, Schultzen, Hauptleuthe und Beambten, auch sonsten genügsam verificiret ist, allergnädigst zu erlassen, auch ein paar jahr von denen gantz unvermögenden, wann solches gleichfals vorgemeldter maassen genugsam verificiret ist, nur den halben Zinss annehmen zu lassen, jedoch habt ihr zuförderst eine exacte Specification einzusenden, wie hoch sich dieser Erlass betragen werde, als dann wir euch mit positiver resolution versehen wollen. Und obgleich wir

8. nicht zweifeln, es werden, durch so viele Gnade, sowohl neue Leuthe nach Lithauen gezogen, als auch die schon seyende, von den Austreten nach pohlen, als woselbst man ihnen viel Freyheiten versprechen soll, zurück gehalten werden, So ist doch unumbgänglich nöthig dass den Beambten zwar, auf die Wirthschaft der Bauren gute Acht zu haben, und das, was sie abführen müssen, fleissig einzumahnen, und nichts zurück zu lassen anbefohlen, doch dabey aufs nachdrücklichste injungiret werde, mit den nun neu anzusetzenden Bauren durchaus nicht rüde zu verfahren, und absonderlich nicht gleich mit den bisherigen schärfsten executionen, als worauf nur viele executions-gebühren gehen, und dadurch der Bauer ausgezehret wird, hinter ihn her zu seyn, sondern sie erst Wurtzel fassen zu lassen, und auf eine gute Arth, durch unverdrossene Aufsicht, und unverminderte visitation, in Ordnung und ihrer Schuldigkeit zu erhalten, nöthigen Falles aber, sich keiner andern als der gewöhnlichen Ambtsauspfändung zu bedienen. Welches ihr also den Beambten in unserm hohen Nahmen anbefehlen, darauf fleissig Acht haben, und ihnen mit gutem exempel vorgehen müsset. Weilen uns

9. auch beyläufig vorgetragen worden, dass nach Unsern vorhin ergangenen Verordnungen Unsere bäuerliche Unterthanen das Bauholtz so sie gebrauchen, zur Helfte bezahlen müssen, und Wir wohl erkennen dass sich solches bey itzigem Zustande in Lithauen nicht wohl durchgehends wird practisiren, und die Bauren die Gebäude aus der Uhrsache dürften verfallen lassen; So haben wir allergnädigst resolviret, dass denen Bauren, so schlechtes Vermögens sind, das Bauholtz gantz ohne Entgelt abgefolget, doch nicht weiter, wie bishero von purem Holtze gebauet, sondern die Gebäude gestickstacket werden sollen, weshalb ihr weitere Verfügung zu thun habet.

10. Wegen der, bey den Beambten und arendatoribus noch ausstehenden reste, welche mit unter den Einhundert Fünf und Viertzig Tausend Thlr. so ihr an Schulden angegeben, stecken, habet ihr fördersamst richtige Liquidationes und zwar, was die arendatores anlanget, nach den Contracten anzulegen, und längstens innerhalb Sechs Monathen, was ein jeder liquido schuldig bleibet, einzufordern und zur Casse abzuliefern, auch Uns von Monath zu Monat einen richtigen extract, was abgetragen und noch restire, einzusenden. Und weile es

11. ohne richtige Abnahme der Ambtsrechnungen unmöglich mit dem Cammer-Wesen in Ordnung kommen und man den Zustand derselben sehen kan: So sollen zwey Cammer-Verwandte die noch nicht justificirte Rechnungen in Zeit von Sechs Monath mit dem Cammer-Meister, jedoch unter eurer, des praesidentən direction und in beyseyn desjenigen Cammer Raths, von dessen departement die Ambtsrechnung abgenommen wird, abhören, es zur Richtigkeit bringen, und äusserst besorgen, dass inhalts reglement hinkünftig mit Abnahme und Einsendung der Rechnungen zur General-Rechen-Cammer zu rechter Zeit verfahren werde, wie denn die zwey Cammer-Verwandten und der Cammermeister dieses ihren vornehmsten Zweck seyn lassen, und sich davon durch keine andere Arbeit detourniren lassen müssen, wozu ihr, der Praesident, diejenige so ihr am besten findet, zu nehmen habet, und damit diese Arbeit desto besser von statten gehe, so haben Wir allergnädigst resolviret, noch zwey Cammer-Verwandte von neuen zu bestellen, und ihnen das Gehalt, so andere haben, reichen zu lassen, zu welchem Ende Wir, entweder von Berlin aus, zwey tüchtige subjecta euch zusenden werden, oder wo ihr dergleichen wisset, von euch vorgeschlagen werden können. Wobey dann

12. die Ambts-Rechnungen wegen der noch etwa ausstehenden liquiden reste, nicht wie bishero ungeschlossen gelassen, sondern besagte reste und Bestände von einer Rechnung zur andern deutlich übertragen, und doch, so baldt immer möglich, eingefordert und beygetrieben werden müssen.

13. Die bishero denen arendatoribus so vielfältig gestattete und in den Contracten versprochene remissiones, wollen Wir, so viel möglich abgeschaffet wissen, und müsset ihr pflichtmässig dahin sorgen, wie ihr künftig bey Schliessung neuer Arenden die pächter, dahin disponiren möget, dass sie ehr keine remission verlangen als nur bey allgemeinen Misswachs, und allgemeinen Viehsterben, was den Stamm anlanget, bey andern Viehsterben aber nur wegen der Abnutzung, so wie in der Churmark und anderer Ohrten gebräuchlich ist. Zu facilitirung dessen verwilligen Wir allergnädigst, so viel die Nutzung der Schafe anlanget, dass anstatt das Schaf bishero nach Abzug der Ausgaben Vier und Zwantzig gr. polln. angeschlagen worden, künftig bei cessirung der remissionen nur Ein und Zwantzig gr. polln. gerechnet werden soll, und haben Wir zu euch das allergnädigste Vertrauen, ihr werdet mit äussersten Kräften dahin geflissen seyn, es künftig auf solchen Fuss zu richten. Da auch

14. Zu Erlangung nöthiger Richtigkeit in denen Aembtern ein vieles beytragen wird, wann die Haubtleuthe und Verwehser auf die Wirthschaft mit Achtung geben, so haben Wir an Unsere Preussische Regierung deshalb rescribiret, wie die Copey Beyschlüsse besagen.

15. Ob wir auch gleich sonsten gerne sehen möchten, dass die Anschläge auf den Märkischen Fuss eingerichtet werden möchten, gleichwie Wir solches Unserer teutschen Cammer anbefohlen, so finden wir es doch zur Zeit in Lithauen noch nicht rathsam, zumahlen die arendatores dadurch und weilen sie sich nicht gleich darin möchten finden können, noch mehr abgeschrecket werden dürften, dahero es damit bis zur weitern Verordnung sein Verbleiben hat. Es sollen

16. jedoch, damit einiges fundament zu den Anschlägen seyn möge, die Vorwerksäcker, wo es noch nicht geschehen werden, ausgemessen, auch nach Vielheit der Felder, Drey oder Vier jahre nach einander landgeschworne bey der aussaath zugegen seyn, und was an allerhand Getreyde ausgesäet wird, accurat annotiren.

17. Und da es den Anschein geben könte, dass wenn von denjenigen, so der Cammer vorstehen, auf denen von ihnen nicht gepachteten Vorwerkern, ihre pferde zu Ausfütterung und Weyde hingegeben werden, Wir darunter leiden würden, so habt ihr, der praesident und die Cammer, auf den Vorwerkern, welche ihr nicht gepachtet, keine pferde zu halten. Weilen Wir auch

18. die repeuplirung des Landes und introducirung guter Wirthschaft mit allem ersinnlichen Fleiss und Sorgfalt beschaffet wissen wollen; So habet ihr Uns darüber eure unterthänigste pflichtmässige Gedanken zu eröffnen.

Wir befehlen euch schliesslich, obigen allen allergehorsamst nachzuleben, auch was ihr sonst inhalts protocolli mit unserer Commission verabredet und concertiret habt, ohne Säumniss zu adimpliren. Wie Wir dann deshalb von Zeit zu Zeit eure pflichtmässige Berichte was darinnen geschehen, gewarten wollen. Seynd etc.

Geben Tilsit d. 2. July 1718.

Fr. Wilhelm

C.B. v. Creutz.

An

Die Lithausche Cammer.

Quelle: Rudolph Stadelmann, Friedrich Wilhelm I. in seiner Thätigkeit für die Landescultur Preussens. Leipzig: S. Hirzel, 1878, S. 234-38.