Quelle
Walpurgisnacht
auf dem berüchtigten Blocksberg halten sollen? Es ist fast nicht nöthig, zu sagen, wie sie ihre Reise dahin anstellen, und auf was für Art sie sich dort belustigen; denn wem sollte dieß unbekannt seyn? Ein Besenstiel, ein Spinnerocken, eine Ofengabel, ein schwarzer Bock, worauf sie sich setzen, führt sie durch den engen Schlott, hoch durch die Lüfte, schnell an jenen Ort, wo der Teufel ihrer erwartet. Er sitzt nach der sehr lächerlichen Meinung der Abergläubischen auf einem erhabenen Ort, um ihn her tanzen die Hexen mit Teufeln, die sich zum Theil in Thiergestalten verwandelt haben, in einem Kreis herum. Die Musik wird ebenfalls von teuflischen Thieren besorgt. Wenn denn herrlich geschmauset, Beelzebub die Huldigung eingenommen, und sich aufs neue von der Treue seiner Verehrer versichert hat; so kehrt die Unholdsschaar auf eben die Art zurück, wie sie gekommen war. In der Mitternachtsstunde von elf bis zwölf Uhr muß alles geschehen.
Wenn Menschen und Vieh von Krankheiten befallen werden, die man nicht sobald heilen kann; so glaubt der Einfältige gleich, es sey durch Hexen geschehen. Listige Betrüger machen sich dieß zu Nutze und geben vor, sie könnten die Hexerei wieder vertreiben: geben daher dem Kranken Kräuter ein, oder machen allerhand Possen, die oft mehr schaden als helfen. Wenn nun unterdeß die Natur sich selbst hilft; so heißt es, der oder die hat das gethan, und man nennt ihn oder sie Hexenmeister und Hexe. Sie sehen dieß gern, wenn sie gleich nicht öffentlich so geheißen seyn wollen; denn sie lassen sich dann ihre Künste von andern theuer bezahlen, leben davon gut, und lachen über die Dummheit anderer. Der alberne Glaube an Hexen stammt aus dem Heiden- und Judenthum her, und beruht auf lauter Lug und Betrug. Es giebt nämlich gewiße Kräuter, welche den Menschen so betäuben, daß er in einen tiefen Schlaf fällt, worin er so lebhafte Träume hat, daß er selbst glaubt, es sey alles wahr. Vor Zeiten gab es Betrüger, die solche Kräuter kannten. Wenn sie nun irgend eine Absicht erreichen, und andere ums Geld bringen wollten; so schwatzten sie ihnen vor, daß man durch Zauberei reich werden, und überhaupt alles erlangen könne, was man nur wolle. Bekamen diese Lust dazu, so erzählten sie ihnen, was dabei vorgehen müße: Daß man sich dem Teufel mit seinem Blut verschreibe, daß man umgetauft werde und dabei einen Pathen bekomme; daß hernach jede Hexe einen Geist zum Bräutigam, und jeder Hexenmeister eine Geistinn zur Braut bekomme; daß auf Walpurgis die ganze Hexenzunft einen prächtigen Schmaus mit Musik und Tanz auf dem Blocksberg halte, und dergleichen albernes Zeug mehr. Sie nannten auch wohl einen und den andern, der schon dabei wär. Wenn nun der Walpurgisabend kam; so gaben sie vor, man müße dazu vorbereitet werden, gaben ihm von solchen Kräutern, davon er lebhaft träumte, bestrichen ihn hie und da mit einer Salbe, und suchten überhaupt seine Einbildungskraft auf alle Art zu erregen, und ihm die ganze Sache gewiß zu machen. Weil aber die Weiber am geneigtesten zu solchen Gaukeleien sind und sich leichter überreden und irre führenlassen, so probirte man das vornehmlich mit ihnen. Eine solche Frau träumte dann in der Nacht von dem, wovon ihre Seele so voll war, wie es bei Träumen gewöhnlich geschieht. Da dünkte es ihr, als ritte sie auf einem Besen, oder einer Ofengabel durch die Luft und tanze auf dem Blocksberg, wo der Teufel in Bocksgestalt erschien. Erwachte sie nun wieder, so glaubte sie, es sey alles wahr gewesen, erzählte dieser und jener Vertrauten, besonders wenn sie dieselbe auf der Teufelshochzeit gesehen haben wollte, wie alles zugegangen sey, und gab ihr auch von der Hexensalbe. Diese, wenn sie gleich nichts davon wußte, wagte es entweder nicht, sich zu rechtfertigen und Anzeige davon zu thun; oder sie wünschte an diesem Fest Antheil nehmen zu können. Kam nun die erwartete Nacht, so beschmierte sie sich auch mit Salbe, und glaubte und träumte nun wie jene. Dies durfte nur einmal geschehen, so war die Sache gewiß, und so wurden manchmal die meisten Weiber in einem Dorf für Hexen gehalten; vielleicht glaubten sie es selbst, ohne übrigens zu wissen, wie es eigentlich damit zugieng. Ergaben sie sich dann vermeindlich geheimen Künsten; so war nichts gewißer, als daß sie die Hexen wären und in der Walpurgisnacht auf den Blocksberg reisten. Und dieser Glaube gieng von Haus zu Haus, von einem Ort zum andern immer weiter, Der Pabst, die Bischöfe und andere Geistliche, welche davon hörten, meinten endlich auch, es sey wahr, und verboten das Hexen und Zaubern bei Lebensstrafe; reizten auch wohl die weltliche Obrigkeit, diejenigen zu bestrafen und zu verbrennen, welche für Hexen gehalten würden. Wenn daher eine solche unglückliche Person in den Verdacht kam, daß sie eine Hexe sey; so marterte man sie auf der Tortur so lange, bis sie sagte; Ja, sie wär eine. Dann marterte man sie wieder, daß sie ihre Bekannte angeben sollte, die mit ihr auf dem Teufelsschmaus gewesen wären. Da nannte denn die arme Gemarterte in der Angst solche, die sie bisher selbst für verdächtig gehalten hatte. Diese wurden auch gefangen genommen, und so lange gemartert, bis sie von Schmerzen sinnlos gemacht, sich schuldig bekannten, um nur von der Quaal erlöst zu werden: Und nun führte man sie alle auf den Scheiterhaufen. Es geschah auch wohl, daß eine ohne Marter aussagte, was und wie es die Richter wissen wollten, und bestärkte diese in der Einbildung, daß alles wahr sey. So sind vor Zeiten tausend unschuldige Menschen um der Hexerei willen gemartert und ums Leben gebracht worden, wovon sie doch nichts wußten.
Oder ist nicht die Sage von dem jährlichen Hexentanz auf dem Blocksberg vielleicht auf folgende Art entstanden? Die Schäfer in jenen Gegenden sollen ehedem den Tag vor Walpurgis festlich zugebracht, und oft bis in die Nacht fröhlich gewesen seyn und getanzt haben. Da man nun in der Entfernung Lichter und hüpfende Bewegungen auf dem Berg sah, welches man sich nicht erklären konnte, so gerieth man auf allerhand, unter andern auch auf die sonderbare Meinung, daß es etwas übernatürliches, Hexen, mit ihnen der Teufel u.s.w. sey; welches sich von Mund zu Mund immer weiter verbreitete.
Ich war einst selbst auf dem Blocksberg; man zeigte mir den Hexenaltar und die Teufelskanzel, zwei große Steinhaufen, aus großen Platten und zum Theil langen Stücken, ohne Ordnung zusammengelegt, die kaum eines Menschen Kraft zu bewegen im Stande ist. Sie haben eine Art von Form, die, wenn große Erwartungen und Einbildungskraft dazu kommen, regelmäßiger scheinen. Das Ungeheuere der Steinstücken bewegte den Dummen, zu glauben und zu sagen, daß der Teufel sie wohl dahin gewälzt habe, und die andern ruften es nach: So wie man denn überhaupt geneigt ist, dem armen Schwarzgehörnten alles zuzuschreiben, was blöden Augen unerforschlich ist. Ich suchte auch den berüchtigten Platz, auf dem die Hexen in der Walpurgisnacht tanzen sollen, fand aber keinen, wo sie es könnten, ohne über Steine zu stolpern. Die höchste Spitze des Brockens, die etwa eine kleine halbe Stunde im Umfang begreift, ist mit einem Stein bezeichnet; (vermtuhlich der Stein, auf welchem der teuflische Bock sitzt, wenn die Hexen um ihn tanzen) rings um denselben wächst etwas Gras und Moos, auf dem übrigen Platz aber nichts. Die Ursach davon wird in der jährlichen Zusammenkunft des Teufels und seiner Verehrer gesucht; aber er würde gewiß eben so, wie der übrige Berg bewachsen seyn, wenn er nicht von denen, die Reisende dahinauf begleiten, gereinigt würde; Denn er bekommt dadurch das Ansehen der Seltenheit; die Neugier der Fremden, diesen Platz zu sehen, wird vermehrt, und man erwartet größern Lohn. Also auch Gewinnsucht erhält den Aberglauben? So gewiß und ausgemacht ungegründet nun auch jene Meinungen aus der Walpurgisnacht sind; so hat man doch Mittel erdacht, sich vor dem damit verbundenen schädlichen zu sichern. Man muß, sagt der Abergläubische, Abends vor Walpurgis an alle Thüren und überall, wo man etwas verwahrt, drei Kreuze anschreiben, und über die Felder mit Röhren hinschiessen, damit die Hexen keinen Theil daran haben, oder Schaden thun. Hätten der Teufel, und wenn es Hexen geben könnte, diese die Macht, Schaden zu thun; so würden sie sich nicht daran kehren, wenn man auch das ganze Haus, alle Thüren und sich selbst mit Kreuzen übermahlte. Wir haben ja zu allen Zeiten so viel Kreuze an uns, und machen fast bei allen Beschäftigungen diese Figur, daß wir nicht nöthig haben würden, sie mit Kreide zu mahlen, wenn sie anders etwas helfen könnten, oder etwas da wäre, wogegen wir uns durch sie zu sichern Ursach hätten. Fast alle Kleidungsstücke bestehen aus kreuzweis über einander gehenden Fäden; der Holzsäger beschreibt die Figur eines Kreuzes u.s.w. Und noch einmal, wenn es Hexen geben könnte, die auf den Blocksberg reisten, so würde ja ihr Weg doch nicht durch alle Häuser und Kammern gehen?! Und sollten sich die Hexen auch wohl in hoher Luft vor dem Schießen fürchten dürfen? Außerdem aber soll ja die Hexenfahrt nach der Meinung des Abergläubischen selbst schnell gehen; wie könnten sie sich mit Verderbung der Felder, mit Stehlen x. aufhalten? Um die Hexen zu sehen, sagt ein solcher, müsse man sich in der Walpurgisnacht ganz nackend auf den Rücken auf einen Kreuzweg hinlegen. Wer aber hat dieß je probirt und je etwas gesehen?
Quelle: Heinrich Ludwig Fischer, Das Buch vom Aberglauben, Mißbrauch und falschen Wahn: Ein nöthiger Beytrag zum Unterricht-, Noth- und Hülfsbüchlein. Oberdeutschland, [Leipzig] : Im Verlag des Unterricht-, Noth- und Hülfsbüchlein, 1790, S. 135–41. Online verfügbar unter: https://mdz-nbn-resolving.de/details:bsb10133174