Kurzbeschreibung

Die deutschen Territorien brachten einen breiten Korpus an Gesetzen zur strafrechtlichen Verfolgung von Anschuldigungen der Hexerei hervor. Ihr Status als Kapitalverbrechen wurde im Reichsgesetz durch das von Kaiser Karl V. 1532 erlassene Gesetzbuch Lex Carolina festgesetzt. Gesetze für einzelne Fürstentümer folgten. Während der überwiegende Teil der früheren Jurisprudenz bei Hexenprozessen den Schadensbeweis [maleficium] verlangte, erklärte ein sächsisches Gesetz aus dem Jahr 1572, dass alle, die Pakte mit dem Teufel schlössen, hingerichtet werden sollten, egal, ob der Schaden nachzuweisen sei oder nicht. Im Laufe der großen Verfolgungs- und Hinrichtungswelle, die zwischen den 1570er und 1660er Jahren über die deutschen Territorien rollte, wurden solche Gesetzesvorschriften in Fürstentümern aller drei Konfessionen erlassen und mehr oder weniger streng durchgesetzt—in katholischen (Baden-Baden, 1588), lutherischen (Kursachsen, 1572) und reformierten (Kurpfalz, 1582). Auf deutschem Gebiet wurden mindestens 22.000, vielleicht sogar 30.000 Personen (darunter unverhältnismäßig viele Frauen) wegen Hexerei hingerichtet, mehr als in jedem anderen europäischen Königreich.

Kein Versuch der modernen Geschichtsforschung, diese Welle an Gesetzen, strafrechtlichen Verfolgungen und Hinrichtungen auf eine Einzelursache zurückzuführen oder selbst auf einen spezifischen Ursachenkomplex, hat der kritischen Prüfung standhalten können. Viel leichter zu erklären ist, wie diese Welle schließlich untergraben wurde. Die Hexenverfolgung durch den Staat, die in dieser Ära eine Innovation darstellte, reagierte auf eine reale Furcht in der Bevölkerung, dass Hexen mit dem Teufel verbündet seien. Sie versuchte jedoch, diese Furcht unter gesetzliche Kontrolle zu bringen. Dieser Schritt und nicht etwa eine allgemein verbreitete skeptische Einstellung gegenüber der Realität der Hexerei, forderte Rechtsgelehrte heraus, indem er ernste Verfahrensfragen hinsichtlich der prozessrechtlichen Angemessenheit—nicht unbedingt der Realität—der Strafverfolgungen aufkommen ließ. Mit diesen Streitpunkten, zuerst in Inquisitionsgerichten (d.h. kirchlichen Gerichten) im katholischen Italien und Spanien thematisiert, wo die Verfolgungen früher als anderswo gestoppt wurden, sahen sich auch die weltlichen Gerichte der deutschen Territorien konfrontiert. Bis zum ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts hatte sich Uneinigkeit über die Wirksamkeit gerichtlicher Lösungen für das Problem verbreitet. Die Unstimmigkeiten hatten sich zunächst in München ergeben, wo eine Debatte unter den Beratern des bayerischen Herzogs zu unterschiedlichen Meinungen führte, die in dem bayerischen Hexenmandat von 1611 zum Ausdruck kamen. Während die Partei, die eine strenge Verfolgung beschuldigter Hexen befürwortete, die Oberhand bei der Abfassung des Gesetzes behielt, vermochte eine Gruppe Moderater die Durchführung des Gesetzes in solchem Maße zu behindern, dass es praktisch unwirksam wurde. In Bayern fanden fortan keine großen Verfolgungswellen mehr statt. Das bayerische Gesetz, so ist argumentiert worden, markierte eine Abkehr von der angestrebten Durchsetzung religiöser Ziele (der Seelenrettung) mit politischen Mitteln (Gesetz und Bestrafung). Die hier wiedergegebene Einleitung und Auszüge vermitteln die Vorstellungen über Hexerei und Zauberei, wie sie von gebildeten Kreisen vertreten wurden—doch nicht nur von ihnen.

Das bayerische Hexenmandat (1611)

Quelle

Landgebott wider die Aberglauben, Zauberey, Hexerey und andere sträffliche Teuffelskünste

Von Gottes Genaden, Wir Maximilian, Pfalzgrave bey Rhein, Hertzog in Obern und Nidern Bayern etc.

[] Nachdem wir in unserer bißanhero getragenen Landtsfürstlichen Regierung uns nichts mehrers angelegen seyn lassen, als daß wir unsere von Gott anvertraute Landt und Leuth in gewünschtem Friden, guetem gleichmessigem Rechten, auch Christlicher Zucht und Erbarkeit, mit anordnung und anstellung alles deß jenigen, was zu allgemainer wolfart unserer Underthonen, an Seel und Leib, immer befürderlich, fürstendig, und ersprießlich seyn mag, regiern und erhalten möchten, auch solche unsere Vätterliche Christliche fürsorg noch also hinfürters zu continuieren und zu beharren, sonders genaigt, und begierig seyn:

Und aber uns glaubwürdig fürkombt, daß in unserm Landt und Fürstenthumben laider die Superstitiones und Aberglauben, wie auch das verdächtig ansegnen für Kranckheiten an Viech und Leuthen, und in Summa die Sortilegia mit wahrsagen oder angemasten offenbarung haimblicher verborgener und künfftiger ding (die Gott dem Allmechtigen allein zuwissen zustehn und gebüren) nit ohne grossen verdacht der Zauberey, und vermuetlicher expressae invocationis, das ist, außtruckenlicher anrueffung deß bösen Geists, bevorab bey dem gemainen schlechten Volck einreissen und uberhand nemmen wöllen, daß sich nit allein zubesorgen, es möchten hierdurch etliche nach und nach gantz und gar in das hochverbotten und verdambte Laster der Häxerey und Zauberey, auch zu verlaugnung Gottes deß Allmächtigen, seiner würdigsten Mutter der hochgebenedeyten Junckfrawen Mariae, und aller Heiligen verlaytet und verführt (darzu dann die Superstitiones und Aberglauben auch das vermaint ansegnen, so mehrer thails reimen weiß beschicht, der erste staffel und gradus, auch pactum si non expressum, tamen tacitum & impliciatum cum Daemone, das ist, wo nit ein außtruckliche verbündnus, jedoch ein heimbliches verborgenes vertrawen zu dem bösen Feind, als dem die würckung, so auß dergleichen aberglaubigen verhandlungen erfolgt, notwendig zuzeschreiben, gemainiklich mit underlauffen thuet, wie diß ansehenliche Theologi und Rechtsgelehrte bezeugen) sonder auch, wo mit abstellung dergleichen Superstition und Aberglaubens, auch darauß entspringenden Sortilegien und verdächtiger Künst (so an statt der Abgötterey von dem bösen Geist erfunden) nit gebürlich und statlich einsehen fürgenommen werden soll, Gott der Allmechtig zu billichem Zorn gegen uns Menschen bewegt, und unser Landt und Leuth mit thewrung Krieg und Pestilentz auch andern manigfaltigen Plagen straffen und angreiffen möchte:

So haben wir als ein Christlicher Fürst solches alles billich zu gemüt und zu hertzen zuführen, bevorab, daß die Superstitiones und Aberglauben nit so ein geringe oder schlechte Sünd oder Mißhandlung, als ins gemain darvon gehalten werden will, Seytemalen alle Superstitiones und vanae observationes oder Aberglauben von dem Feindt deß gantzen Menschlichen Geschlechts dem verfluchten Teufel (Gott wöll uns gnädiglich vor ime behüten) erfunden, welcher von anbegin der Welt die Menschen alsbaldt zur Abgötterey angeraitzt, und als durch das bitter Leyden und Sterben unsers lieben HErrn Iesu Christi sein deß bösen Geists Reich zerstört, hat er an statt der offenbaren sichtigen Abgötterey (welche durch unsern Christlichen Glauben auffgehebt) die verborgene anruffung seiner hülff, underm schein der guetthätigkeit, durch die Aberglaubische künst gereimbte und ungereimbte Segen und Sortilegia eingefürt, darmit er die Possession und besitzung der armen Seelen, dern er durch den Todt unsers Heylandts am heiligen Creutz entsetzt, widerumb heimblich und mit arglistigkeit einbekommen möcht, also auff dise weiß das erste und höchste Gebott, zu dem sich ein Christenmensch in der heiligen Tauff verbindet, ubertretten und darwider verbrochen, auch die Hoffnung, welche der Mensch zu Gott haben soll, auff die eytele und lähre observationes, Superstitiones und Aberglauben auch vim carminis, das ist, zauberische oder doch Aberglaubige erfundene reymen oder andere ungereimbte vers und sprüch gewendt wurde.

Wann nun zu versöhnung Gottes deß Allmechtigen, und abwendung von demselben antrohender straffen deß Unglaubens und solcher haimblicher Abgötterey kein bessers mittel, als daß durch die Christlich Obrigkeit selbs die Ehr Gottes gerettet, die Superstitiones Aberglauben gereimbte und ungereimbte Segen und Sortilegia ernstlich verbotten, [] haben wir umbsovil mehr ursach dem Exempel und fueßstapffen anderer Christlichen Potentaten, und angedeuten hailsamen satzungen nachzufolgen.

Wollen hierauff nit allein die Artem divinandi, oder das vermaintlich wahrsagen, wie auch das ärgerlich rathfragen solcher Wahrsager und Künstler, bey denen in gemainem Kayserlichen Rechten aufgesetzten Peenen und straffen, sonder auch alle Superstitiones Aberglauben Segen und dergleichen verdächtige Sachen.

Wir wollen auch dißfals kein underschied gehalten haben, ob dergleichen Aberglaubische und verdächtige Künst oder Segen zu einem guten endt, Viech und Leuthen auch den liebseligen Früchten zuhelffen, oder aber zuschaden angesehen seyn, In sonderlicher erwegung alle unnatürliche Künst der Zauberey verdächtig [].

[So sei] nit allein uber diejenige, welche sich Artis divinandi, oder deß wahrsagens, es sey gleich mit widerbringung gestolnen oder verlornen Guets, oder in ander weeg anmassen, sonder auch welche Superstitiones und Aberglauben mit Wercken oder Worten und Segen, oder dergleichen verdächtige sachen gebrauchen, alles fleiß [zu] inquiriern und nach[zu]forschen, insonderheit auff die Nachrichter und dergleichen gesellen, wie auch etliche alte Weiber, bey denen in solchen sachen gemeinigklich raht gesuchet wird, auch auff die jenige Schmidt auff dem Landt, und wol auch in Stätten, die zu zeiten seltzame Künst yeben und gebrauchen, Ir spech und obacht haben [].

Es sollen auch die Beambte diß Mandat sambt dem Libell alle Jahr zweymal, zu Weinachten, und umb oder nach Pfingsten auff offentlichen Cantzeln verlesen lassen.

[] Geben und geschehen in unser Statt München, under unserm fürgetruckten Secret, den zwölfften Tag Monats Februarij, Anno M.DC.XI.

[Es folgt eine detaillierte Übersicht über abergläubische, magische Praktiken:]

Verzaichnus und Specification etlicher derjenigen Künst und Sortilegien, auch Superstitionen und Aberglauben, welche in gegenwertigem Mandat verbotten, darnach andere, so nit specificiert, leichtlich erkent und geurtheilt werden mögen.

[Das Mandat schließt mit 16 Artikeln, welche detaillierte Strafbestimmungen formulieren. Teufelsanbetung wird mit dem Feuertod bedroht (Art. 1), wer den Teufel anruft, ohne ihn wie Gott anzubeten, wird „nur“ geköpft (Art. 2). Weitere Beispiele:]

3. Articul. Die Wahrsager, Zauberer, Schwartzkünstler und dergleichen gesindel, welche umb der ursachen willen zu andern Leuthen in ihre, oder sonsten in frembde Heuser gehn, damit sie wahrsagen, oder ihr Zauberey und Wahrsagerkunst treiben, und im werck vollbringen, Item die jenige, welche Teuflische Zauberische verbottne Künste brauchen, dardurch sie Wahrsagen, haimbliche sonsten unbekandte unbewuste verborgene sachen erforschen, und entdecken, offenbaren, traum außlegen, Nativitetenstellen etc. wie in gleichem auch die jenige, so sich für dergleichen Künstler außgeben, und darfür wöllen angesehen seyn, und welche sich gegen den jenigen, die umb dergleichen sachen willen zu ihnen kommen und sie fragen, willig und beraith hierzu anerbieten, dise allesambt so solche Verbrechen ernstlich begangen oder doch andere Leuth darmit verführt zuhaben uberwunden, sollen mit dem Schwerdt hingerichtet werden.

4. Articul. Also auch diejenigen, welche durch philtra oder eingebung speiß oder trancks oder anderer ding machen und zuwegen bringen, daß eins das ander muß lieb haben, oder hingegen auff solche oder andere Zauberische weiß neydt und haß under den Leuten erwecken, nicht weniger die Mann und Weiber verzaubern, es geschehe durch eingeben oder Aberglaubische verknüpffung, oder in andere weg, daß sie ohnwiderbringlich untauglich und unfruchtbar werden, oder doch umb all jhre gesundtheit kommen, die auch durch Aberglaubische mittel und Zauberwerck gefährliche und tödtliche Kranckheiten jemants anhengen, sollen alle gleichermassen mit dem Schwerdt gerichtet, und zu zeiten nach gelegenheit der umbständt solcher Verbrechen auch wol hinnach zu Aschen verbrennt werden.

5. Articul. Alle die jhenige, welche zu den Zauberern, Wahrsagern, und andern jetzt vermelten Personen gehn, lauffen, oder sie zu sich beruffen, sie um rath fragen, jnen glauben, auch beyfall geben, und jrer hülff und raths sich gebrauchen, da hierauß kein schaden erfolgt, so höher und am leben zustraffen, die sollen zu ewigen zeitten deß Landts verwiesen und alsdann jre Haab und Güter der Obrigkeit heimbgefallen seyn. []

7. Articul. Der oder die jenige, welche nicht in ernst, sonder allein auß fürwitz schimpfsweiß, und kurtzweil halben (wie es sich etwan zu zeiten begibt) Zigeuner, Wahrsager, Zauberer, und andere fragen, ihnen die Hände bietten, darein sehen, und wahrsagen lassen, und man ein solches eigentlich von ihnen waiß, der oder dieselben sollen ein gantzes Monat aintweders in der Gefencknuß mit Wasser und Brodt abgestrafft, oder aber in einem Baw und dergleichen Handtarbeit zuverrichten, gegen empfahung der blossen notwendigen Leibs underhaltung geschickt, oder doch an einem Son- oder Feyrtag, wie vorangeregt worden, jederman zu schandt und spott für die Kirchen gestelt, oder ains oder zwaymal in der Keuchen mit Ruethen wol abbüeßt werden. Weren dann solche ursachen oder umbstende verhanden, warumben dern jetzt verstandenen straffen keine statt hette, so mag alsdann ein billich und gleichmessige geltstraff erkent und den verbrecher aufferladen werden. []

10. Articul. Diejenige so nicht allein den Teuffel wie Gott angeruffen, angebettet, und verehret, sonder noch darzu Menschen, Viech, und den Früchten durch zauberey schaden zugefügt, sollen mit ebenmessiger straf deß Fewrs und einziehung der Gütter, auch nach gestaltsame begangener missethaten und schäden, ehe sie in das Fewr gesetzt, am Leib als mit eim, zweyen oder mehr griffen, durch glüende Zangen oder sonsten abgebüest werden. []

15. Articul. Die Alchimisterey und Kunst Goldt auß etwem anderm, das nicht Goldt, und Silber auß nicht Silber zu machen, [] solle [] hiemit gentzlich und allerdings verbotten, und die uberfahrer dises verbotts von jedermennigklich für nichtloß und undüchtig gehalten, auch nach jhrem vermögen, umb ein nambhaffte Summa Gelts, oder in mangl dessen mit Gefencknus, Landtsverweisung, etc. oder anderwerts nach rechtlicher ermässigung gestrafft werden.

Quelle: Wolfgang Behringer, Hrsg., Mit dem Feuer vom Leben zum Tod. Hexengesetzgebung in Bayern. München, 1988, S. 165–70; abgedruckt in Bernd Roeck, Hrsg., Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg 15551648. Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung, herausgegeben von Rainer A. Müller, Band 4. Stuttgart: P. Reclam, 1996, S. 160–68.