Quelle
Die Straßenbahnschaffnerin
(Ein Bild aus dem Kriegsjahr 1915.)
Mann! Steigst du heutzutage
Mal auf die
Straßenbahn,
So pass’ dich hübsch manierlich
Den neuen
Zeiten an!
Kein Schaffner, breit und klotzig,
Reicht dir den
Fahrschein hin,
Nein, eine reizend kleine,
Famose
Schaffnerin.
Die Mütze auf den Locken,
Lacht sie dich freundlich
an;
Und statt des Bärenbasses
Empfängt dich ein
Sopran.
Auch wem sie Zutritt weigert,
Der fühlt sich nicht
verletzt,
Sanft flötend tönt's herunter:
„Ach — leider
schon besetzt!“
Doch gab sie dir voll Anmut
Zu deinem Platz
Geleit,
So wahre, Zeitgenosse
Die Form der
Höflichkeit.
Und eilt sie an der Weiche
Dem Wagen nach im Lauf
Und
schwingt sie sich zum Tritte,
So hilf ihr hübsch hinauf!
„Hier einen Tobak, Schaffner!“
Das ist nicht mehr
bon-ton!
„Belieben“, mußt du sprechen,
„Frau Schaffner —
ein Bonbon?“
Quelle: Wachtfeuer: Künstlerblätter zum Krieg, Nr. 58 (1915), S. 8. Online verfügbar unter: https://doi.org/10.11588/diglit.30347#0586