Kurzbeschreibung

Die rasche Expansion der deutschen Kolonie Südwestafrika (das heutige Namibia) führte zu zunehmenden Spannungen zwischen deutschen Siedlern und indigenen Völkern (Hereros und Nama) um den Zugang zu Land und Wasser – Spannungen, die durch die rechtliche Diskriminierung der indigenen Bevölkerung durch die deutsche Regierung noch verschärft wurden. Im Jahr 1904 kam es zum Aufstand der Herero, bei dem deutsche Farmen angegriffen und etwa 150 deutsche Siedler getötet wurden. In diesem Brief von Samuel Maharero, dem Oberhaupt des Herero-Volkes, den er im März 1904 an Theodor Leutwein, den Gouverneur der deutschen Kolonie Südwestafrika, schickte, erklärt Maharero, was die Herero zum Aufstand veranlasste.

Nachdem 766 deutsche sogenannte „Schutztruppen“ den Aufstand nicht niederschlagen konnten, wurden weitere 14.000 deutsche Soldaten unter dem Kommando von Generalleutnant Lothar von Trotha entsandt, der Leutwein ablöste. Die anschließende brutale Niederschlagung des Aufstands und die Vertreibung der Herero in die Wüste werden heute als Völkermord eingestuft. Samuel Maharero (1856-1923) gelang es, der Gefangennahme zu entgehen, indem er mit etwa 1.000 Hereros in das britische Protektorat Betschuanaland floh.

Schreiben des Oberhäuptlings Samuel Maharero an Gouverneur Theodor Leutwein über die Ursachen des Aufstandes (6. März 1904)

Quelle

An den großen Gesandten des Kaisers,
Gouverneur Leutwein.

Deinen Brief habe ich erhalten, und ich habe gut verstanden, was Du mir und meinen Großleuten geschrieben hast. Ich und meine Großleute antworten folgendermaßen: Der Anfang des Krieges ist nicht jetzt in diesem Jahr durch mich begonnen worden, sondern er ist begonnen worden von den Weißen; wie Du weißt, wie viele Hereros durch die weißen Leute, besonders Händler, mit Gewehren und in Gefängnissen getötet sind. Und immer, wenn ich diese Sache nach Windhuk brachte, immer kostete das Blut meiner Leute [nicht mehr, als] einige [Stück] Kleinvieh, nämlich fünfzig oder fünfzehn. Die Händler vermehrten die Not noch in der Weise, daß sie aus sich selbst meinen Leuten auf Borg gaben. Nachdem sie so getan, raubten sie sie aus, bis sie soweit gingen, sich bezahlen zu lassen, indem sie für 1 Pfund [Sterling] Schuld zwei oder drei Rinder gewaltsam wegnahmen. Diese Dinge sind es, die den Krieg in diesem Lande erweckt haben.

Und jetzt in diesen Tagen, da die Weißen sahen, daß Du, der Du Frieden mit uns und Liebe zu uns hast [nicht da warst], da begannen sie uns zu sagen: Der Gouverneur, der euch lieb hat, ist in einen schweren Krieg gezogen, er ist tot, und weil er tot ist[1], werdet ihr auch sterben. Sie gingen so weit, daß sie zwei Herero des Häuptlings Tjetjo töteten, bis Leutnant N. anfing, meine Leute im Gefängnis zu töten. Es starben zehn, und es hieß, sie seien an Krankheit gestorben, aber die starben durch die Arbeitsaufseher und durch die Knüttel. Zuletzt fing Leutnant N. an, auch mich schlecht zu behandeln und eine Ursache zu suchen, wegen deren er mich töten könne, indem er sagte: die Leute von Kambasembi und Uanja machen Krieg. Da rief er mich, mich zu befragen. Ich antwortete wahrheitsgemäß, nämlich „nein“. Aber er glaubte nicht. Zuletzt setzte und verbarg er in der Schanze [Feste] Soldaten in Kisten[2]. Und er rief mich, damit wenn ich käme, er mich erschieße. Ich ging nicht hin; ich merkte [die Absicht], und deshalb entfloh ich. Darauf schickte Leutnant N. Leute mit Gewehren, mich zu erschießen. Darüber wurde ich zornig und sagte: „Jetzt muß ich die Weißen töten [sei es selbst, daß] ich sterbe.“ Denn daß ich sterben sollte, habe ich gehört von einem Weißen mit Namen X. []

Ich bin der Häuptling Samuel Maharero!

Anmerkungen

[1] Samuel Maharero und die Herero nahmen wirklich an, daß Gouverneur Leutwein im Namaland gefallen war.
[2] Bezieht sich wahrscheinlich auf die den Hereros zunächst unverständliche Verwandlung vieler Zivilisten durch die Einziehung der Reserve und die militärische Einkleidung.

Quelle: Paul Rohrbach, Deutsche Kolonialwirtschaft, Bd. 1: Südwest-Afrika, Berlin-Schöneberg 1907, S. 333 f. Zitiert nach Horst Gründer, „… da und dort ein junges Deutschland gründen.“ Rassismus, Kolonien und kolonialer Gedanke vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. München, 1999, S. 151–52.