Kurzbeschreibung

Hitler erkannte im wirksamen Einsatz von Propaganda einen großen politischen Wert, und er glaubte, dass der Erfolg einer politischen Bewegung zu einem großen Teil von der Richtung ihrer Führer und der Macht der Propaganda abhing, um Anhänger zu gewinnen. Die Anhänger wiederum würden sich einer Bewegung anschließen und bereit sein, für den Nationalsozialismus zu kämpfen. Seine Theorie und seine Vorstellung von Propaganda und ihrer Anwendung stammten aus seinen frühen politischen Erfahrungen nach dem Ersten Weltkrieg, die er 1925 in seinem Buch Mein Kampf darlegte. In diesem Auszug unterstreicht Hitler die zentrale Rolle der Propaganda beim Aufbau einer Dynamik für die nationalsozialistische Bewegung; sie sollte bei den Mitgliedern einer Bewegung ein echtes Gefühl des Kampfes und des Konflikts erzeugen und sie zu entschlossenem Handeln in ihrem Namen anspornen.

Hitlers Betonung von Organisation und Ordnung – insbesondere die strikte Unterscheidung zwischen denen, die die Bewegung anführen, und denen, die ihr folgen – prägte die Partei- und Regierungsstrukturen im gesamten Dritten Reich. Goebbels folgte bei der Erfüllung der Aufgaben des Propagandaministeriums denselben Grundsätzen. Der Einsatz der Propaganda durch die Nationalsozialisten wurde oft für den politischen Erfolg der Bewegung und ihrer Führer verantwortlich gemacht, doch dieses Dokument macht deutlich, dass das Ziel der Propaganda nicht nur darin bestand, Anhänger zu gewinnen und den Nationalsozialismus in der Öffentlichkeit populär zu machen. Vielmehr trugen die der Propaganda zugrunde liegenden Theorien innerhalb der nationalsozialistischen Bewegung auch direkt zur Struktur und Form der nationalsozialistischen Herrschaft bei.

Adolf Hitler „Propaganda und Organisation“ (1925)

Quelle

11. Kapitel
Propaganda und Organisation

Das Jahr 1921 hatte noch in anderer Hinsicht für mich und die Bewegung eine besondere Bedeutung erhalten.

Nach meinem Eintritt in die Deutsche Arbeiterpartei [im Herbst 1919] übernahm ich sofort die Leitung der Propaganda. Ich hielt dieses Fach für das augenblicklich weitaus wichtigste. Es galt ja zunächst weniger, sich den Kopf über organisatorische Fragen zu zerbrechen, als die Idee selbst einer größeren Zahl von Menschen zu vermitteln. Die Propaganda mußte der Organisation weit voraneilen und dieser erst das zu bearbeitende Menschenmaterial gewinnen. [] Aus diesem Grunde ist es zweckmäßiger, eine Idee zuerst eine Zeitlang von einer Zentrale aus propagandistisch zu verbreiten und das sich allmählich ansammelnde Menschenmaterial dann sorgfältig nach Führerköpfen durchzusuchen und zu prüfen.

[] Jede Bewegung wird das von ihr gewonnene Menschenmaterial zunächst in zwei große Gruppen zu sichten haben: in Anhänger und Mitglieder. Aufgabe der Propaganda ist es, Anhänger zu werben, Aufgabe der Organisation, Mitglieder zu gewinnen. Anhänger einer Bewegung ist, wer sich mit ihren Zielen einverstanden erklärt, Mitglied ist, wer für sie kämpft. Der Anhänger wird einer Bewegung durch die Propaganda geneigt gemacht. Das Mitglied wird durch die Organisation veranlaßt, selbst mitzuwirken zur Werbung neuer Anhänger, aus denen sich dann wieder Mitglieder herausbilden können. [] Die Propaganda wird demgemäß unermüdlich dafür zu sorgen haben, daß eine Idee Anhänger gewinnt, während die Organisation schärfstens darauf bedacht sein muß, aus der Anhängerschaft selbst nur das wertvollste zum Mitglied zu machen. Die Propaganda braucht sich deshalb nicht den Kopf zerbrechen über die Bedeutung jedes einzelnen der von ihr Belehrten, über Fähigkeit, Können und Verständnis oder den Charakter dersel­ben, während die Organisation aus der Masse dieser Elemente sorgfältigst zu sammeln hat, was den Sieg der Bewegung wirklich ermöglicht.

Die Propaganda versucht eine Lehre dem ganzen Volke aufzuzwingen, die Organisation erfaßt in ihrem Rah­men nur diejenigen, die aus psychologischen Gründen nicht selbst zum Hemmschuh einer weiteren Verbreitung der Idee zu werden drohen. Die Propaganda bearbeitet die Gesamtheit im Sinne einer Idee und macht sie reif für die Zeit des Sieges dieser Idee, während die Organisation den Sieg erficht durch den dauernden, organischen und kampfesfähi­gen Zusammenschluß derjenigen Anhänger, die fähig und gewillt erscheinen, den Kampf für den Sieg zuführen.

Der Sieg einer Idee wird um so eher möglich sein, je umfassender die Propaganda die Menschen in ihrer Gesamtheit bearbeitet hat und je ausschließlicher, straffer und strammer die Organisation ist, die den Kampf praktisch durchführt. Daraus ergibt sich, daß die Zahl der Anhänger nicht groß genug sein kann, die Zahl der Mitglieder aber leichter zu groß als zu klein sein wird. Wenn die Propaganda ein ganzes Volk mit einer Idee erfüllt hat, kann die Or­ganisation mit einer Handvoll Menschen die Konsequenzen ziehen. Propaganda und Organisation, also Anhänger und Mitglieder, stehen damit in einem bestimmten gegenseitigen Verhältnis. Je besser die Propaganda gearbeitet hat, um so kleiner kann die Organisation sein, und je größer die Zahl der Anhänger ist, um so bescheidener kann die Zahl der Mitglieder sein und umgekehrt. []

Die erste Aufgabe der Propaganda ist die Gewinnung von Menschen für die spätere Organisation; die erste Aufgabe der Organisation ist die Gewinnung von Menschen zur Fortführung der Propaganda. Die zweite Aufgabe der Propaganda ist die Zersetzung des bestehenden Zustandes und die Durchsetzung dieses Zustandes mit der neuen Lehre, während die zweite Aufgabe der Organisation der Kampf um die Macht sein muß, um durch sie den endgültigen Erfolg der Lehre zu erreichen. [] In jeder wirklich großen weltumwälzenden Bewegung wird die Propaganda zunächst die Idee dieser Bewegung zu verbreiten haben. Sie wird also unermüdlich versuchen, die neuen Gedankengänge den anderen klarzumachen, diese mithin auf ihren Boden herüberzuziehen oder doch in ihrer eigenen bisherigen Überzeugung unsicher zu machen. Da nun die Verbreitung einer Lehre, also diese Propaganda, ein Rückgrat besitzen muß, so wird die Lehre sich eine feste Organisation geben müssen. Die Organisation erhält ihre Mitglieder aus der von der Propaganda gewonnenen allgemeinen Anhängerschaft. Diese wird um so schneller wachsen, je intensiver die Propaganda betrieben wird, und diese wieder vermag um so besser zu arbeiten, je stärker und kraftvoller die Organisation ist, die hinter ihr steht. [] Die lebendige und draufgängerische Form, die ich damals [bis Mitte 1921] unserer Propaganda gab, hat die radikale Tendenz unserer Bewegung gefestigt und garantiert, da nunmehr wirklich nur radikale Menschen – von Ausnahmen abgesehen – zur Mitgliedschaft bereit waren. Dabei hat diese Propaganda doch so gewirkt, daß uns schon nach kurzer Zeit Hunderttausende innerlich nicht nur recht gaben, sondern unseren Sieg wünschten, wenn sie auch persönlich zu feige waren, dafür Opfer zu bringen oder gar einzutreten. []

Quelle: Adolf Hitler, Mein Kampf. Zwei Bände in einem Band. Ungekürzte Ausgabe. Zentralverlag der NSDAP, Frz. Eher Nachf., G.m.b.H. München, 1943, S. 649–58; abgedruckt in Bernd Sösemann (in Zusammenarbeit mit Marius Lange), Propaganda: Medien und Öffentlichkeit in der NS-Diktatur: eine Dokumentation und Edition von Gesetzen, Führerbefehlen und sonstigen Anordnungen sowie propagandistischen Bild- und Textüberlieferungen im kommunikationshistorischen Kontext und in der Wahrnehmung des Publikums, Band 2. Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2011, S. 738–39.