Quelle
Der Leiter der Partei-Kanzlei
Führerhauptquartier, den 29.
9. 43.
Anordnung Nr. 55/43
Mit der zunehmenden Verschärfung des Krieges ist die Widerstandskraft der Heimat einer immer stärkeren Belastung ausgesetzt. Die NSDAP muß daher den Kampfwillen des deutschen Volkes immer wieder stählen, die Meinungsbildung laufend positiv beeinflussen und allen negativen Erscheinungen mit aller Energie entgegentreten.
Damit alle Parteigenossen geschlossen für diese wichtige Aufgabe eingesetzt und hierfür entsprechend ausgerichtet werden, ordne ich an:
Vom 15. Oktober ab sind in den gesamten Ortsgruppen des Reiches Generalmitgliederappelle abzuhalten; ihre Durchführung soll nach Möglichkeit innerhalb von vier Wochen abgeschlossen sein. Verantwortlich für die einwandfreie Durchführung dieser Appelle sind die Hoheitsträger, die alle verfügbaren Propaganda- und Schulungskräfte zur Mitarbeit hereinzuziehen haben. Der Reichsorganisationsleiter und der Reichspropagandaleiter werden die erforderlichen Redner für diese interne Parteiaktion zur Verfügung stellen.
Die Gauleiter sollen nach Möglichkeit in jedem Kreis ihres Gaues auf einem Appell persönlich sprechen, die Kreisleiter sind verpflichtet, die Appelle der Ortsgruppe möglichst selbst durchzuführen. In Gauen, in denen die Anzahl der Kreise und Ortsgruppen der Durchführung dieser Anordnung in dem angegebenen Zeitraum Schwierigkeiten bereitet, sind die Appelle entsprechend zusammenzulegen.
Die Teilnahme sämtlicher Parteigenossen an diesen Appellen ist Pflicht. Den Appellen selbst ist ein würdiger und vor allem straffer Rahmen zu geben. Den einzelnen Parteigenossen ist in eindringlicher und nachdrücklicher Weise ihre verpflichtende Aufgabe als Stimmungsträger der Heimat scharf zu umreißen. Besonders ist die Notwendigkeit der größeren Einflußnahme von Mund zu Mund auf die Stimmung und Haltung der Bevölkerung stark herauszustellen. Je intensiver einerseits der Feind und die Schwere der Zeit auf unsere Volksgenossen einwirken, desto eindringlicher muß durch alle ihre Mitglieder die NSDAP, ständig den Glauben an die Richtigkeit unseres Handelns und die Sicherheit des deutschen Sieges stärken. Im Übrigen sind u.a. die in der Anlage aufgeführten Gedankengänge zum Leitthema der Appelle zu machen.
Ich bitte die Gauleiter, sich der Durchführung dieser Appelle besonders intensiv anzunehmen. Der Reichsorganisationsleiter und der Reichspropagandaleiter werden die erforderlichen zentralen Weisungen herausgeben und die Durchführung der Anordnung überwachen.
[gez. M. Bormann]
Gedankengänge zu den Generalmitgliederappellen
Die nationalsozialistische Bewegung hat noch jede Lage gemeistert! Sie hat sich nie durch gelegentliche Rückschläge und größere Schwierigkeiten beirren lassen. Im Gegenteil, sie ist immer mit ihren Aufgaben gewachsen und aus allen Prüfungen gestärkt hervorgegangen! Auch heute ist für die Partei wieder eine wahrhaft geschichtliche Bewährungsstunde gekommen!
Wenn die Führung in dieser Zeit der starken Belastung fest und hart bleibt, ist auch das Volk in seiner breiten Schicht nicht zu erschüttern. Unbedingte Voraussetzung ist aber, daß der Führende selbst das beste Beispiel der Glaubensstärke und der Unbeirrbarkeit gibt. Die persönliche Lebensführung und die charakterliche Sauberkeit aller Parteigenossen muß gerade heute stets unantastbar sein. Der Führer verlangt, wie er in seiner letzten Ansprache besonders betonte, daß die Partei in allem Vorbild ist. Noch nie sind so viel kritische Augen auf die Haltung der Bewegung gerichtet gewesen wie heute.
Die Partei ist die politische Auslese des Volkes. In ihr haben sich die glaubensstärksten Deutschen und politischen Fanatiker zusammengefunden. Jeder Parteigenosse hat mit dem Eintritt in die Partei eine besondere Verpflichtung gegenüber der Führung und dem Volk übernommen. Wir haben einst mit einer beispiellosen Härte und Energie diesen Staat erobert. Wir müssen ihn auch mit nicht minderer Entschlossenheit und Verbissenheit verteidigen. Jeder Parteigenosse muß sich heute besonders als ein Vertrauter des Führers und als Mittler zwischen Führung und Volk fühlen! Die Partei muß gerade in schweren Belastungszeiten die Führung der Menschen besonders fest in der Hand haben. Der Volksgenosse will sich auch in seiner Meinungsbildung sicher und zuverlässig geführt wissen. Die Bewegung darf sich deshalb durch Überhäufung mit anderen Arbeiten von der wichtigen Aufgabe der Führung und Beeinflussung der Menschen nicht einen Augenblick abdrängen lassen. Die Überzeugung und politische Lenkung der Volksgenossen ist eine der ursprünglichsten Aufgaben der Partei. In der Kampfzeit war es eine Ehrenpflicht des Nationalsozialisten, um jeden einzelnen Menschen für die Verbreitung unserer Idee zu ringen. Das muß auch heute noch sein! Immer wieder müssen wir unsere Volksgenossen erinnern an den Vernichtungswillen unserer Feinde, wie es schon vor dem Weltkrieg 1914 in Erscheinung trat, an die Einkreisungspolitik Eduard VII, an den Kampf gegen die deutschen Kolonien usw.. Will das deutsche Volk leben, muß es bis zum siegreichen Kriegsende um sein Lebensrecht kämpfen. Erinnern wir an die Nachkriegszeit, die trotz der Erfüllungspolitik von Bell bis Stresemann dem deutschen Volk immer härtere Diktate, Abgaben und Anleihen aufzwang. Jeder Parteigenosse muß unbedingt wieder zur aktiven Mitarbeit in der Bewegung herangezogen werden. Nur so wird er sich auch voll mitverantwortlich fühlen für das heutige Geschehen. Die Partei muß heute mehr denn je eine verschworene Kampfkameradenschaft bilden. Schwache und müde gewordene Parteigenossen müssen von den aktivsten und fanatischsten wieder mitgerissen werden! Die Schwungkraft und der Angriffsgeist der gesamten Bewegung dürfen gerade heute nicht einen Augenblick nachlassen.
Der Parteigenosse muß unbedingt vor allen Stimmungsschwankungen unberührt bleiben. Die Flut von Gerüchten und Verleumdungen, die vom Gegner systematisch zur Beunruhigung unseres Volkes ausgestreut werden, muß sich an der Ruhe und Unerschütterlichkeit aller Parteigenossen brechen! Wir haben uns in Bezug auf die Verunglimpfung und Schmähung unserer nationalsozialistischen Führung hier und da schon viel zu viel gefallen lassen! Wer als Parteigenosse Stimmungsschwächlingen, Schlappmachern und Defätisten nicht klar und offen auf der Stelle entgegentritt, stempelt sich selbst zum größten politischen Schwächling und fördert durch sein jämmerliches Beispiel die feindlichen Zersetzungsversuche. Auf die Einflußnahme von Mann zu Mann und Frau zu Frau kommt es heute mehr denn je an. Von jedem Parteigenossen muß deshalb unbedingt verlangt werden, daß er überall den Mut und die Zivilcourage hat, allen böswilligen Zungen und Schwätzern über den Mund zu fahren. Jedem Gerüchteverbreiter und haltlosen Volksgenossen muß ein gläubiger und kampfentschlossener Parteigenosse sofort entgegentreten. Eine Reihe unserer Parteigenossen ist leider zu bequem und zu vornehm geworden, um sich den schleichenden Schlappmachern mit der nötigen Schärfe entgegenzutreten [sic].
Wir wollen wirklich ratsuchenden und hilfsbedürftigen Volksgenossen weiter zuvorkommend und helfend zur Seite stehen. Kleinmütige und verzagte Volksgenossen werden am stärksten durch unser Vorbild der Glaubensstärke und der selbstverständlichen Siegeszuversicht überzeugt. Bei schamlosen Gerüchteverbreitern und gedankenlosen Schwätzern aber ist keine Höflichkeit und keine Zurückhaltung mehr am Platze. Sie müssen gebührend deutlich in ihre Grenzen gewiesen oder der Polizei übergeben werden.
Die Führung kann nicht immer zu allen möglichen Gerüchten und auftauchenden Fragen direkt Stellung nehmen. Sie gibt so weit wie möglich eine Sprachregelung zu den wichtigsten Fragen. Wenn aber keine Hinweise von oben erfolgen, muß und wird sich der wendige Parteigenosse allein zu helfen wissen!
Die Bewegung kann heute keine Mitläufer und Zuschauer mehr gebrauchen. Die Parteiführung läßt keinen Zweifel darüber, daß sie rücksichtslos entschlossen ist, sich von unsicheren und wankelmütigen Elementen zu lösen. Wer heute nicht mehr den Mut hat, sich zum Nationalsozialismus zu bekennen, gehört nicht mehr zu uns! Wer aber aus der Bewegung ausgeschlossen wird, wird nicht aus einem Verein, sondern aus dem politischen Orden des deutschen Volkes in der schwersten Bewährungsstunde mit Schimpf und Schande ausgestoßen.
Wenn jeder Parteigenosse in seinem Bekanntenkreis und in der von ihm zu führenden Bevölkerung klar und entschlossen den nötigen Einfluß auf die Stimmungs- und Meinungsbildung nimmt, kann die Haltung und der Widerstandswille unseres Volkes in diesem Schicksalskampf niemals nachlassen!
Quelle: Anordnung Nr. 55/43 (Betrifft: Generalmitgliederappelle zum verstärkten Führungseinsatz der gesamten Parteigenossenschaft) (29. September 1943), Bundesarchiv Berlin, NS 6/167.