Kurzbeschreibung

Das NS-Regime propagierte nachdrücklich einen gesunden Lebenswandel. So führte das Regime öffentliche Rauchverbote ein und sprach sich für einen geringeren Alkoholkonsum und eine weniger kalorienreiche Ernährung aus. Forscher und Ideologen versuchten, die Ursachen gesellschaftlicher „Laster“ zu beseitigen – zwei davon waren mit Tabakkonsum und Alkoholmissbrauch verbunden. Die beiden Auszüge veranschaulichen, wie unparteiische Forschung und die Verbreitung der NS-Ideologie zusammenarbeiteten, um die Deutschen zu einem gesünderen Leben zu ermutigen und das Volk zu schützen.

1939 war Dr. Franz Hermann Müller Arzt am Kölner Bürgerhospital. Er wurde bekannt für seine bahnbrechende Forschung über den Zusammenhang zwischen Tabakkonsum und der Entstehung von Lungenkrebs. Dieser Fragebogen war Teil seiner medizinischen Forschung, für die er über 100 Deutsche, sowohl Raucher als auch Nichtraucher, und deren Angehörige befragte. Seine Studie ergab, dass diejenigen, die mehr als sechs Schachteln Zigaretten pro Tag rauchten, eher Lungenkrebs entwickelten als Gelegenheitsraucher oder mäßige Raucher. Die Fragen sind vergleichbar mit denen in aktuellen Lungenkrebsstudien.

Der zweite Auszug, eine Erklärung des SS-Führers Heinrich Himmler (1900–1945) zu übermäßigem Alkoholkonsum, ist repräsentativ für die nationalsozialistische Reaktion auf Studien wie die von Dr. Müller. Himmler unterstreicht hier die Haltung des Regimes, indem er niedrigen Alkoholkonsum mit der Erhaltung eines gesunden Volkes verbindet.

Fragebogen zu Tabakmissbrauch und Lungenkrebs (1939) und Himmlers Erklärung gegen Alkoholmissbrauch (1937)

Quelle

I. Der Fragebogen, welcher den Angehörigen zugesandt wurde, hatte folgenden Wortlaut:

1. War der Verstorbene, Herr ………. Raucher? Antwort: Wenn ja, wie hoch war sein täglicher Verbrauch an Zigarren, Zigaretten, Pfeifentabak? (Bitte genaue Angaben, möglichst in Zahlen!)

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2. Hatte der Verstorbene früher geraucht, dann jedoch das Hauchen eingestellt? Antwort: Bis zu welchem Lebensjahre? Antwort: Wenn ja, wie hoch war sein täglicher Verbrauch an Zigarren, Zigaretten, Pfeifentabak? (Bitte genaue Antwort in Zahlen!)

3. Hatte der Verstorbene früher stärker geraucht, dann jedoch das Bauchen vermindert? Antwort: Bis zu welchem, Lebensjahr? Antwort: Wie hoch war in diesem Falle sein täglicher Verbrauch an Tabakwaren vorher und nachher? (Bitte genaue Angaben!)

4. Können Sie mir Angaben darüber machen, ob der Verstorbene während seiner beruflichen Tätigkeit oder auch außerhalb derselben der Einwirkung verunreinigter Luft längere Zeit hindurch ausgesetzt war? Enthielt die verunreinigte Luft Stoffe wie z. B. Bauch, Ruß, Staub, Teer, Dämpfe, Verbrennungs- und Auspuffgase, Kohlen- und Metallstaub, chemische Stoffe, Zigarettendunst oder ähnliche Stoffe?

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Quelle: Franz H. Müller, „Tabakmissbrauch und Lungencarcinom“, Zeitschrift für Krebsforschung 49 (1939), S. 62–63.

II. Erklärung Himmlers gegen Alkoholmissbrauch (Dezember 1937)

Deutschland braucht für die Erhaltung seiner völkischen und wirtschaftlichen Freiheit die Kraft jedes einzelnen deutschen Menschen. Kein Deutscher hat daher das Recht, die Kraft seines Körpers und Geistes durch Alkoholmißbrauch zu schwächen. Er schädigt damit nicht nur sich, sondern seine Familie und vor allem sein Volk.

Quelle: AW, Nr. 11-12/1937, S. 91; abgedruckt in Bernd Sösemann (in Zusammenarbeit mit Marius Lange), Propaganda: Medien und Öffentlichkeit in der NS-Diktatur: eine Dokumentation und Edition von Gesetzen, Führerbefehlen und sonstigen Anordnungen sowie propagandistischen Bild- und Textüberlieferungen im kommunikationshistorischen Kontext und in der Wahrnehmung des Publikums, Band 1. Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2011, S. 486.

Fragebogen zu Tabakmissbrauch und Lungenkrebs (1939) und Himmlers Erklärung gegen Alkoholmissbrauch (1937), veröffentlicht in: German History in Documents and Images, <https://germanhistorydocs.org/de/deutschland-nationalsozialismus-1933-1945/ghdi:document-5117> [05.11.2024].