Kurzbeschreibung

In dieser Vorlage begründen Hitlers Kabinettsmitglieder die Notwendigkeit eines neuen Gesetzes über die Namensänderung in Deutschland. Darin plädieren sie für eine Zentralisierung des deutschen Namensänderungsprozesses, bei dem jeder, der seinen Namen ändern wollte, hierfür die Zustimmung des Staates einholen musste. Das Gesetz zielte darauf ab, deutsche Juden klar als solche erkenntlich zu machen und von der „deutschen Volksgemeinschaft“ abzugrenzen. Nach der Verabschiedung des Gesetzes konnten Juden, die ihren Namen in der Vergangenheit geändert hatten (z.B. nachdem sie zum christlichen Glauben konvertiert waren), dazu gezwungen werden, ihren ursprünglichen Namen wieder anzunehmen.

Im einer späteren Verordnung vom August 1938 verfügte das NS-Regime zudem, dass jüdische Männer und Frauen mit „nicht-jüdischen“ Vornamen die Namenszusätze „Israel“ bzw. „Sara“ übernehmen mussten, um ihre jüdische Identität klar zu identifizieren, wie es in dieser Vorlage bereits angedacht wird.

Begründung des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (11. November 1937)

Quelle

Begründung der Kabinettsvorlage eines Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen
6. November 1937

Das Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen bezieht sich nur auf öffentlich- rechtliche Namensänderungen durch Verwaltungsakt; für die Namensänderungen, die eine Folge familienrechtlicher Tatbestände sind, bleiben weiter die Vorschriften des BGB maßgebend (§ 10 des Entwurfs). Die öffentlich-rechtliche Namensänderung ist bisher landesrechtlich geregelt. Sachlich stimmen die landesrechtlichen Vorschriften darin überein, daß jede Namensänderung von einer behördlichen Genehmigung abhängig, eine eigenmächtige Namensänderung daher verboten ist. Durch eine Anordnung des Reichsministers des Innern an die Länderregierungen ist seit dem Jahre 1934 auch sichergestellt, daß in allen Ländern bei der Entscheidung die gleichen sachlichen Gesichtspunkte zugrunde gelegt werden. Ferner ist durch Art. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des Dritten Gesetzes zur Überleitung der Rechtspflege auf das Reich vom 18. März 1935 (RGBI. I S. 381) in organisatorischer Hinsicht festgelegt worden, daß die Bearbeitung der öffentlich-rechtlichen Namensänderungen in den Ländern, in denen sie bisher den obersten Landesjustizbehörden übertragen war, auf die obersten Landesbehörden der inneren Verwaltung überging. Es sind aber noch eine Reihe von z. T. wesentlichen Unterschieden der landesrechtlichen Vorschriften bestehengeblieben; insbesondere liegt in einigen Ländern die Bearbeitung der Namensänderungen in der unteren Instanz noch den Gerichten ob, während in dem größten Teil des Deutschen Reichs hierfür Verwaltungsbehörden zuständig sind.

Im Hinblick auf die Bedeutung, die der Namensführung als Kennzeichnung der gerade im Dritten Reich bedeutsamen Sippenzugehörigkeit beizumessen ist, erscheint eine einheitliche Regelung der öffentlich-rechtlichen Namensänderungen sowohl in sachlicher wie in organisatorischer Hinsicht angezeigt. Dabei werden zweckmäßig zwei Punkte mit geregelt, die praktisch in letzter Zeit eine nicht unerhebliche Bedeutung gewonnen haben. Einmal ist es erforderlich, eine Möglichkeit zu schaffen, frühere Namensänderungen, die nach den heutigen Auffassungen unerwünscht sind, zu widerrufen (vgl. § 7 des Entwurfs). Damit soll insbesondere erreicht werden, daß Juden, deren jüdische Namen in deutsche Namen geändert sind, den früher geführten Namen wieder annehmen müssen. Weiter aber hat sich in Fällen, in denen zweifelhaft ist, welchen Namen jemand zu führen hat, ein Bedürfnis herausgestellt, diesen Namen mit allgemein verbindlicher Wirkung festzulegen (vgl. § 8 des Entwurfs); die bisher gegebenen Möglichkeiten, diesen Namen auf dem Umweg über ein Berichtigungsverfahren gemäß §§ 65, 66 des Personenstandsgesetzes (a[lter] Fassung]) oder in einem Rechtsstreit gemäß § 12 BGB feststellen zu lassen, haben sich als unzureichend erwiesen. []

Zu §7
§ 7 gibt die bisher nicht vorhandene Möglichkeit, unerwünschte Namensänderungen, die vor der Machtergreifung genehmigt worden sind, zu widerrufen. Dadurch ist insbesondere die Handhabe gegeben, die zu Tarnungszwecken erfolgte Annahme deutscher Namen durch Juden rückgängig zu machen. Die Zahl solcher Fälle ist allerdings geringer, als gemeinhin angenommen zu werden pflegt. So sind z. B. in Preußen derartige Namensänderungen in der hierfür in erster Linie in Betracht kommenden Zeit von November 1918 bis zur Machtergreifung in etwa 600 Fällen genehmigt worden, an denen rund 2.000 Köpfe beteiligt waren. Gleichwohl erscheint es im völkischen Interesse unumgänglich, die Möglichkeit zum Widerruf dieser Namensänderungen zu schaffen, zumal einzelne Fälle auch nicht unerhebliches Aufsehen erregt haben. Die Widerrufsmöglichkeit auf Namensänderungen zu beschränken, die in der Nachkriegszeit genehmigt worden sind, erscheint nicht angezeigt. Es kann nicht darauf verzichtet werden, unter Umständen auch frühere Namensänderungen rückgängig zu machen. Der Widerruf einer Namensänderung erstreckt sich auf alle Personen, die ihren Namen von einem Vorfahren ableiten, dessen Namen geändert worden ist. Es ist dabei nicht erforderlich, daß dieser noch lebt. Inwieweit von der Widerrufsmöglichkeit im Einzelfall Gebrauch zu machen ist, wird dem politischen Ermessen des für den Widerruf zuständigen Reichsministers des Innern überlassen bleiben müssen. Im Interesse der Rechtssicherheit ist als Endtermin der 31. Dezember 1940 gesetzt. In der bis dahin zur Verfügung stehenden Zeit können die in Betracht kommenden Fälle in ausreichendem Maße überprüft werden. []

Zu § 12
Bisher bestehen besondere Vorschriften über die Führung von Vornamen nicht. Es ist lediglich festgelegt, daß Vornamen von deutschen Staatsangehörigen grundsätzlich in deutscher Sprache in die Personenstandsregister einzutragen sind, und daß unanständige, sinnlose oder lächerliche Vornamen nicht verwendet werden dürfen. § 12 gibt dem Reichsminister des Innern die Befugnis, Vorschriften über die Führung von Vornamen zu erlassen. Dadurch ist vor allem die Möglichkeit geschaffen worden, die Juden auf die Wahl von jüdischen Vornamen zu beschränken. Soweit Juden zur Zeit nichtjüdische Vornamen tragen, kann der Reichsminister des Innern die Änderung dieser Vornamen von Amts wegen veranlassen. Inwieweit und wann von dieser Befugnis Gebrauch gemacht wird, hängt im wesentlichen von politischen Erwägungen ab. Es ist dabei nicht zu verkennen, daß dieser Änderung auch verwaltungsmäßige Schwierigkeiten entgegenstehen, insofern als die Änderungen zu Schwierigkeiten bei der Identitätsfeststellung fuhren können und eine Berichti­gung aller amtlichen Listen, Register usw. erforderlich machen. Diese Schwierigkeiten können aber dadurch im wesentlichen ausgeräumt werden, daß an Stelle eines Austausches der vorhandenen Vornamen die zusätzliche Führung eines typisch jüdischen Vornamens (z.B. Israel) angeordnet wird, der bei jeder Unterschrift usw. mitverwendet werden muß.

Quelle: AdR IV, S. 578, in Bernd Sösemann (in Zusammenarbeit mit Marius Lange), Propaganda: Medien und Öffentlichkeit in der NS-Diktatur: eine Dokumentation und Edition von Gesetzen, Führerbefehlen und sonstigen Anordnungen sowie propagandistischen Bild- und Textüberlieferungen im kommunikationshistorischen Kontext und in der Wahrnehmung des Publikums, Band 1. Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2011, S. 484–85.