Quelle
Die Gefährdung und Kriminalität der Jugend findet ihren besonderen Ausdruck in der Bildung jugendlicher Cliquen und Banden. Namentlich seit Kriegsbeginn, vor allem aber nach Einsatz der Terrorangriffe mehren sich die Meldungen über Vereinigungen Jugendlicher, die teils kriminelle, teils aber auch politische oder weltanschauliche Tendenzen verfolgen:
[…]
In Gelsenkirchen war eine Bande von etwa 50 Jugendlichen bei Diebes- und Raubfahrten am Werke. Sie nannten sich »Edelweißpiraten«, hatten allabendlich ihre Zusammenkünfte und standen in Opposition zur HJ. Gleiche Beobachtungen wurden u.a. in Essen, Bochum und Wattenscheid gemacht. In Köln sind die Edelweißpiraten ebenfalls bekannt geworden. Sie trieben Propagandaaktion für die bündische Jugend und druckten Flugblätter.
Düsseldorf weiß von Edelweißpiraten zu berichten, die neben harmlosen Klingelpartien Straßenpassanten verprügelten. In einigen Fällen schmierten sie anderen Volksgenossen menschlichen Kot ins Gesicht. Die Überfälle auf HJ-Angehörige steigerten sich besonders.
Gleiche Verhältnisse zeigten sich z.B. in Leipzig. Dort bildete eine große Anzahl von Jugendlichen einen parteiähnlichen Zusammenschluß, um sich gegen die staatliche Jugenderziehung aufzulehnen und Angehörige der HJ zu mißhandeln.
In Wismar/Meckl. gründeten Jugendliche die Ringbande mit gleicher Zielsetzung. Sie beabsichtigten darüber hinaus Störung der Ruhe und Ordnung im Staat und waren bereit, bewaffnet gegen die Polizei vorzugehen. Im Falle der Revolution beabsichtigten sie, den
HJ-Streifendienst und die HJ-Führerschaft an Bäumen aufzuhängen. Ihre Einstellung war bewußt antideutsch.
In Düsseldorf druckte die Bande »Club der goldenen Horde« Plakate mit der Aufschrift: »Nieder mit Hitler – wir wollen die Freiheit«.
In Duisburg fielen die Edelweißpiraten oder Kittelsbachpiraten auf, die in Opposition zur HJ standen.
Schließlich liegen viele Berichte von illegalen Jugendvereinigungen vor, die im wesentlichen liberal mit deutlicher Blickrichtung zur »lässig-englischen« Lebensführung eingestellt sind. Hauptvertreten sind die sog. Swing-Cliquen, die namentlich in Hamburg besonders beobachtet werden konnten, aber auch in anderen Teilen des Reiches, so z.B. in Dresden und Wien, auftreten.
2. Dieser Ausschnitt allein genügt, um zu erkennen, daß wir drei verschiedene Arten von Cliquen und Banden vor uns haben.
a) Die politisch-oppositionellen Cliquen,
b) die
liberalistisch-individualistischen Cliquen,
c) die
kriminell-asozialen Banden.
Die Entwicklung zeigt deutlich, daß sie zunächst in Großstädten auftraten, sich aber dann auch aufs Land (annehmbar durch Evakuierungsmaßnahmen) verlagert haben.
Um eine wirksame Bekämpfung dieses Unwesens zu gewährleisten, ist zunächst die Untersuchung darüber erforderlich, wie es zu diesen Cliquen und Banden gekommen ist, nach welchen Eigengesetzen sie leben und ob und welche Gefahren sie für den Staat und die Jugenderziehung bilden.
Zu a): Politisch-oppositionelle Cliquen
Diese Vereinigungen leiten zum Teil ihren Ursprung von der sog. bündischen Jugend ab. Es ist deshalb erforderlich, einen kurzen Blick auf die früheren Jugendbewegungen zurückzuwerfen. Um die Jahrhundertwende entstand eine Jugendbewegung, die aus der Sehnsucht entsprang, sich gegen die bürgerliche Verflachung des wilhelminischen Zeitalters zu wehren und der Jugend durch die Natur ein wirkliches Erleben zu vermitteln. Dieser an sich gute Gedanke wurde im Laufe der Zeit von einer jugendlichen Eigenständigkeit überwuchert, die bald die Trennung der Jugend vom Volksganzen vollzog. Es wurde eine Vielzahl von Organisationen geschaffen, die jede in ihrer eigenen Ideenwelt und als Bund über das Jugendalter hinaus wirken sollte. Während die HJ die Jungens und Mädels zu tüchtigen Volksgenossen erziehen und zur Gemeinschaft zuführen will, bezweckten jene Bünde gerade ein Sonderleben außerhalb der Volksgemeinschaft. Ihr Bund war ihr Leben, gab ihnen den alleinigen Lebensinhalt. Sie redeten der Männerfreundschaft das Wort und förderten dadurch in erschreckendem Maße die Homosexualität in den Reihen der kritiklosen Jugend. Anstelle der Gemeinschaftserziehung wählten sie das Prinzip der Auslese und setzten sich die Sonderbündelei oder den Schicksalsbund zum Ziel. Der Junge selbst hatte, wodurch sich der erhebliche Zuspruch erklärte, das befriedigende Gefühl, eine eigene Weltanschauung – die genau gesehen höchst unklar war – zu besitzen. Darüber hinaus blieb das Erlebnis der bündischen Jugend in einer falschverstandenen Romantik hängen, die zum Teil in ein wildes Räuberdasein oder schließlich im Strichjungentum ausartete. Nach dem Umbruch wurden die bündischen – konfessionellen und politisch gegnerisch eingestellten Jugendverbünde aufgelöst oder eingeschmolzen. Bald kam es aber wieder zu einer größeren Anzahl wilder Cliquenbildung, die als illegale Nachfolger bündischer Gruppen gelten mußten.
Zu ihrer Bekämpfung wurde von der Reichsjugendführung eine besondere Zentralstelle »West« mit dem Sitz in Düsseldorf errichtet, die von 1937 bis 1938 bestand. Mit Ausbruch des Krieges stieg die Entwicklung erneut an. Die politisch-oppositionellen Gruppen sammelten sich zumeist um bündische oder marxistische Elemente und erfaßten im wesentlichen Jugendliche, die der HJ bisher nicht angehört hatten oder aus der HJ ausgeschieden waren. Daraus erklärt sich zum Teil die HJ-feindliche Einstellung.
Die bekannteste politisch-oppositionelle Gruppe ist die der Edelweißpiraten. Ihren Ausgangspunkt haben sie im Westen, namentlich in Köln und Düsseldorf genommen, haben sich aber bereits über weite Gebiete des Reichs erstreckt. Der Kölner Jugendrichter hat kürzlich in einem Bericht ihre Entwicklung und ihr äußeres Erscheinungsbild gekennzeichnet. Sie tragen das Edelweißabzeichen auf oder unter dem linken Rockaufschlag oder aber bunte Stecknadeln in der Farbe des Edelweißes oder in schwarz, rot und gelber Farbe. Soweit sie der HJ angehören, finden sich diese Abzeichen auch offen oder versteckt an der Uniform. Häufig sieht man auch das Totenkopfabzeichen. Die vorschriftsmäßige Kluft der Edelweißpiraten ist: Kurze Hose, weiße Umlegesocken, kariertes Hemd, weißer Pullover und Schal sowie Windjacke. Hinzu kommen besonders lange Haare. In der linken Socke wird ein Kamm, in der rechten ein Messer getragen. Soweit den Bünden Mädchen angehören, tragen diese neben weißen Umlegesocken weiße Pullover oder Kletterwesten. Namentlich in wärmeren Jahreszeiten ziehen sie zu Hunderten zu Fuß, mit dem Rad oder mit der Bahn nach außen. Sie unterscheiden Treffs und Fahrten. Meist täglich treffen sie sich in der Dunkelheit an Straßenecken, in Torwegen oder in Parks. Sie singen gemeinsame Lieder, die meist dem bündischen Gut entstammen oder sich mit russischen Sitten befassen, tauschen Fahrtenerlebnisse aus und berichten über Straftaten. Homosexualität kommt nur selten vor. Dafür üben sie mit den weiblichen Angehörigen den Geschlechtsverkehr aus. Die Jungens gehören überwiegend den Altersklassen von 14 bis 18 Jahren an. Es stoßen aber auch Halberwachsene und Erwachsene zu ihnen. Besonders die Führer, die sich meist als roh und intelligent auszeichnen, stammen aus früheren Bünden oder sind aus politischen Parteien hervorgegangen. Die Mitglieder haben vielfach einen Beruf nicht erlernt oder befinden sich in ständig wechselnden Arbeitsstellen. Häufig sind unter ihnen Arbeitsbummelanten anzutreffen. Die Organisation selbst ist in Gruppen aufgeteilt, deren Bezeichnung sich nach Straßen, Plätzen, Parks oder Bunkern richtet. Erstaunlich ist hierbei, daß zwischen den einzelnen Gruppen ein übereinstimmendes Erscheinungsbild zu erkennen ist. Der Schluß liegt nahe, daß eine Dachorganisation oder zumindest eine einheitliche Führung vorhanden ist, die die Richtlinien gibt. Gewißheit besteht hierüber jedoch nicht.
Die hier geschilderte Erscheinungsform zeigt sich in ihrer Struktur, wenn auch mitunter variiert, bei anderen Cliquen, die unter den verschiedensten Bezeichnungen auftreten, so z.B. Mob, Blase, Meute, Platte oder Schlurf. Sie lehnen sich meist an bündisches Gedankengut an, ohne es bewußt in sich aufzunehmen, und unterhalten zu anderen Cliquen mitunter Querverbindungen freundschaftlicher oder feindlicher Art.
Wie die oben angeführten Beispiele erkennen lassen, sind sie meist von einer HJ-feindlichen Einstellung getragen, hassen alles Disziplinierte und stellen sich somit gegen die Gemeinschaftsordnung. Sie sind aber nicht nur einseitig politisch-oppositionell (neuerdings steigert sich ihre Einstellung zum Teil bis ins staatsfeindliche hinein), sondern zufolge ihrer Zusammensetzung vielfach auch kriminell-asozial, so daß man zwischen beiden Bünden eine klare Trennungslinie oft nicht ziehen kann.
Zu b): Liberalistisch-individualistische Cliquen
Sie nehmen ihren Ursprung in Norddeutschland, namentlich in Hamburg. Die auffälligste Erscheinung unter diesen gefährdeten Gruppen ist die sog. Swing-Jugend, über die aus verschiedenen Teilen des Reiches berichtet wird. Ihren Ausgangspunkt hat sie in Hamburg. Diese Cliquen gehen vom Drang zum Amüsieren aus und nehmen fortlaufend einen ans Kriminell-Asoziale grenzenden Charakter an. Bereits vor dem Kriege schlossen sich in Hamburg Jungen und Mädchen zusammen, die mehr aus sozial bessergestellten Schichten stammten, auffällig lässige Kleidung trugen und für englische Musik und englischen Tanz schwärmten. Von der Flottbecker Clique wurden um die Jahreswende 1939-1940 geschlossene Tanzfeste veranstaltet, die von 5-600 Jugendlichen besucht wurden und sich durch einen hemmungslosen Swing-Betrieb hervorhoben. Nach dem Tanzverbot wurden Hausfeste veranstaltet, in denen vor allem sexuelle Ausschweifungen vorkamen. Die gesamte Lebensführung dieser Mitglieder kostete erhebliches Geld, welches sie sich durch strafbare Handlungen, insbesondere durch Diebstähle zu verschaffen suchten. Die Sucht nach englischer Tanzmusik und nach eigenen Tanzkapellen führte namentlich zu Einbrüchen in Musikaliengeschäften. Die Gier nach dem ihnen vornehm erscheinenden Leben in Klubs, Barbetrieben, Kaffeehäusern und Hausbällen verdrängte jeden Willen zu einer positiven Einstellung gegenüber den Zeiterfordernissen. Die Leistungen unserer Wehrmacht ließen sie unberührt, die Gefallenen wurden zum Teil verächtlich gemacht. Eine wehrfeindliche Einstellung ist hiernach deutlich erkennbar.
Nach außen hin treten die Mitglieder in an die englische Mode angelehnten Kleidern in Erscheinung. So tragen sie vielfach geschlitzte Jacken in schottischen Mustern und führen den Regenschirm mit sich. Als Abzeichen haben sie einen farbigen Frackhemdknopf im Rockaufschlag. Der Engländer wird von ihnen als die höchste Entwicklungsstufe betrachtet. Der falsch verstandene Begriff der Freiheit führt sie in Opposition zur HJ.
Diese Cliquen haben sich, zum Teil als Folgeerscheinung der Evakuierungsmaßnahmen, auch auf anderes Gebiet übertragen. So gab es z.B. in Frankfurt a.M. den Harlem-Klub, bei dem Hausbälle übelster Art an der Tagesordnung waren. Wechselnder Geschlechtsverkehr wurde auch von den jüngsten weiblichen Mitgliedern hingenommen. Alkoholische Ekzesse [sic] gaben diesen Festen, bei denen »geswingt« und »gehottet« wurde, das Gepräge.
Zu c): Kriminell-Asoziale Banden
Diese Vereinigungen zeigen keine Besonderheiten. Sie sind ein Zeichen typischer, zum Teil kriegsbedingter Verwahrlosung. Ihre Mitglieder setzen sich fast ausnahmslos aus Abkömmlingen erbbiologisch minderwertiger, asozialer Sippen zusammen. Ihre persönliche Note zeigt meist ein gleiches Bild: unbestraft, willensschwach oder aber sehr aktiv (Rädelsführer), ungeartet, die Gemütsseite wenig entwickelt, mitunter schwachsinnig oder psychopathisch. Verführte Jugendliche aus sozial besser gestellten Schichten mit guten Gaben findet man so gut wie gar nicht unter ihnen. Bewußte weltanschauliche Ziele kennen sie nicht. Sie scharen sich kritiklos um einen Anführer, dem sie sich mitunter völlig unterwerfen.
Ursachen der vermehrten Cliquenbildung
Der Zuspruch zu den kriminell-asozialen Gruppen ist, wie bereits erwähnt, im wesentlichen darauf zurückzuführen, daß der Krieg die mangelnde Beaufsichtigung und Beobachtung kriminell besonders anfälliger Jugendlicher verursacht und sie den infizierenden Umwelteinflüssen in größerem Maße ausgesetzt sind.
Der Zuspruch zu den politisch-oppositionellen und liberalistisch-individualistischen Cliquen hat darüber hinaus andere Ursachen:
a) Die nicht einsatzfreudige Jugend ist sich viel selbst überlassen. Der HJ-Dienst wird möglichst versäumt. Begünstigt durch Verdunkelungsmaßnahmen, treffen sie sich auf den Straßen oder in den Parks, haben ein Musikinstrument zur Hand und bilden bald eine Gruppe, zu deren Fortentwicklung jeder etwas beiträgt. Es zeigt sich ein als Pubertätserscheinung zu wertender Trieb zum Gemeinschaftserlebnis, der durch den HJ–Dienst nicht befriedigt wird. Hinzu kommt, daß der HJ-Dienst nicht mehr in der Vertiefung abgehalten werden kann, wie es vor dem Kriege der Fall war. Die meisten Führer sind bei der Wehrmacht. Die Einheiten werden oft nur von Jugendlichen geführt, die gleichaltrig sind und nicht immer Führerqualitäten besitzen. Der Dienst selbst bietet wenig Neues. Der in jedem Jungen schlummernde Sinn für Romantik bleibt ohne Betätigung, zumal da die HJ aus Kriegsnotwendigkeiten bislang Fahrten nicht mehr unternahm. Daher zogen ältere, erfahrene Kameraden, die eine bündische Lebenshaltung verrieten, die Jugendlichen leicht an. Zunächst kam es nur zu kleinen Treffs, dann aber zwanglos zu Fahrten, die die Jugendlichen innerlich so erfaßten, daß sie nunmehr den HJ-Dienst insgesamt verneinten.
b) Das Bestreben zur Selbständigkeit, welches bei gewissen Altersstufen in der Natur begründet liegt, kann durch das Elternhaus nicht in vernünftige Bahnen gelenkt werden, da der Vater meist im Felde steht, die Mutter aber dienstverpflichtet oder zu schwach ist, dem Treiben mit Nachdruck begegnen zu können.
c) Von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist das Arbeitsproblem. Der Einsatz des Jugendlichen an einer seinen Neigungen nicht entsprechenden Arbeitsstelle sowie die an den Jugendlichen gestellten hohen Anforderungen zeigen bei ihm Unlust – oder Ermüdungserscheinungen, die zur Arbeitsbummelei führen. Dadurch gerät er mit Kreisen in Berührung, die ihn zum Schlechten hin beeinflussen. Der Verkehr mit ausländischen Arbeitern am Arbeitsplatz trägt dazu bei, im Jugendlichen liberalistische Wunschträume aufkommen zu lassen, deren Erfüllung er in der Verbindung mit gleichgesinnten Kameraden sucht.
d) Wie der Kölner Jugendrichter betont, wird durch einen Umstand der Gegensatz zur HJ besonders gesteigert. Solange der Schutzmann in Erscheinung tritt, wenn es gilt die Einhaltung staatlicher Maßnahmen, insbesondere der PolizeiVO zum Schutze der Jugend zu überwachen, kommt es im allgemeinen nicht zu Zwischenfällen. Der HJ-Streifendienst und die Jugenddienstpflicht brachten aber einen neuen Gesichtspunkt. Denn diejenigen, die Disziplin und Ordnung forderten, und die Fahrten unterbinden wollten, waren Altersgenossen. So kam es bald zu Schlägereien zwischen Cliquenangehörigen und dem HJ-Streifendienst, zu Zerstörungen und Beschädigung der HJ–Heime und schließlich zur Verfolgung einzelner Hitlerjungen. Hierin liegt zum Teil die Wurzel zur oppositionellen Einstellung gegen die Hitlerjugend und damit gegen den Staat. Bei manchen Zusammenschlüssen sprechen allerdings auch bolschewistische Erwägungen mit, die – von einem Anführer ausgestreut – bald einen reichen Nährboden finden.
e) Soweit sexuelle Verwahrlosung in Erscheinung tritt, ist diese meist in der mangelnden Betreuung durch das Elternhaus und somit in dem freien Verkehr unter den Jugendlichen begründet.
f) Eine besondere Verschärfung der illegalen Zusammenschlüsse brachten die Terrorangriffe. In der Freizeit besteht außerhalb des Kriegseinsatzes der HJ kaum noch eine Betätigungsmöglichkeit. Kinovorstellungen, Sportveranstaltungen und Sport ruhen in schwerbeschädigten Städten. Kommen die Jugendlichen abends müde von der Arbeit, so empfängt sie eine beschädigte Wohnung oder aber eine durch fliegergeschädigte Angehörige allzu beengte Behausung. Dann sucht sich der Jugendliche Gesellschaft, die ihm Freude bringt, die ihn aufheitert und Abwechslung verschafft. Soweit sie noch den Dienst in der HJ mitmachten, so ändert sich dies auch. Die HJ-Heime sind zerstört, der Dienst ist auf die Straße oder den Übungsplatz verwiesen.
Was die asozialen und kriminellen Jugendlichen anlangt, so werden sie durch die Terrorangriffe in noch weiterem Umfang zum Verbrechen getrieben. Ist die Arbeitsstelle zerstört, so arbeiten sie eine Zeitlang nicht, leben vielfach ohne Angehörige, treiben sich in Bunkern herum und stoßen so zwangsläufig zu den ihnen artverwandten Altersgenossen. Hierdurch erwächst eine negative Auslese, die sich allmählich zum Mittelpunkt dieser Jugendgruppen macht.
Bekämpfung
Das Cliquen- und Bandenunwesen veranlaßte die Reichsjugendführung und die örtlichen Führungsstellen der HJ, in größeren Aktionen in Zusammenarbeit mit Sicherheitspolizei und Justiz gegen die Bandenbildung einzuschreiten. […]
Zur Auswahl der gerichtlichen Maßnahmen sei kurz gesagt, daß zunächst unterschieden werden muß zwischen Führern, aktiven Teilnehmern und schließlich passiven Mitläufern. In leichteren Fällen kann eine Verwarnung, mitunter auch Jugendarrest ausreichend sein. Man muß sich aber davor hüten, eine größere Gruppe Jugendlicher in einem Verfahren in Bausch und Bogen zu Jugendarrest zu verurteilen. Dies stärkt lediglich das Solidaritätsgefühl und schweißt die Jugendlichen noch fester zusammen.
Die Einweisung in ein Arbeitserziehungslager auf die Dauer bis zu 3 Monaten wird in Fällen, in denen der Jugendliche nicht kriminell in Erscheinung getreten ist, dann eine zweckmäßige Maßnahme bilden, wenn ein Verwahrlosungsbeginn vorliegt. Bei tiefer verwurzelter Verwahrlosung ohne kriminelle Neigung wird die Anordnung der FE erforderlich sein. Mit allem Nachdruck muß aber betont werden, daß die Führer der Cliquen und Banden und die hervorgehobenen aktiven Mitläufer nur durch schärfste Strafen erzogen bzw. von der Fortführung der Banden abgehalten werden. Eine unangebrachte Milde ist hier nicht am Platze. Namentlich bei kriminellen Gruppen wird die unbestimmte Verurteilung eine geeignete Maßnahme bilden. Als letztes Mittel kommt die Einweisung in ein polizeiliches Jugendschutzlager in Frage.
Quelle: Bundesarchiv Koblenz R 22/1177, Bl. 441–451, abgedruckt in Karl Heinz Jahnke und Michael Buddrus, Deutsche Jugend 1933–1945. Eine Dokumentation. Hamburg: VSA Verlag, 1989, S. 463–68.