Kurzbeschreibung

Wie in jedem Staat gab es auch im NS-Deutschland Gesetze über Verrat, welche die Übermittlung von Staatsgeheimnissen an eine ausländische Macht oder die direkte Verschwörung gegen den Staat unter Strafe stellten. Im Gegensatz zu vielen anderen Staaten war die am 24. April 1934 kodifizierte nationalsozialistische Rechtsdefinition von Verrat jedoch bewusst weit gefasst. Die Mindeststrafen für Aktivitäten wie die Fälschung von Dokumenten reichten von fünf Jahren Zwangsarbeit bis hin zum Tod. Das Gesetz beinhaltete die Vorbereitung von Verrat, was den bloßen Besitz von Anti-NSDAP-Faltblättern beinhalten konnte, wenn man solche Materialien nicht sofort den Behörden übergab. Das Gesetz sah sogar vor, dass die Weitergabe von Staatsgeheimnissen, die der Öffentlichkeit bereits bekannt waren, trotz der weit verbreiteten Kenntnis dieser Geheimnisse ebenfalls Verrat darstellte und den gleichen Strafen unterlag. Diese bewusst vagen Rechtsgrundsätze hatten schwerwiegende Auswirkungen auf die Pressefreiheit und das Recht des einzelnen Bürgers auf freie Meinungsäußerung und bürgerliche Freiheiten, da eine solche vage Definition theoretisch fast alle Handlungen umfassen konnte, die dem Staat missfielen.

Gesetz zur Änderung des Strafrechts und des Strafverfahrens (24. April 1934)

Quelle

Artikel I
Im Zweiten Teil des Strafgesetzbuchs wird der erste Abschnitt (§§ 80 bis 93) durch folgende Vorschriften ersetzt:

1. Abschnitt
Hochverrat

§ 80
[1] Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt das Reichsgebiet ganz oder teilweise einem fremden Staat einzuverleiben oder ein zum Reiche gehöriges Gebiet vom Reiche loszureißen, wird mit dem Tode bestraft.
[2] Ebenso wird bestraft, wer es unternimmt mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt die Verfassung des Reichs zu ändern.

§ 81
Wer es unternimmt, den Reichspräsidenten oder den Reichskanzler oder ein anderes Mitglied der Reichsregierung seiner verfassungsmäßigen Gewalt zu berauben oder mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt oder mit einem Verbrechen oder Vergehen zu nötigen oder zu hindern, seine verfassungsmäßigen Befugnisse überhaupt oder in einem bestimmten Sinne auszuüben, wird mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren bestraft.

§ 82
[1] Wer ein hochverräterisches Unternehmen (§§ 80, 81) mit einem anderen verabredet, wird mit dem Tode oder mit lebenslangem Zuchthaus oder mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren bestraft.
[2] Ebenso wird bestraft, wer zur Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens zu einer ausländischen Regierung in Beziehung tritt oder die ihm anvertraute öffentliche Macht mißbraucht oder Mannschaften anwirbt oder in den Waffen einübt. Tritt der Täter durch eine schriftliche Erklärung zu einer ausländischen Regierung in Beziehungen, so ist die Tat vollendet, wenn er die Erklärung abgesandt hat.

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§ 87
Unternehmen im Sinne des Strafgesetzbuchs ist die Vollendung oder der Versuch.

1a. Abschnitt
Landesverrat

§ 88
[1] Staatsgeheimnisse im Sinne der Vorschriften dieses Abschnitts sind Schriften, Zeichnungen, andere Gegenstände, Tatsachen oder Nachrichten darüber, deren Geheimhaltung vor einer ausländischen Regierung für das Wohl des Reichs, insbesondere im Interesse der Landesverteidigung, erforderlich sind.
[2] Verrat im Sinne der Vorschriften dieses Abschnitts begeht, wer mit dem Vorsatz, das Wohl des Reichs zu gefährden, das Staatsgeheimnis an einen anderen gelangen läßt, insbesondere an eine ausländische Regierung oder an jemand, der für eine ausländische Regierung tätig ist, oder öffentlich mitteilt.

§ 89
[1] Wer es unternimmt, ein Staatsgeheimnis zu verraten, wird mit dem Tode bestraft.

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§ 90 f
Wer öffentlich oder als Deutscher im Ausland durch eine unwahre oder gröblich entstellte Behauptung tatsächlicher Art eine schwere Gefahr für das Ansehen des deutschen Volkes herbeiführt, wird mit Zuchthaus bestraft.

[]

§ 91 b
[1] Wer im Inland oder als Deutscher im Ausland es unternimmt, während eines Krieges gegen das Reich oder in Beziehung auf einen drohenden Krieg der feindlichen Macht Vorschub zu leisten oder der Kriegsmacht des Reichs oder seiner Bundesgenossen einen Nachteil zuzufügen, wird mit dem Tode oder mit lebenslangem Zuchthaus bestraft.

[]

Artikel III
Volksgerichtshof

§ 1
[1] Zur Aburteilung von Hochverrats- und Landesverratssachen wird der Volksgerichtshof gebildet.
[2] Der Volksgerichtshof entscheidet in der Hauptverhandlung in der Besetzung von fünf Mitgliedern, außerhalb der Hauptverhandlung in der Besetzung von drei Mitgliedern, einschließlich des Vorsitzenden. Der Vorsitzende und ein weiteres Mitglied müssen die Befähigung zum Richteramt haben. Es können mehrere Senate gebildet werden.
[3] Anklagebehörde ist der Oberreichsanwalt.

§ 2
Die Mitglieder des Volksgerichtshofs und ihre Stellvertreter ernennt der Reichskanzler auf Vorschlag des Reichsministers der Justiz für die Dauer von fünf Jahren.

§ 3
[1] Der Volksgerichtshof ist zuständig für die Untersuchung und Entscheidung in erster und letzter Instanz in den Fällen des Hochverrats [], des Landesverrats [], des Angriffs gegen den Reichspräsidenten [] und der Verbrechen nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat vom 28. Februar 1933. []

[]

§ 5

[]

[2] Gegen die Entscheidungen des Volksgerichtshofs ist kein Rechtsmittel zulässig.

Artikel IV

[]

§ 3
Die Wahl des Verteidigers bedarf der Genehmigung durch den Vorsitzenden des Gerichts. Die Genehmigung kann zurückgezogen werden; []

Quelle: Gesetz zur Änderung des Strafrechts und des Strafverfahrens vom 24. April 1934, Reichsgesetzblatt 1934, I, Nr. 47, 30. April 1934, S. 341–49. Online verfügbar unter: https://alex.onb.ac.at/cgi-content/alex?aid=dra&datum=1934&page=455&size=45