Kurzbeschreibung

Adolf Stoecker (1835–1909) war Hofprediger und Anführer der 1878 gegründeten, antisemitischen Christlich-Sozialen Arbeiterpartei. Die Partei wurde ursprünglich gegründet, um die arbeitenden Klassen vom Sozialismus abzubringen. Als die vorliegende Rede gehalten wurde, entwickelte die Bewegung sich bereits in Richtung einer vorwiegend antisemitischen Partei. Daher strich man das Wort „Arbeiter“ aus dem Parteinamen. Bis 1896, als Stoecker zum Verlassen der Konservativen Partei gezwungen wurde, war er größtenteils verantwortlich für die Anziehungskraft der Partei gegenüber den Wählern des Kleinbürgertums in Berlin und anderen deutschen Großstädten. Einige Zeitgenossen sprachen von ihm als Deutschlands „zweitem Luther.“ Andere verwiesen auf sein ungeheures (sogar „demagogisches“) Rednertalent und seine Fähigkeit, die Massen zu bewegen. In dem Textausschnitt unten stellt Stoecker seine erhebliche rhetorische Begabung unter Beweis. Er hält die Aufmerksamkeit seines Publikums aufrecht, indem er die „Forderungen“ seiner Partei an die Juden auflistet, von denen jede bewusst ironisch ist. Er ruft die Juden auf, „ein klein wenig bescheidener“ zu sein, „ein klein wenig toleranter“ und etwas mehr dem Prinzip der Gleichheit verpflichtet. Diese Rede spiegelt außerdem Stoeckers fortgesetztes Bemühen wider, seinen Anspruch auf die Spitzenposition unter konkurrierenden antisemitischen Führern anzumelden, indem er die „Judenfrage“ und die „soziale Frage“ miteinander verband. Die zugrunde liegende Ursache der „Bedrohung“ der christlichen Gesellschaft durch das Judentum war nach seinem Dafürhalten Deutschlands rasche Industrialisierung, der Triumph des dem Mammon ergebenen Kapitalismus, der Aufstieg eines klassenbewussten Proletariats und die Entfremdung der Arbeiter von der Kirche. Kurz gesagt bestand seine Lösung der „Judenfrage“ darin, dass die deutsche Gesellschaft dem Liberalismus abschwor und sich von neuem dem christlichen Glauben widmete.

Hofprediger Adolf Stoecker thematisiert den Antisemitismus in der Christlich-Sozialen Arbeiterpartei (19. September 1879)

  • Adolf Stöcker

Quelle

Die Judenfrage ist schon lange eine brennende Frage; seit einigen Monaten steht sie bei uns in hellen Flammen. Sie zehrt nicht vom religiösen Fanatismus, auch nicht von politischer Leidenschaft. Orthodoxe und Freigeister, Conservative und Liberale reden und schreiben über dieselbe mit gleicher Heftigkeit; sie alle behandeln das Judenthum nicht als einen Zankapfel confessioneller Unduldsamkeit, sondern als einen Gegenstand socialer Besorgniß. Die sociale Frage ist die Judenfrage, – schreibt Glagau. Wählt keinen Juden! – ruft W. Marr in einer dritten Broschüre, nachdem er in der ersten vom „Sieg des Judenthums über das Germanenthum“, in der zweiten von „dem jüdischen Kriegsschauplatz“ berichtet hatte. Finis Germaniae, zu Deutsch: Das Ende Deutschlands ist gekommen – schließt er in höchster Erregung seinen Aufruf an unser Volk. Nun, so nahe glauben wir das Sterben des deutschen Geistes noch nicht. Völker können wiedergeboren werden wie einzelne Menschen; auch Deutschland, auch Berlin wird wieder genesen und von dem fremden Geiste sich losmachen.

Aber Krankheitssymptome sind da; sociale Uebele stände liegen unserm Volkskörper in allen Gliedern, und social-Feindschaft ist nie ohne Grund. Christen wie Juden muß es eine ernstliche Sorge sein, daß aus der Gegnerschaft kein Haß werde. Denn schon zuckt es hier und da wie das Wetterleuchten eines fernen Gewitters. Aber sehr merkwürdig ist, daß die jüdischliberalen Blätter nicht den Muth haben, auf die Klagen und Anklagen ihrer Angreifer zu antworten. Sonst erfinden sie den Skandal, wenn es keinen giebt; an den Predigten in unseren Kirchen, wie an den Verhandlungen unserer kirchlichen Versammlungen wetzen sie ihre giftigen Federn; aber die Judenfrage suchen sie todt zu schweigen und vermeiden es durchaus, ihre Leser von jenen unangenehmen Stimmen irgend Etwas hören zu lassen. Sie hüllen sich in den Schein, als verachteten sie ihre Gegner, als hielten sie dieselben keiner Antwort werth. Es wäre richtiger, von den Feinden zu lernen, die eigenen Schäden zu erkennen und gemeinsam an der socialen Versöhnung zu arbeiten, die uns so nothwendig ist.

In dieser Absicht möchte ich die Judenfrage behandeln, in voller christlicher Liebe, aber auch in voller socialer Wahrheit.

Gelegentliche Aeußerungen über dies Thema sind aus den christlich-socialen Versammlungen oft aus Parteizwecken in das große Publikum getragen; immer entstellt, übertrieben, vergiftet. Die Reporter gewisser Blätter, eine Schande für die Stadt der Intelligenz, sind ebenso unwissend als unwahr; Vieles fälschen sie aus Unverstand, das Meiste aus Bosheit. Ein Vorgang, der sich im vorigen Jahr zutrug, ist lehrreich und charakteristisch. Während meiner Abwesenheit war in unseren Versammlungen mehr als nöthig über die Juden geredet; die Judenpresse schrieb, die Christlich-Socialen seien vom Judenhaß beseelt und drängten zur Judenverfolgung. Ich kam zurück und ergriff die Gelegenheit öffentlich und feierlich zu erklären: Wir hassen Niemand, wir hassen auch die Juden nicht; wir achten sie als unsere Mitbürger und lieben sie als das Volk der Propheten und Apostel, aus welchem unser Erlöser hervorgegangen ist, aber das darf uns nicht abhalten, wenn jüdische Blätter unseren Glauben antasten und jüdischer Mammonsgeist unser Volk verdirbt, diese Gefahr zu kennzeichnen. Diese Erklärung wurde von Neuem verdreht; das ganze Elend Deutschlands – sollte ich gesagt haben – komme von den Juden. Eine Fluth von Zuschriften hagelte auf mich hernieder. Ein Berliner Jude, dessen Namen ich kenne, schrieb an mich, sein Volk sei der Favorit Gottes und wenn Christen ihre Liebe zu dem auserwählten Volke erklärten, so sei das nichts anderes, als wenn Buhlerinnen – ich will dies anständigere Wort gebrauchen – vornehmen Edelleuten ihr Herz schenkten. Ein zweiter schickte „verachtungsvoll dem bornirten Judenhetzer“ eine Schrift, in welcher ein ungläubiger getaufter Schriftsteller die Verdienste der Juden um die Wissenschaften im Mittelalter beschreibt und übertreibt. Ein Dritter aus Frankfurt a/M. beglückwünschte mich zu dem offenen Aussprechen des deutschen Schadens und unterschrieb sich: leider ein Jude.

Diese an sich unbedeutende Begebenheit ist ein recht deutliches Beispiel der Lüge, des Hochmuths und des Hasses, welche die Judenfrage bei jeder Besprechung derselben verwirren. Menschen, welche mit ihrer ätzenden Kritik Staat und Kirche, Personen und Sachen übergießen, sind höchst erzürnt, wenn ein Anderer sich erlaubt, auf das Judenthum auch nur einen prüfenden Blick zu werfen. Sie selbst überfallen jedes nicht jüdische Bestreben mit Haß und Hohn; sagt man über sie und ihr Treiben ein leises Wort der Wahrheit, so spielen sie die beleidigte Unschuld, die gekränkte Toleranz, die Märtyrer der Weltgeschichte. Trotzdem will ich es wagen, heute Abend über das moderne Judenthum offen und frei meine Meinung zu sagen. Auf lügenhafte Berichte bin ich von vorn herein gefaßt.

In der That erscheint mir das moderne Judenthum als eine große Gefahr für das deutsche Volksleben. Damit meine ich weder die Religion der Altgläubigen, noch die Aufklärung der Reformer. Das orthodoxe Judenthum, diese Verknöcherung des Gesetzes, das Alte Testament ohne Tempel, ohne Priester, ohne Opfer, ohne Messias, hat für die Kinder des neunzehnten Jahrhunderts weder Anziehungskraft noch Gefahren. Es ist eine im innersten Kern abgestorbene Religionsform, eine untere Stufe der Offenbarung, ein überlebter Geist, noch immer ehrwürdig, aber durch Christum aufgehoben und für die Gegenwart keine Wahrheit mehr. An religiöser Bedeutung ist das Reformjudenthum noch geringer. Es ist weder Judenthum noch Christenthum, sondern ein dürftiges Ueberbleibsel der Aufklärungsepoche. [] Beide Parteien rühmen freilich, daß die Juden für die Welt und Menschheit Träger der höchsten religiösen und sittlichen Ideen seien, und daß die Mission des Judenthums für jetzt und alle Zukunft darin bestehe, jene Ideen festzuhalten, weiter zu entwickeln und auszubreiten. Die jüdische Presse von rechts und links ist darin ganz einig; der Weihrauch der darüber aus den Synagogen beider Richtungen aufsteigt, ist geradezu sinnberauschend. []

S. Meyer, Redacteur der „Jüdischen Presse“ schreibt: „Wir dürfen die unbestrittene Thatsache, daß alle die hohen Ideen, auf denen die sittliche Weltordnung beruht, die den Intelligenzgehalt auch der modernen Cultur und Civilisation und die Grundlage wahrer Menschenliebe bilden, dem Judenthum entstammen, nicht in Frage ziehen lassen. – Alles Gute in den Evangelien ist nicht neu, sondern stammt aus dem Judenthum, und alles Neue ist nicht gut.“

Ganz ähnlich schreibt Dr. Adler. – „Die Religion Israels ist die ewige unveränderliche Wahrheit; Christenthum und Islam sind Vorstufen, welche die Wahrheit erklimmen mußten, ehe ihr die ganze Wahrheit zugänglich werden konnte“, nicht der orthodoxe Israelit; und der Reformrabbiner Nascher fällt in den Chorus ein: „Israels Sendung und Begabung ist, ein Leuchtthurm zu sein auf dem Gedankenmeere der Menschheit. Ihr seid berufen – sagt der eitle Mann zu seinen eitlen Zuhörern in einer Predigt – wie die Sterne zu leuchten der Gesammtheit eurer Mitmenschen.“ []

Hier stellen wir unsere erste Forderung und bitten: ein klein wenig bescheidener! Wir leugnen nicht, daß Israel die Erkenntniß des persönlichen, einigen Gottes durch das Alterthum wie eine heilige Flamme getragen hat, bis Christus kam und den vollkommeneren Glauben, den reicheren Gottesbegriff und die höhere Wahrheit brachte. Aber es ist doch eine historische Thatsache, daß das Volk Israel immer und immer in den gröbsten Götzendienst zurückfiel, daß Gott nur durch die Sendung gewaltiger Persönlichkeiten den Abfall auf kurze Zeit dämpfen konnte. Israels Verdienst ist es wahrlich nicht, daß die Lehre von dem einigen Gott der Welt erhalten blieb, sondern Gottes Gnade. Ebenso ist es unzweifelhaft, daß die Gedanken der Religionsfreiheit, der Toleranz in dem modernen Sinne nicht zu dem Charakter des Alten Testaments gehören. Wer den Sabbath brach, wurde gesteinigt; die Baalspriester wurden geschlachtet. Es gehörte dies zu der Eigenthümlichkeit der gesetzlichen Anstalt; wir sind fern davon, dem Alten Testament daraus einen Vorwurf zu machen. Aber es ist doch durchaus irrig, wenn die Juden Ideen, die ihrer Religion in der historischen Form gänzlich unbekannt sind, für sich in Anspruch nehmen. Dabei wissen sie, daß sie eine Priesterkaste hatten – gewiß das Gegentheil der Gleichheit –, daß sie die Sclaverei übten – gewiß das Gegentheil der Freiheit – daß sie die Vielweiberei pflegten – gewiß das Gegentheil idealen Familienlebens. Erst das germanisch-christliche Leben hat diesen Mißständen abgeholfen. Es ist wahr, Israel hatte eine erleuchtete wirthschaftliche Gesetzgebung: sociale Eigenthumsformen, Verbot des Zinses, höchste Barmherzigkeit gegen die Armen. Aber wir brauchen diese Dinge nur zu nennen, um den furchtbaren Abstand zwischen dem Alten Testament und dem modernen Judenthum zu fühlen. Nur das deutsche Recht hat den Begriff des gemeinschaftlichen Besitzes geschirmt, nur die christliche Kirche hat das Zinsverbot ausgesprochen; gerade hier liegen die Fehler und Sünden des modernen Judenthums vor Aller Augen.

Und zugegeben einmal, daß jene hohe Mission wirklich Israels dauernde Aufgabe ist, wer sind denn die vom Geiste Gottes glühenden Denker und Dichter, welche den lebendigen Gott verkünden, preisen, zu Ehren bringen? Etwa die Redacteure des Tageblatt? Oder die Gelehrten des Kladderadatsch? Wo ist die Prophetenschule heiligen Geistes, in welcher die Jünglinge gebildet werden zu jener Weltmission? Wo sind die Stationen? Wo sind die Missionare? Etwa an den Börsen in Berlin, Wien und Paris? O nein, solche Thorheiten muß man den Juden nicht sagen. Eben das ist ihr Verhängniß, daß sie, an Christo gescheitert, ihren göttlichen Curs verloren, ihre hohe Mission preisgegeben haben und nach dem schneidigen Entweder – Oder des Herrn Jesu: „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon“ – den Götzen des Goldes nachlaufen, weil sie die Wege Gottes versäumt haben.

[]

Zuweilen kommt ein Strahl der Erkenntniß von der eigenen Misère auch über die jüdischen Schriftsteller selbst []. Die reformerische israelitische Wochenschrift findet es doch der Mühe werth, ihren Lesern den Vers vorzulegen:

Ueberall, wo es gilt zu sehen und zu hören,
Scheint die Zahl der Juden sich täglich zu mehren.
In Promenaden, Theatern, Concerten und Bällen,
Siehst du meist Juden in allen Fällen.
Willst du wo mehr Christen als Juden sehn,
Mußt du Freitag Abend in die neue Synagoge gehn.

„Ganz sicher ist es, daß in Berlin nicht ein Viertel, wahrscheinlich, daß kaum ein Zehntel der jüdischen Gymnasiasten und Realschüler, wenn sie über 13 Jahre alt sind, ein Wort von Religionslehre hören.“ Die Moralität bleibt auf den Satz beschränkt: „was das Strafgesetz nicht verbietet, oder der Strafrichter nicht erreichen kann, ist erlaubt, nützlich, klug.“ Diese jüdischen Stimmen datiren vom Jahre 1871; es ist heute noch viel schlechter geworden. Die Juden bekämpfen unseren Glauben, aber sie wissen ganz gut, daß der Mensch ohne Religion nicht sein kann. []

Alles Dies hat wohl zusammengewirkt, um die Juden, besonders die jüdischen Zeitungsschreiber, auf einen Grad von Intoleranz zu heben, der nachgerade unerträglich wird. In vollem Ernste lautet unsere zweite Bitte an die jüdische Presse: ein klein wenig toleranter! Wir wollen nicht wie viele Andere, die über dies Thema geschrieben haben, den Talmud mit seiner Verachtung fremder Völker, mit seinem Haß gegen jedes Menschenrecht citiren. Wir glauben, daß man die heutige Judenschaft in ihrer Gesammtheit nicht für Bücher verantwortlich machen kann, die vor Jahrtausenden geschrieben sind. Wir müßten ebenso den Katholiken alle Ketzerverfolgungen und Inquisitionsprozesse anrechnen, die doch auch von keinem Papste jemals als ein Unrecht widerrufen sind. Auch ist darin in der That eine Aenderung eingetreten. Obwohl die strengen Juden noch heute den Talmud als ebenso unfehlbar wie das Gesetz annehmen, obwohl einige unbesonnener Weise erklären, daß ihnen der ganze Talmud, also auch die vielen rachsüchtigen und wilden Stellen desselben, heilig sei, so ist doch offenbar durch das langjährige Zusammenwohnen mit den Christen, durch die mancherlei geschäftlichen Beziehungen, durch den milderen Geist der Zeit in der Synagoge der Christenhaß mehr und mehr gewichen.

Der officielle Haß hat aufgehört; [] Aber in der Judenpresse athmet ein Haß gegen das Christliche, der den tiefsten Abscheu verdient. Da in unseren Zeitungen und Journalen die Artikel nicht unterzeichnet werden, so könnte man uns erwidern, es sei gar nicht zu constatiren, daß die christenthumsfeindlichen Aufsätze von Juden herrühren. Wir wissen sogar, daß genug getaufte Schreiber in den Redactionen sich finden, welche das traurige Amt üben, ihre Kirche zu schmähen. Aber es ist eine Thatsache, daß die schlimmsten Berliner Zeitungen in den Händen von Juden sind und daß in dem Redactionspersonal das jüdische Element eine Alles beherrschende Rolle spielt. Vollkommen beweisend aber ist der Umstand, daß die religiösen Streitigkeiten der jüdischen Parteien kaum je erwähnt, die Härten der jüdischen Altgläubigkeit nie berührt, die literarischen Angriffe gegen die Juden nie besprochen werden. Nie wird das orthodoxe Judenthum angegriffen; es kann die confessionslose Schule verwerfen und den ungetrauten Ehepaaren die Excommunication androhen: – kein liberales Blatt nimmt davon Notiz. Kommt dergleichen in christlichen Versammlungen vor, so fällt die Preßmeute mit scheinbarem Wuthgeheul darüber her. Unsere Heiligthümer werden beständig in den Staub gezogen, die Synagoge ist durch das stille Einverständniß aller liberalen Zeitungsschreiber geschützt. Man zeige uns in der liberalen Presse auch nur einen einzigen Artikel, der das Versöhnungsfest oder den Talmudverein in der unwürdigen Weise behandelte, wie das Tageblatt den diesjährigen Bußtag, einen unserer heiligsten Tage, verspottet, wie die Berliner Juden-Presse die August-Conferenz heruntergerissen hat. Nur das Christenthum muß sich die Nichtswürdigkeiten gefallen lassen. Der jüdische Stadtverordnetenvorsteher von Berlin hat sich kürzlich über die Angelegenheiten unserer Kirche, die ihn nichts angehen, öffentlich ausgesprochen und dabei von „wirklichen Ketzerrichtern, die am liebsten die Andersgläubigen auf Scheiterhaufen verbrennen möchten“, geredet. Wer giebt ihm das Recht, unter der christlichen Bevölkerung Zwietracht zu säen und Haß zu schüren? Diese Intoleranz ist unerträglich.

Schon im Jahre 1873 schrieb die Zeitung der Reformer: „Die jüdische Presse wird allzusehr durch Geschmacklosigkeit und Gehässigkeit entstellt. Ein schmähsüchtiger, bitterer und schneidender Ton hat sich in derselben und zwar auf jeder Seite geltend gemacht. Dieser Fehler hat verbildend auf das Publikum gewirkt, so daß es hauptsächlich an gewürzten Pikanterien Gefallen findet.“ Wie viel hat sich seitdem die jüdische Presse noch verschlimmert! Wo findet sich in der evangelischen, der conservativen Presse auch nur eine Spur von dieser Rücksichtslosigkeit? Wo ist je über ein jüdisches Fest, wo über die Speise- und Reinigungsgesetze gespottet? Das einfachste Anstandsgefühl müßte verbieten, sich an den Heiligthümern eines Volkes zu vergreifen. Eben diese beständigen Versuche, die Fundamente des Glaubens, der Sitte, der nationalen Ehre einer Nation zu untergraben, sind frevelhaft und schändlich. Die socialdemokratische Presse ist hin und wieder noch unfläthiger gewesen; verderblicher, weil weniger grob, und giftiger ist die Wirksamkeit einiger Organe, die in Berlin zu den gelesensten gehören. Ehe diese Giftquellen nicht gereinigt sind, ist an eine Besserung unserer Zustände nicht zu denken. Benzenberg schrieb schon 1816: „Vielleicht geht die Herrlichkeit Deutschlands in den Juden unter.“ Wenn die Christen fortfahren, sich den Einwirkungen des jüdischen Geistes, der sie entdeutscht und entchristlicht, dauernd hinzugeben, so wird diese Weissagung sich gewiß erfüllen. Vielleicht aber – das ist unsere Hoffnung – geht die Herrlichkeit Deutschlands nach dieser Periode des Niederganges wieder auf. Wir müßten in der That eine Nation ohne Ehrgefühl sein, wenn wir diese Ketten eines fremden Geistes nicht brächen, sondern wirklich verjudeten.

Es ist ja doch jedem Einsichtigen klar genug, daß die Herrschaft des semitischen Geistes über uns nicht blos unsere geistige, sondern auch unsere wirthschaftliche Verarmung bedeutet. Der Deutsche ist ein starker Idealist; eine Zeit lang erträgt er es schon, daß man seinen Hang zu den Ideen benutzt, um dahinter ein Geschäft zu machen. Aber zuletzt wird doch die Figur Nathans des Weisen, die Lessing in christlicher Menschenliebe erfunden hat, hinter der Shylocks verschwinden und das warnende Urtheil über das Judenthum, das unsere besten Männer: Kant, Fichte, Herder, gehabt haben, seine Kraft beweisen. Die Juden sind und bleiben ein Volk im Volke, ein Staat im Staate, ein Stamm für sich unter einer fremden Race. Alle Einwanderer gehen zuletzt in dem Volke auf, unter welchem sie wohnen; die Juden nicht. Dem germanischen Wesen setzen sie ihr ungebrochenes Semitenthum, dem Christenthum ihren starren Gesetzescultus oder ihre Christusfeindschaft entgegen. Wir können sie darum nicht verurtheilen; so lange sie Juden sind, können sie gar nicht anders. Aber wir müssen uns mit klarer Erkenntniß vor den Gefahren schützen, die in einer solchen Vermischung liegen. Allein in Berlin wohnen 45,000 Juden, soviel wie in ganz Frankreich, wie in ganz England. Das ist zu viel. Wenn sie wirklich mit uns verbunden wären, hätte die Zahl nichts Bedenkliches. Aber da jenes halbe Hunderttausend eine in sich geschlossene Gemeinschaft bildet, in guten Verhältnissen, in steigender Macht, mit einer sehr profitablen Verstandeskraft ausgerüstet, ohne Theilnahme für unsere christlich-germanischen Interessen, so liegt darin eine wirkliche Gefahr. Wir nähern uns dem polnischen Mischungsverhältniß. Nur daß die Berliner Juden viel reicher, klüger, einflußreicher sind als die polnischen Israeliten. In ihrem Besitz sind die Geldadern, Bank und Handel; in ihren Händen ist die Presse und unverhältnißmäßig drängen sie sich zu den höheren Bildungsanstalten. Das Letzte ist gewiß ein schöner Zug; mir ist es oft rührend gewesen, wie arme Juden Hab und Gut hingaben, um ihren Kindern eine gute Bildung zu geben. Aber diese Entwickelung ist doch durchaus unheilvoll. Wir sind auf dem Wege, daß die öffentliche Meinung von den Juden völlig beherrscht, die Arbeit von ihnen völlig ausgebeutet wird. Der Auflösungsprozeß ist im Gange; nichts hält uns davon zurück, wenn wir nicht umkehren und Israel zur Umkehr veranlassen. Und hier stellen wir unsere dritte Forderung: Das moderne Judenthum muß an der productiven Arbeit theilnehmen. Bitte, etwas mehr Gleichheit!

Früher hieß es, die Emancipation werde die Juden mehr in die andern Erwerbszweige treiben. Nun sind sie emancipirt; es ist aber das Gegentheil eingetreten. Noch mehr als früher cultiviren sie die Erwerbszweige, bei denen leicht und viel verdient wird. Seit Kurzem drängen sie sich auch, nicht zum Heil der Rechtsprechung, in die Richtercollegien. An der Arbeit der Handwerker sind sie fast gar nicht, an der Fabrikation wenig betheiligt. Daraus folgt, daß sie an der Arbeit keine Freude, für die deutsche Arbeitsehre keine Sympathie haben. Die Devise „billig und schlecht“ kommt zum guten Theil auf ihre Rechnung. Sie sind überall da, wo es Noth und Speculationslust zu benutzen gilt. Gründen, Wuchern sind Geschäfte, die sie unleugbar mit Vorliebe treiben. Sie ernten gern, wo sie nicht gesäet haben. Wenn die große sociale Frage die Frage ist nach dem rechten Verhältniß zwischen Arbeits- und Capitalertrag, dann ist eine Thätigkeit, welche die Arbeit im Interesse des Capitals maßlos und systematisch ausbeutet, das schlimmste Element dieser Frage. Es ist wahr, die Juden haben durch Marx und Lassalle dafür gesorgt, daß sie auch in der Socialdemokratie ihre Freunde haben; die Nihilisten in Rußland sind zum Theil Juden. Trotzdem hat ihre einseitige Geldwirthschaft auch für sie drohende Gefahren. Für mich gipfelt die Judenfrage in der Frage, ob die Juden, welche unter uns leben, lernen werden, sich an der gesammten deutschen Arbeit, auch an der harten sauren Arbeit des Handwerkes, der Fabrik, des Landbaues zu betheiligen. Weiter sollen wir von ihnen nichts verlangen.

[]

Die Frage ist nur: was soll geschehen? Wir meinen, Juden und Christen müssen daran arbeiten, daß sie in das rechte Verhältniß zu einander kommen. Einen andern Weg giebt es nicht. Schon beginnt hie und da ein Haß gegen die Juden aufzulodern, der dem Evangelium widerstrebt. Fährt das moderne Judenthum wie bisher fort, die Capitalskraft wie die Macht der Presse zum Ruin der Nation zu verwenden, so ist eine Katastrophe zuletzt unausbleiblich. Israel muß den Anspruch aufgeben, der Herr Deutschlands werden zu wollen. Es entsage der Anmaßung, daß das Judenthum die Religion der Zukunft sein werde, da dasselbe doch so ganz die der Vergangenheit ist. Möchten thörichte Christen nicht fortfahren, das Volk in seinem Dünkel zu bestärken. Die jüdische Orthodoxie mit ihrer Beschneidung ist verlebt, das Reformjudenthum ist gar keine jüdische Religion. Wenn Israel dies erkannt hat, wird es seine vorgebliche Mission hübsch bei Seite lassen und aufhören, den Völkern, die ihm Gast- und Bürgerrecht gewähren, das Christenthum rauben zu wollen. Die jüdische Presse muß toleranter werden, das ist die erste Bedingung besserer Verhältnisse. Die socialen Uebelstände, welche das Judenthum mit sich bringt, müssen auf dem Wege einer weisen Gesetzgebung geheilt werden. Es wird nicht leicht sein, dem jüdischen Capital den nöthigen Zaum anzulegen. Nur eine organische Gesetzgebung vermag dies zu erreichen. Beseitigung des Hypothekenwesens im Grundbesitz, an dessen Stelle das Rentensystem zu treten hat; lebenskräftige Innungen, welche dem ungelernten Capitalisten den Geschäftsbetrieb erschweren; eine Aenderung des Creditsystems, welche den Geschäftsmann von der Willkür des großen Capitals befreit; Aenderung des Börsen- und Aktienwesens; Wiedereinführung der confessionellen Statistik, damit das Mißverhältniß zwischen jüdischem Vermögen und christlicher Arbeit festgestellt werden kann; Einschränkung der Anstellung jüdischer Richter auf die Verhältnißzahl der Bevölkerung; Entfernung der jüdischen Lehrer aus unseren Volksschulen, zu dem Allen Kräftigung des christlich-germanischen Geistes; das sind die Mittel, um dem Ueberwuchern des Judenthums im germanischen Leben, diesem schlimmsten Wucher, entgegenzutreten. Entweder dies gelingt uns, dann mag der Segen wieder über Deutschland kommen, oder der Krebsschaden an dem wir leiden, frißt weiter; dann ist unsere Zukunft bedroht, und der deutsche Geist verjudet, das deutsche Wirthschaftsleben verarmt. Rückkehr zu mehr germanischem Rechts- und Wirthschaftsleben, Umkehr zu christlichem Glauben; so wird unsere Losung lauten. Dann thue Jeder seine Pflicht und Gott wird helfen.

Quelle: Adolf Stoecker, „Unsere Forderungen an das moderne Judenthum“, in Das moderne Judenthum in Deutschland, besonders in Berlin. Zwei Reden in der christlich-socialen Arbeiterpartei, 2. Ausg. Berlin: Wiegandt und Grieben, 1880, S. 4–20. Online verfügbar unter: https://digital.slub-dresden.de/werkansicht?id=5363&tx_dlf%5Bid%5D=11614&tx_dlf%5Bpage%5D=1.