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„Mit dem Euro sind wir alle gleich“
Bäcker Buhrmeister hat drei Währungsumstellungen erlebt. Die anstehende bedeutet für ihn viel Arbeit
Wenn der Ofen still steht, gleicht die Backstube der Feinbäckerei Buhrmeister in der Rahnsdorfer Fürstenwalder Allee einer Bastelstube. Auf dem Tisch liegen unzählige kleine, weiße Zettel mit rotem Rand, sauber mit schwarzer Schrift bedruckt und sorgfältig mit Folie überzogen. Es sind die neuen Schilder, mit denen im neuen Jahr alle Backwaren ausgepreist werden. „Seit zwei Monaten bastel ich schon daran“, sagt Monika Buhrmeister. Dem Euro können die 53-Jährige und ihre Familie kaum Positives abgewinnen. Nicht einmal optisch: „Die Münzen sehen wie Schokoladentaler aus“, sagt der 22-jährige Sohn Jörg.
Doch viel schlimmer als das sei die Arbeit, die mit der Einführung des Euro verbunden gewesen sei. Seit sieben Monaten sind die Buhrmeisters damit beschäftigt, ihr Unternehmen „fit für den Euro zu machen“. Drei Filialen in Rahnsdorf, Köpenick und Schöneiche gehören zu dem 34 Jahre alten Familienbetrieb. Für alle drei mussten Umrechnungstabellen geschrieben, neue Kassen gekauft und programmiert und Preisschilder gebastelt werden. Nebenbei schulte Monika Buhrmeister die 19 Mitarbeiter und machte sie mit dem neuen Geld vertraut. „Bei keiner anderen Währungsreform war der Aufwand so hoch“, sagt Jürgen Buhrmeister.
Und der 62-jährige Bäckermeister weiß, wovon er spricht. Schon drei Währungsumstellungen hat der Berliner mitgemacht. Er war neun Jahre alt, als die Alliierten 1948 in den ehemaligen Westsektoren eine neue Währung einführten. Zum Kurs von zehn zu eins wurde die Reichsmark damals gegen die D-Mark getauscht und so das Spargut der Westdeutschen von 45,2 Milliarden Reichsmark in 2,2 Milliarden Deutsche Mark verwandelt.
Die sowjetische Militärregierung antwortete mit der Einführung einer eigenen Währung für den Ostsektor, der so genannten Ost-Mark. „Für uns Ost-Berliner kam das völlig überraschend, praktisch über Nacht. Von heute auf morgen konnten wir nicht mehr mit der alten Währung bezahlen“, erinnert sich Buhrmeister. Wie das neue Geld aussah, weiß Jürgen Buhrmeister nicht mehr. „Aber ich kann mich erinnern, dass man auf die Scheine noch Wertmarken klebte.“
Doch damit sei es 1957 vorbei gewesen, als das Papiergeld der DDR durch eine zweite Währungsreform ausgetauscht wurde. „Die bis dahin etwas gespart hatten, traf das hart. Denn zu einem günstigen Kurs konnte das Geld nur in begrenztem Umfang getauscht werden“, sagt Buhrmeister. Seinem eigenen Sparstrumpf habe das zu einem kleinen Zuwachs verholfen. „Als Familie mit neun Kindern konnten wir relativ viel Geld günstig umtauschen, mehr als meine Eltern gespart hatten. Also tauschten ich und meine Geschwister auf unseren Namen Geld von Bekannten und Verwandten und bekamen dafür quasi eine kleine Provision.“
Skeptisch war Buhrmeister bei der Währungsreform im Juli 1990, als die D-Mark die Ost-Mark ablöste. „Ich habe Nachteile in sozialer Hinsicht befürchtet, Arbeitslosigkeit zum Beispiel.“ Andererseits habe er sich auf die D-Mark gefreut. Denn mit der Ost-Mark sei man doch im Ausland immer als Mensch zweiter Klasse behandelt worden. „Selbst bei einem Urlaub in Bulgarien bekamen wir Ostler grüne Essenmarken und die Westler rosafarbene. So wussten die Kellner gleich, was los ist“, sagt er. Wehmut haben Buhrmeisters deshalb beim Abschied von der Ost-Mark nicht empfunden. Was sie von ihrem letzten Geld gekauft haben, wissen sie aber noch genau: Eine Teig-Teil-und-Wirk-Maschine für 24 000 Ost-Mark. „Die hüte ich heute noch wie meinen Augapfel“, sagt Jürgen Buhrmeister.
Der Abschied von der D-Mark schmerzt dagegen. „Mit dem Euro sind wir im Ausland alle gleich.“ Pessimistisch ist er aber vor allem, weil seiner Meinung nach die größte Last der Einzelhandel trägt und die lange Vorbereitungsphase vor der Euro-Einführung für unnötige Hysterie gesorgt hat. Vielleicht seien die Leute wenigstens besser informiert als 1990, hofft er. Damals wollte eine Kundin nach der Umstellung auf D-Mark ihre Brötchen mit Ost-Geld bezahlen. Buhrmeister lehnte ab. „Darüber war sie so erbost, dass sie eine Hand voll Groschen über die Ladentheke warf und ging.“
Quelle: Marion Dressler, „‚Mit dem Euro sind wir alle gleich‘“, Berliner Zeitung, 31. Dezember 2001.