Kurzbeschreibung

Der konservative amerikanische Kolumnist Charles Krauthammer erörtert internationale Bedenken gegenüber der Wiederherstellung eines vereinigten Deutschlands, die vor allem in Polen und Israel geäußert werden. Zwar spielt er die militärische und wirtschaftliche Kritik herunter, hebt aber die problematischen Konsequenzen hervor, die ein Wiederaufblühen des Nationalismus für die europäische Integration bedeuten würde.

Charles Krauthammer über internationale Ängste im Hinblick auf die deutsche Wiedervereinigung (26. März 1990)

  • Charles Krauthammer

Quelle

Der Wiederaufstieg Deutschlands

Über Nacht ist Deutschland wieder einmal eine Großmacht geworden. Nicht mehr lange wird man gegen Deutschland intervenieren können. Bei den anstehenden „Zwei-plus-Vier“ Beratungen über die Wiedervereinigung muss nur noch darüber verhandelt werden, wie die fünfzigjährige Intervention der vier Großmächte zu beenden ist. Hinter diesen Verhandlungen steckt die andere Hälfte der Großmachtgleichung: Wie und in welchem Ausmaß wird Deutschland selbst wieder eine intervenierende Macht werden?

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Die Bedenken gegenüber Deutschland sind so verbreitet und selbstverständlich, dass sie kaum analysiert werden. Worin besteht eigentlich die deutsche Gefahr? Die Antwort besteht aus drei Teilen: die Gefahr ist militärischer, wirtschaftlicher und politischer Art. Die ersten zwei Aspekte wurden bereits vielfach diskutiert und vielfach übertrieben. Der dritte Aspekt, der subtile Effekt, den die deutsche Wiedervereinigung im Bereich der geopolitischen Ideen und Institutionen haben wird, wird sich wohl als der bedeutendste erweisen.

I. MILITÄRISCH

Ganz konkret hat die Angst vor Deutschland mit den Grenzen des Landes zu tun. In der Vergangenheit wurden Deutschland viele Gebiete entzogen, einerseits als Strafe dafür, dass es den Zweiten Weltkrieg begonnen hatte, andererseits, um durch eine Verkleinerung Deutschlands eine Sicherung gegen einen Dritten Weltkrieg zu schaffen. Wer wird nun, da sich Russland und die USA verabschiedet haben, ein wiedervereinigtes, den Kontinent beherrschendes Deutschland aufhalten, wenn es sich hinsichtlich des Zweiten Weltkrieges auf Verjährung beruft und die Wiederherstellung seiner früheren Grenzen – von vor der Hitlerzeit – fordert?

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Die Europäer, die sich an die Ausbreitung der Wehrmacht über den Kontinent erinnern, haben Angst um ihre Grenzen. Wenn diese Angst Paranoia ist, dann müssen wir Lech Walesa, Michael Gorbatschow, die meisten Menschen dazwischen und auch viele Teile Westeuropas als paranoid ansehen. Der „politische Philosoph“ Johnny Carson hat es am besten formuliert: „Die Berliner Mauer ist gefallen“, witzelte er einen Tag nach dem Ereignis. „Das bedeutet, dass alle Deutschen nun die Freiheit besitzen, sich wo sie wollen in Europa auszubreiten. Hey, war das nicht schon damals im Jahre 1939 das Problem?“

Wenn der „Zwei-plus-Vier“ Prozess vorbei ist und am Ende dieses Jahres von den fünfunddreißig Helsinki-Ländern[1] ratifiziert wird, wird Deutschland zweifelsohne verpflichtet werden, sich als Preis der Wiedervereinigung in alle Ewigkeit an die jetzigen Landesgrenzen zu halten. Doch kann sich keiner völlig sicher sein, dass Deutschland in zehn, zwanzig Jahren diese Abmachung nicht als Überbleibsel einer schon seit langem überwundenen Schwäche verwirft, so wie es auch mit den Versailler Verträgen in den 1930er Jahren geschah.

Der Ursprung dieser Angst vor dem deutschen Revanchismus liegt im deutschen Nationalcharakter, oder präziser gesagt, in dem Glauben an einen deutschen Nationalcharakter. Man befürchtet, dass Deutsche, wenn sie sich selbst überlassen werden, in den teutonischen Barbarismus zurückfallen werden. Dass die deutsche Romantik – die besondere fieberhafte Romantik der Arbeiterbiene – sich erneut schicksalshaft in Politik und Geschichte niederschlagen wird. Angesichts dieser Furcht haben vierzig Jahre Demokratie, vierzig Jahre friedliche nachbarschaftliche Zugeständnisse, kurzum vierzig Jahre Geschichte wenig Bedeutung.

Diese Befürchtungen können nicht eindeutig widerlegt werden. Wie beweist man die Verneinung der These, dass die Deutschen nicht an einem besonderen Charakterdefekt leiden, der sie für Expansion und Aggression anfällig macht? Man kann lediglich sagen, dass die Heranziehung des Konzepts eines Nationalcharakters für Erklärungsversuche oder Vorhersagen immer mit Skepsis betrachtet werden sollte. Die psychologische Interpretation von Staaten ist noch unzuverlässiger als die psychologische Interpretation von Individuen, welche ja an sich schon ein bekanntermaßen unzuverlässiges Unternehmen ist. Wie wäre mit dieser Argumentationsweise die Tatsache zu erklären, dass die französische Vorliebe für romantische Expansionspolitik, die die Franzosen 1812 bis nach Moskau brachte, nur drei Jahre später abrupt endete?

Wir erklären es mit dem Sieg der Geschichte über „Charakter“. Wie Daniel Pipes sagt, gibt es kein besseres Heilmittel für totale Ambitionen als eine totale Niederlage. Vor dem deutschen Problem gab es das französische Problem. Waterloo war die Lösung. Wer hat jetzt noch Angst vor dem französischen Nationalcharakter? Natürlich kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass das deutsche Problem im Jahre 1945 so bestimmt gelöst wurde wie das französische Problem im Jahre 1815. Aber die letzten vierzig Jahre deutscher Geschichte können nicht einfach so abgetan werden. (Und Sicherheitsgarantien, so wie die weitere amerikanische Präsenz auf dem Kontinent, sollten ausreichende Zusicherungen bieten, bis das neue Deutschland bewiesen hat, dass es tatsächlich das Erbe der Bundesrepublik und nicht älterer, archaischer deutscher Staatsformen ist.)

II. WIRTSCHAFTLICH

Eine realistischere Sorge vor einem neuen Deutschland ist wirtschaftlicher und somit kultureller Art. Wie Rita Klimová, die neue tschechische Botschafterin in den USA, kürzlich bemerkte: „Die deutschsprachige Welt“ – mit der sie die beiden Teile Deutschlands und Österreich meinte – „wird nun erreichen, was die Habsburger, Bismarck und Hitler nicht erreicht haben: die Germanisierung Zentraleuropas“. Sie fügte hinzu: „Natürlich durch friedliche und löbliche Mittel. Und durch Handel, nicht Eroberung“. Es war jedoch klar, was sie meinte. Die Dynamik des deutschen Handelsverkehrs ist bereits jetzt in den schwachen Wirtschaften Osteuropas spürbar. Tschechische Schulen hätten gerade Russisch als zweite Sprache abgeschafft, erklärte Klimová. Jetzt bleibe nur noch abzuwarten, ob die neue zweite Sprache Englisch oder Deutsch sein werde. Sie drängte die USA, Englischlehrer zu entsenden.

Osteuropa befürchtet die unverblümte Vorherrschaft der deutschen [Wirtschafts-]Dynamik. Westeuropa – insbesondere Großbritannien und Frankreich – befürchtet, in den Hintergrund gedrängt zu werden. Die deutsche Wirtschaft wird mit achtzig Millionen Menschen rund vierzig Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Europäischen Gemeinschaft produzieren. Als das wirtschaftliche Kraftpaket des Kontinents wird Deutschland seinen Nachbarn noch stärker politische Richtlinien diktieren als es das heute bereits tut.

Man kann die Ursachen dieser Befürchtungen verstehen, ohne ihnen übermäßig Respekt zu zollen. Die Angst, unter fairen Wettbewerbsbedingungen von einer friedlichen Wirtschaft aus dem Feld geschlagen zu werden, ist eine Angst, auf die ein Staat nicht stolz sein sollte. So verhält es sich zum Beispiel mit der eher hysterischen und mitunter rassistischen amerikanischen Feindseligkeit gegenüber Japan. Eine deutsche wirtschaftliche Vorherrschaft über den Kontinent verletzt vielleicht den britischen und französischen Stolz. Und die Verbreitung von deutschen Automobil-Benutzerhandbüchern wird vielleicht von den Tschechen und Polen nicht gern gesehen. Aber weder die eine noch die andere Entwicklung bedeutet eine Gefahr für irgendeinen Lebensstandard (in Marktsystemen ist Wohlstand kein Nullsummenspiel), oder eine Bedrohung für irgendeine nationale Existenz, oder ein Argument gegen die deutsche Wiedervereinigung.

III. POLITISCH

Wo liegt dann das wahre Problem der deutschen Wiedervereinigung? Sie wird eine der heilsamsten europäischen Entwicklungen der letzten fünfzig Jahre umkehren: die Verminderung der Souveränität. Die deutsche Wiedervereinigung bedeutet die dramatischste Wiedergeburt der Souveränität in der Nachkriegszeit. In dieser Ära hat Europa eine historisch beispiellose Zeit des Friedens genießen können, weil die Souveränität seiner kriegsführenden Nationen durch den Eingriff zweier Großmächte unterdrückt wurde: brutal im Osten, friedlich im Westen. Was er auch sonst angerichtet haben mag, so hatte der Kalte Krieg und seine Teilung Europas in eine Pax Sovietica und eine Pax Americana zumindest den Vorteil, einen vernichtenden innereuropäischen Konflikt unterdrückt zu haben.

Aber die Unterdrückung der Souveränität durch fremde Mächte darf nur provisorisch sein. Ein Imperium besteht nicht ewig. So lautet also die Frage, die sich nach dem Kalten Krieg aufdrängt: Wie kann die künstliche Unterdrückung der Souveränität durch die Supermächte abgeschafft werden, ohne die nationalen Explosionen zu riskieren, die fast immer dann folgen, wenn sich die Großmacht zurückzieht (siehe Asien, Afrika)? Westeuropa meinte, die Antwort darauf gefunden zu haben. Während der letzten vierzig Jahre wurden Schritt für Schritt transnationale Institutionen aufgebaut, allen voran die Europäische Gemeinschaft. Das große Projekt, welches sich dem Ende nähert, war die Bildung eines europäischen Binnenmarktes bis 1992. Dieser soll die Wirtschaft der zwölf beteiligten Länder in ein einheitliches Gebiet verwandeln, das fast so frei von Rechtsbarrieren wäre wie das inneramerikanische System. Irland und Griechenland würden so barrierefrei Handel treiben können wie Maine und Texas.

Aber die Bedeutung von Europa '92 liegt nicht nur in der Wirtschaft. Hier findet eine der größten friedlichen Souveränitätstransfers der Geschichte statt. Indem sie umfassende wirtschaftliche, soziale und regulative Macht an eine zentrale europäische Autorität abgeben, verlieren die westeuropäischen Länder bewusst einen großen Teil ihrer politischen Autonomie. Aus genau diesem Grunde sträubt sich Margaret Thatcher so vehement gegen diesen Prozess. Sie weiß, dass z.B. die europäische Währungsunion bald zu einer gemeinsamen Währung führen kann, welche wiederum direkt in ein politisches Bündnis münden würde. Noch kann keine Rede von den Vereinigten Staaten von Europa sein. Weithergeholt ist diese Vorstellung jedoch nicht. Das ist der Pfad, dem Westeuropa folgt.

Oder gefolgt ist – bis zum 9. November, dem Tag, an dem die Berliner Mauer fiel. Europa '92 sollte die durch die einstige amerikanische Vorherrschaft verminderte Souveränität mit einer durch die europäische Integration verminderte Souveränität ersetzen. Es sollte ein Übergang sein von einer Gemeinschaft, die von einer Großmacht bestimmt wurde, zu einer Gemeinschaft, die sich selbst bestimmte. Große Hoffnungen lagen auf einem integrierten Europa: dass es die innere Stabilität eines föderalen Landes wie den USA erreichen würde und dass durch die verminderte Souveränität der individuellen Länder sowie die erhöhte Machtkonzentration in einem zentralen „Europa“ die Rivalitäten, die jahrhundertelang zu europäischen Kriegen geführt hatten, beseitigt würden. Es wäre so, als ob Texas gegen Maine Krieg führen würde.

Die deutsche Wiedervereinigung stört diesen Prozess und stellt ihn in Frage. Westdeutschland hat zugesagt, durch den Beitritt zum europäischen Markt einen Teil seiner Souveränität aufzugeben. Nun aber wird es sich den Osten einverleiben und dadurch seine Bevölkerung, sein Territorium, seine Wirtschaft, seine militärische Macht, seine politische Bedeutung und seinen diplomatischen Einfluss vergrößern. Deutschland ist dabei, der neue Gigant auf dem europäischen Kontinent zu werden. Auch wenn man potentielle Gebietsrückforderungen und eine mögliche Nuklearaufrüstung beiseite lässt, untergräbt allein die Tatsache der explosiven Geburt eines neuen und gewaltigen Deutschlands in der Mitte des Kontinents sofort alle Bestrebungen in Richtung eines europäischen Staatenbundes.

Solch ein Deutschland ist sein eigener Staatenbund. Auch ohne böswillige Absichten, Feindseligkeiten oder „Romantik“ seitens der Staatsführung, wird sich das neue Deutschland zwangsläufig entsprechend seiner neuen Machtposition verhalten – unabhängig, mit einem Selbstbewusstsein und einer Berücksichtigung von Interessen in entfernten Gebieten, wie es auch die anderen Großmächte, insbesondere die USA und die Sowjetunion, auszeichnet.

Die wahre Gefahr, die von einem wiedervereinigten Deutschland ausgeht, liegt nicht in der Auferstehung eines neuen Bismarck oder Hitler. Vielmehr liegt sie in der Geburt des neuen Giganten in der Mitte des Kontinents. Dieser wird das große europäische Vereinigungsprojekt aufhalten und stattdessen, wie The Economist formuliert, eine „revidierte Fassung des früheren, zerstörerischen Gleichgewichts der Mächte“ schaffen – eine Rekapitulation des internationalen Systems des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, das so katastrophal endete.

Wir können bereits jetzt sehen, wie sich das neue Kräfteverhältnis formiert. Es ist uns erschreckend vertraut. Westeuropäische Mächte suchen die Vorkriegsverbindungen zu den früheren sowjetischen Satellitenstaaten in Osteuropa wiederherzustellen, und zwar nicht nur, um wirtschaftliche Chancen zu nutzen, sondern bewusst, um eine deutsche Vorherrschaft in der Region zu verhindern. Polen ist ein gutes Beispiel. England und Frankreich unterstützen mit Nachdruck Polens Forderung nach einer deutschen Anerkennung der aktuellen polnischen Grenzen. Kanzler Helmut Kohl äußert Bedenken und weist Polens Forderung nach Teilnahme an den anstehenden „Zwei-plus-Vier“ Beratungen geradeheraus zurück. So bittet Polen die Sowjetunion um Hilfe und spielt die Sowjetkarte – sowjetische Truppen bleiben in Polen, an der Grenze zu Deutschland stationiert – als Warnung an Deutschland, mehr Entgegenkommen zu zeigen. Dieses Verhaltensmuster ist nicht neu.

Während die Europäer beginnen, neue Verbündete zu finden, um ein Gegengewicht zu Deutschland zu schaffen und es in Schach zu halten, sieht sich jedes Land in eine Art reaktiven Nationalismus zurückgedrängt. Ein westdeutscher Diplomat beschwerte sich gegenüber The Washington Post: „[Margaret Thatcher] verfolgt eine sehr enge Art des Nationalismus des 19. Jahrhunderts. Wenn ein Land sich so verhält, besteht die Gefahr, dass andere es ihm gleichtun müssen.“ Thatcher würde vielleicht kontern, dass sie diesen Prozess ja nicht begonnen habe. Wie dem auch sei. Egal wer als Sündenbock herhält, das Ergebnis bleibt gleich: alle Bestrebungen in Richtung Integration, Föderalisierung und Souveränitätsverwässerung sind gestoppt. Europa hat die Souveränitätsidee erfunden, die Konsequenzen durchlitten und war kurz davor aufzuzeigen, wie sie überwunden werden kann. Nun ist Europa auf dem Weg zurück in die andere Richtung. Dieser Weg ist für einen Kontinent mit neunundzwanzig Staaten, in denen fünfundvierzig Sprachen gesprochen werden, nicht nur ein Anachronismus, sondern die beste Voraussetzung für Instabilität.

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Als ich letzten Oktober über eine Welt nach dem Kalten Krieg schrieb, erlaubte ich mir die Behauptung, dass neben den anderen großen Mächten „Europa“ Teil der neuen multipolaren Ordnung sein würde. Damals war es möglich, sich ein verbündetes Europa vorzustellen, welches aus den Strukturen der Europäischen Gemeinschaft hervorgehen würde. Diese Vorstellung ist nun schwieriger geworden. Nicht weil Deutschland politisch ein Feind Europas wäre, sondern weil die Wiedergeburt eines mächtigen deutschen Staates innerhalb Europas die Wiedergeburt nationaler Selbstbehauptung in ganz Europa provoziert. Dieses Klima macht es unmöglich, sich die Herausbildung eines „Europas“ vorzustellen. Auf dem Weg in die Multipolarität wird nun der Pol, der ehemals „Europa“ sein sollte, von Groß-Deutschland eingenommen. Es ist möglich, dass sich Deutschland doch noch zur Einordnung in Europa entschließt, aber im Taumel der ersten Unabhängigkeit seit dem (Kalten) Krieg ist das eher unwahrscheinlich.

Die Berliner Mauer ist zu früh gefallen. Wäre die DDR der letzte sowjetische Satellitenstaat gewesen, der zusammenbrach – wir dachten, dass der Kreml darauf bestehen würde – so hätte sie nur einen kleinen Teil dargestellt, der leicht von einem neuen und stabilen Europa hätte aufgenommen werden können. Durch die Schnelligkeit der Ereignisse jedoch droht die deutsche Wiedervereinigung das Ganze zu stören, indem im Herzen Europas ein Groß-Deutschland geschaffen wird, das Europa nicht in Schach halten kann.

Die Gefahr liegt nicht darin, dass Groß-Deutschland sich über Europa ausbreiten wird. Vielmehr verwandelt seine Geburt die Abenddämmerung der Souveränität in ein neues Morgengrauen. Die Wiedervereinigung lässt den Prozess entgleisen, mit dem sich Europa vor sich selbst schützen wollte. Stattdessen kommen wir wieder im alten Europa an, dem Europa des Gleichgewichts der Mächte, dem Europa, das mehr Geschichte produziert, als es konsumieren kann.

Anmerkungen

[1] Mit den Helsinki-Ländern sind jene Staaten gemeint, die am 1. August 1975 die Schlussakte von Helsinki unterzeichnet haben. Die Gespräche in Helsinki waren Teil der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), in der sich nahezu alle europäischen Staaten wie auch die USA und Kanada trafen. Die Schlussakte betraf u.a. Fragen der Zusammenarbeit im humanitären, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Bereich – Hrsg.

Quelle: Charles Krauthammer, „The German Revival“, New Republic, 26. März 1990.

Übersetzung: Jessica Csoma