Quelle
/Sprecher: Guten Abend, meine Damen und Herren. Mit der Einführung
einer gemeinsamen Währung und der Aufhebung der Grenzkontrollen ist die
Einheit Deutschlands seit heute null Uhr praktisch vollzogen.
Der
Staatsvertrag über die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik
ist in Kraft getreten. Die Deutsche Mark wurde damit auch in der DDR
einziges offizielles Zahlungsmittel. Die Bürger der DDR begrüßten die
Einführung von Marktwirtschaft und D Mark mit Jubel, Böllerschüssen und
Hupkonzerten. Zu nennenswerten Zwischenfällen kam es
nicht.
/Reporter: Die Nacht, in der die D-Mark kommt, wird eine
lange Nacht. Sie feiern wie zu Neujahr, weinen der alten Ostmark keine
Träne nach. Bereits um Mitternacht öffnete eine Filiale der größten
westdeutschen Bank am Ost-Berliner Alexanderplatz. Anlass für ein
Freudenfest von 10.000 Menschen. Viele haben ihre letzten DDR Mark noch
in Kneipen und Restaurants umgesetzt, danach drängt es sie an die
Bankschalter. Der Trabi, einst Objekt der Begierde, wird heute getreten.
Die Ära der Hartwährung ist angebrochen. Auf das Vorspiel am Alex folgt
die Verteilung der D-Mark auf breiter Basis. Um 9 Uhr beginnt der
Ansturm.
Aber in aller Regel verhalten sich die Menschen ruhig und
diszipliniert. Denn bei aller Freude wissen sie, dass die
Marktwirtschaft ihr Leben vollständig verändern und ihnen Probleme
bescheren wird. Manche lassen sich gleich den Höchstbetrag von 2000 Mark
auszahlen, die meisten aber begnügen sich mit sehr viel weniger, fangen
am Tag der Währungsunion mit dem Sparen an. Dass Geld auch arbeiten
kann: für viele eine neue Erkenntnis. Stunden haben sie auf die Öffnung
von Banken und Sparkassen gewartet, um möglichst frühzeitig die
kostbaren Scheine in die Hand zu bekommen. Das sei ein großer Tag, heißt
es immer wieder, aber auch ein sehr aufregender. Man sei unsicher, wisse
nicht so recht, was nun komme. Und manchem wird auch ganz bange
zumute.
/Reporter: Und was ist das heute für ein Tag für
Sie?
/DDR-Bürgerin: Na ja, ganz aufgeregt. Die ganze Nacht war ich
schon aufgeregt, ich musste immer auf die Toilette gehen, und mit
Bauchschmerzen war das verbunden. Und so ganz unstill bin ich, und ich
kann es gar nicht beschreiben, wie.
/Reporter: So empfinden heute
viele. Die Stimmung ist gut, aber nicht überschwänglich. Innerhalb von
wenigen Monaten haben sie einen Systemwechsel und eine Währungsreform
erlebt. Das will verkraftet werden. Der Start ins D-Mark Zeitalter ist
gelungen, und die DDR Bürger, so scheint es, verhalten sich
stabilitätsgerecht Die Mehrheit hat sich vorgenommen, in keinen
Kaufrausch zu verfallen, und so wanderte heute sehr viel weniger Bargeld
über die Bankschalter als vermutet.
40 Jahre Sozialismus haben die
Menschen auch Vorsicht gelehrt.
Quelle: Tagesschau 1. Juli 1990.
tagesschau.de
https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-ts-50154.html