Kurzbeschreibung

Im Jahr 1849 schlugen gegenrevolutionäre Regierungstruppen in Deutschland die Revolution nieder. In ihrem Aufruf an die „deutschen Krieger“ fügen sich die württembergischen Frauen zwar in ihre traditionelle Rolle als Gattinnen, Mütter und Hausfrauen, nutzen sie aber als politischen Trumpf, indem sie allen Soldaten ihre Liebe und das Jawort verweigern, die „Waffen nach dem Herz des Volkes, aus dem ihr hervorgegangen seid“ richten.

Frauenaktivismus während der Revolution: Aufruf württembergischer Frauen und Jungfrauen an deutsche Krieger (1849)

Quelle

Deutsche Krieger! Ein mächtiger Geist weht durch alle Gauen unseres gemeinsamen Vaterlandes! Es ist der Geist der erwachten, wahren Freiheit des deutschen Volkes! Auch an euch, deutsche Jünglinge, die ihr dem braven deutschen Heere folget, geht der mahnende Zuruf, des Geistes der Freiheit mitzuwirken, daß dieses so lang ersehnte Kleinod endlich unveräußerliches Eigentum der ganzen Nation werde. Doch nicht mit dem bisher beschrittenen Weg werdet ihr, deutsche Krieger, das köstliche Gut deutscher Freiheit erringen helfen!

Ihr könnt, wenn bürgerlicher Wohlstand und Glück, welche nur in der Freiheit des Volkes gedeihen können, euch unschätzbare, heilige Güter sind, nicht länger euren Leib und eure Kraft einer volksfeindlichen Fürstentyrannei weihen, indem ihr länger eure Waffen nach dem Herzen des Volkes, aus dem ihr hervorgegangen seid und in dessen Mitte ihr einst wieder zurückkehren wollt, richtet! Ihr habt geschworen, dem Vaterlande zu dienen gegen äußere Feinde, aber nicht das Herz des eigenen Vaterlandes, die friedlichen Gauen der eigenen Heimat mit dem Blute seiner Söhne, eurer Brüder, zu färben.

Wohlan denn, deutsche Jünglinge und Männer, hört den Zuruf deutscher Frauen und Jungfrauen: Bedenkt eure Zukunft, bedenket den friedlichen Bürgerstand, dem ihr einst wieder angehören wollt, bedenkt das friedliche Glück der Liebe und der Ehe, sowie des häuslichen Herdes, welches aus der Ferne freundlich euch entgegenlächelt. Hört das Gelübde deutscher Frauen, welches in heiliger Vaterlandsliebe wir gelobt:

„Nie werden wir dem unsre Hand am Altare reichen, dessen Hand von dem Blute seiner deutschen Mitbürger befleckt wurde!“

„Nie werden wir mit dem unsern häuslichen Herd teilen, der mit Feuer und Schwert dieses, unser Heiligtum, zerstöret hat!!“

„Nie werden wir dem einst in treuer Liebe nah‘n, dessen feindliche Waffe Unglück und Verderben über die deutschen Gauen gebracht hat!!!“

Höret, deutsche Jünglinge, unsern Schwur und des Himmels Vergeltung treffe uns, wenn wir dieses Gelübde nicht halten! Deutsche Krieger! das Erbe eurer Väter, so lautet ihr Entschluß, welches ihr freventlich durch eure Waffen zu zerstören trachtet, sei euch entzogen! Es komme denen zugute, die ihr in blindem Wahne zu Witwen und Waisen gemacht! Bedenket diesen Abgrund, der sich vor euren geblendeten Augen öffnet, und haltet zum Volke, oder der Genius einer glücklichen Zukunft für euch verhüllt trauernd sein Haupt.

Den 7. Mai 1849
Sämtliche Frauen und Jungfrauen des Königreichs Württemberg.

Quelle: „Zuruf württembergischer Frauen und Jungfrauen an unsere deutschen Krieger“, in Daniel Staroste, Hrsg., Tagebuch über die Ereignisse in der Pfalz und Baden im Jahre 1849, Bd. 1, Potsdam, 1855, S. 145f; abgedruckt in Gerlinde Hummel-Haasis, Schwestern zerreißt eure Ketten: Zeugnisse zur Geschichte der Frauen in der Revolution von 1848/49. München: Deutscher Taschenbuchverlag, 1982, S. 22–23. Wiedergabe auf dieser Website mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Taschenbuchverlags, München.

Frauenaktivismus während der Revolution: Aufruf württembergischer Frauen und Jungfrauen an deutsche Krieger (1849), veröffentlicht in: German History in Documents and Images, <https://germanhistorydocs.org/de/vom-vormaerz-bis-zur-preussischen-vorherrschaft-1815-1866/ghdi:document-451> [11.04.2024].