Kurzbeschreibung

Andreas Ryff (1550-1603) war ein Basler Geschäftsmann und Staatsmann, der in seinen Erinnerungen über seine Erfahrungen mit dem Ausbruch der Pest in Basel in den Jahren 1563-4 schrieb. Viele seiner Geschwister erkrankten an der Pest und vier seiner Brüder starben innerhalb von siebzehn Tagen an der Seuche. Während sein Bericht über die Pest an sich schon von Bedeutung ist, stellt seine Autobiografie zudem ein wichtiges Beispiel für frühneuzeitliche Selbstzeugnisse dar, die das zunehmende Bewusstsein des Individuums im frühneuzeitlichen Europa belegen.

Andreas Ryff über die Pest (2. Hälfte des 16. Jhdts)

Quelle

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Indem gieng in der Basel-Martinemeß anno 1563 der grosse pestilentzische sterbent ahnn, der regieret den gantzen winther starckh, […] Indem aber der sterbent im julio unnd augusto anno 64 so gar überhandt genomen, desglichen in 100 jaren keiner gwesen, […] anfangs im september anno 64, ware noch niemandt darinen kranck worden, aber
bald daruf ward mein schwester Salome kranck, lag 3 oder
4 dag an der pestelentz, verschwand iren wider und ward
wider gesundt. Den 17. september anno 64 ward mein
gingster bruoder Diebolt kranck und starb den 20. september; den 24. september ward Hanß Jacob, mein vaters halben stieffbruoder, kranck und starb den 28. dito; den
26. september ward Wolffgang, difers Jacoben rechter und
mein stieffbruoder, war almuosenschaffner, kranck und starb
den 29. dito; Jacob und Wolfgang kamen in ein grab.
Den 1. october anno 64 ward mein mitelster bruoder kranck
und starb den 3. dito, also daß inerhalb 17 dagen mir dise
4 brieder an der pestilentz verscheiden. Gott verlich gnad, daß
wir im ewigen leben einander anschauwent, do grössere freidt
sein wirt, dann in diser mieyseligen welt. []

Ueber das Haus zur Mücke, das vor einigen Jahren der Realschule
eingeräunt worden ist []
An Sannt Martiß dag anno 64 [] ward ich auch in der
Mucken am stand, grad am selben orth, auch in derselben
stundt kranckh, stuoß mich mit einem frost ahn, guong heim
und satzt mich hinder den offen. Bald war mein vater do,
bracht ein scherer mit im, schluogen mir ein adern uff dem
rechten arm, legten mich in ein beth in kleideren, do bin ich
entschlofen. Fir daß hin weiß nit, wie eß mir in 4 wuchen ergangen, dan mich glich die hitz und hauptwehe überilet, das ich nichts von mir gewist, sonder starck gefabuliert
und gewietet hab. Allein ist mir ingedenck, des grossen schmertzens halben, wan der scherer mich verbunden []

Ichhat ein bylen under dem lincken arm, so man mir etlich
dag, nachdem ich kranck glegen, mit einer flietten uffgerissen,
und ich gar woll entpfunden und dorab erwacht bin, daruß
ist ein sollicher haufen bluot und eiter geflossen, daß sich mäniglich verwundert hat, eß hat auch uf 3 wunchen lang geflossen, daß man mir alle dag 2 moll halbe linlachen zemengewicklet under den arm gestossen, so gantz durchflossen.

Alß nun der neiwe jorß dag, den 1. january anno 65 vorhanden, gelustet mich nach frembder spiiß,
erbaath also meinen vater, daß er mich mit ime uff die zunft
zuom Schlissel nam, do aß ich zimiß 1) Alß ich aber noch
wund, schwach und krankh gwesen, guong ich gemechlich heim,
gedochte mein noturft ze thuon und entschlieff uff dem stuoll,
ward also von danen inß beth gehept, mir on wissent, und
8 dag lang darinn bliben.

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Quelle: „Selbstbiographie des Andreas Ryff (bis 1574)“, hrsg. Andreas Heusler, in: Basler Beiträge zur vaterländischen Geschichte, Bd. 9 (1870). Online verfügbar unter: https://www.e-periodica.ch/digbib/view?pid=bzg-001%3A1870%3A9#68