Kurzbeschreibung

Karl V. hatte 1522 widerwillig die Herrschaft über die österreichischen Gebiete an seinen Bruder Ferdinand abgetreten, den er auch zu seinem Stellvertreter ernannte. 1531 wurde Ferdinand zum römischen König gewählt. Doch Karl V. spielte noch bis 1548 mit dem Gedanken, seine zahlreichen Besitzungen ungeteilt zu lassen und sie seinem einzigen direkten Erben, seinem Sohn Philipp, zu vermachen. Im Jahr 1555 hatte sich die Situation jedoch geändert. Von der Gicht gezeichnet, das Scheitern seiner Religionspolitik im Reich erkennend und von seiner Familie gedrängt, eine Einigung mit Ferdinand zu finden, entschied sich der Kaiser zur Abdankung. Der erste hier wiedergegebene Text (A) ist ein Ausschnitt aus Karls Abdankungsrede vom 25. Oktober 1555, in der er die Herrschaft über die Niederlande an seinen Sohn und Erben, Prinz Philipp, den zukünftigen König Philipp II. von Spanien, abtritt. Der zweite Text (B) legt die Thronfolge im Reich fest. Er enthält Karls Anweisungen an seine Bevollmächtigten, Prinz Wilhelm von Oranien-Nassau und Reichsvizekanzler Georg Seld, die mit den Verhandlungen über die Übertragung des Kaisertitels und der Regierung auf Ferdinand beauftragt waren.

Die Abdankung Kaiser Karls V. (1555/56)

Quelle

A. Ansprache Karls V. vor den Deputierten der niederländischen Generalstände (Auszug)

Brüssel, 25. Oktober 1555

Einige von Euch werden sich erinnern, dass am letztvergangenen fünften Januar vierzig Jahre seit dem Tage vergangen waren, wo ich hier in demselben Raume, fünfzehn Jahre alt, von meinem Grossvater väterlicher Seite, dem Kaiser Maximilian, die Obergewalt über die belgischen Provinzen empfing. Der bald nachher erfolgte Tod meines Grossvaters mütterlicher Seite, Königs Ferdinand des Katholischen, übertrug mir die Obhut über ein Erbe, zu dessen Verwaltung der Gesundheitszustand meiner Mutter zu schwach war. Siebenzehn Jahre alt ging ich daher über’s Meer, um von dem Königreiche Spanien Besitz zu nehmen. In meinem neunzehnten Jahre wagte ich es, beim Tode des Kaisers um die kaiserliche Krone mich zu bewerben, nicht um meine Besitzungen auszudehnen, sondern um nachdrücklicher für das Wohl Deutschlands und meiner anderen Königreiche, namentlich der belgischen Provinzen wirksam sein zu können und in der Hoffnung, unter den christlichen Völkern den Frieden zu erhalten und ihre Streitkräfte zu vereinigen zur Vertheidigung des katholischen Glaubens gegen den Türken.

Ich bin theils durch den Ausbruch der deutschen Ketzerei, theils durch die Eifersucht nebenbuhlerischer Mächte behindert worden, das Ziel dieser Bestrebungen vollständig zu erreichen; aber ich habe mit Gottes Hilfe nie aufgehört, meinen Feinden zu widerstehen und mich zu bemühen, die mir gewordene Sendung zu erfüllen. Auf den Feldzügen, die ich unternommen habe, theils um Krieg zu beginnen, theils um Frieden zu stiften, bin ich neunmal nach Deutschland, sechsmal nach Spanien, siebenmal nach Italien, viermal nach Frankreich, zweimal nach England und zweimal nach Afrika gekommen und habe damit vierzig grosse Reisen gemacht, die weniger wichtigen Besuche, die ich im Laufe der Zeit meinen verschiedenen Staaten abgestattet habe, nicht mit eingerechnet. Ich habe achtmal das mittelländische Meer, zweimal die spanische See durchschifft; der Reise, die ich von Spanien aus nach den Niederlanden, wie Ihr wisst, aus sehr ernsten Gründen unternahm, will ich jetzt nicht gedenken. Meine häufige Abwesenheit von diesen Provinzen nöthigte mich, die Verwaltung derselben meiner Schwester Maria zu übergeben, die hier anwesend ist. Die Generalstaaten wissen es so gut wie ich, wie treu sie ihren Pflichten nachgekommen ist. Obgleich ich in viele Kriege verwickelt gewesen bin, so habe ich doch keinen derselben gern unternommen und indem ich von Euch Abschied nehme, ist nichts schmerzlicher für mich, als dass ich nicht im Stande gewesen bin, Euch einen festen und gesicherten Frieden zu hinterlassen. Schon vor meinem letzten Feldzuge nach Deutschland war ich in Folge meines beklagenswerthen Gesundheitszustandes mit dem Gedanken umgegangen, mich der Bürde der Staatsgeschäfte zu entledigen, aber die Wirren, welche das Christenthum beunruhigten, veranlassten mich, meinen Plan wieder aufzugeben, in der Hoffnung, den Frieden wieder herzustellen; und weil ich mich damals noch nicht so schwach fühlte, wie jetzt, so hielt ich es für meine Pflicht, der Wohlfahrt meines Volkes zu opfern, was mir an Kraft und Leben noch übrig geblieben war. Ich hatte fast das Ziel meiner Bemühungen erreicht, als mich der plötzliche Angriff des französischen Königs und einiger deutschen Fürsten auf’s neue zu den Waffen riefen. Ich habe gegen meine Feinde gethan, was ich vermochte, aber der Erfolg eines Krieges liegt in der Hand Gottes, der Siege gibt oder hinwegnimmt, wie es ihm beliebt. Danken wir der Fürsehung, dass wir keinen jener grossen Wechsel der Dinge zu beklagen haben, die unverlöschliche Spuren zurücklassen, sondern im Gegentheil manche Siege gewonnen haben, deren Angedenkens unsere Kinder sich freuen mögen. Mich zurückziehend, bitte ich Euch inständig, Euerem Fürsten getreu zu sein und unter Euch selber auf gutes Einverständniss zu halten. Vor allem hütet Euch vor jenen neuen Sekten, von welchen die angränzenden Länder heimgesucht sind, und wenn die Ketzerei auch über Euere Gränzen eindringen sollte, dann zögert nicht, sie zu vertilgen, oder es wird Euch übel ergehen. Ich für meinen Theil muss bekennen, dass ich mich zu mannigfachen Irrthümern habe verleiten lassen, sei es durch jugendliche Unerfahrenheit, oder durch den Stolz des reiferen Alters, oder durch eine andere Schwäche der menschlichen Natur; aber ich erkläre, dass ich niemals wissentlich und freiwillig Unrecht oder Gewalt geübt oder andere dazu veranlasst oder ermächtigt habe. Wenn trotzdem Handlungen dieser Art mit Recht mir zur Last zu legen sein mögen, so gebe ich Euch die feierliche Versicherung, dass ich sie meiner selbst unbewusst und gegen meine Absicht begangen habe, und ich bitte diejenigen, welchen ich in dieser Weise zu nahe getreten bin, diejenigen, die heute hier anwesend, sowie diejenigen, die abwesend sind, mir zu vergeben. []

[An Philipp gerichtet]

Wärest Du durch meinen Tod in den Besitz dieser Provinzen gelangt, so würde eine so schöne Erbschaft mir wohl einen gerechten Anspruch auf Deine Dankbarkeit gesichert haben. Jetzt aber, wo ich sie Dir freiwillig übergebe, zu Deinem Vortheil gleichsam vor der Zeit sterbe, erwarte ich, dass mich die Liebe und Sorge, die Du Deinem Volke widmest, in solchem Masse belohnen werde, wie ich es um einer solchen Gabe willen verdiene. Andere Könige schätzen sich glücklich, wenn sie in ihrer Todesstunde ihre Kronen ihren Kindern auf’s Haupt setzen können; ich will dieses Glückes im Leben mich freuen und Dich regieren sehen. Meine Handlungsweise wird wenig Nachahmer finden, wie sie wenige Beispiele hat, aber sie wird gepriesen werden, wenn Du mein Vertrauen rechtfertigst, wenn Du in der Weisheit beharrst, welche Du seither bekundet hast, und wenn Du fortfährst, der eifrige Vertheidiger des katholischen Glaubens und des Gesetzes und der Gerechtigkeit zu sein, welche die Kraft und das Bollwerk der Herrschaft sind. Mag auch Dir ein Sohn beschieden sein, dem Du in gleicher Weise Deine Macht übertragen kannst.

B. Kaiserliche Instruktion für die Abdikationsgesandtschaft zu Ferdinand I. und zu den Kurfürsten

3. August 1556

[] Erstlich sollen die Gesandten bei Ro. Kho. Mat. den weg suechen und befurdern, auff das dieselbe des Reichs vollige administration und keiserliche preeminentz, hoheit, Dignitet und Titul an sich nehme und die key. Mat. derselben allen entlade.

Und dahe solchs Ir Kho. Mat. zu thun urbutig, haben die gesandten ferner bevelch, sich zu allen und jeden Churfursten des reichs insonderheit zu verfuegen und bei denselben nachvolgende puncten zu vermelden:

Nemblich, das die key. Mat. inen allergnedigist danksag, das sie Ire Mat. vor allen andern potentaten und fursten zu diser keyserlichen dignitet und hochheit erfordert und erwelet, mitt ferner erclerunge, das sich Ir Mat. auß Irem aigen gewissen zu berichten wußten, das sie seith anfang Irer Keiserlichen regierung furnemlich des heiligen Romischen Reichs nutz, ehr, wolfart und gedeien mitt aller trew gesucht und demselben Ires bestes verstandts und vermugens jederzeit furgestanden, wär auch solchs hinfuro zu thun nitt weniger allergnedigist genaigt gewest, wohe Ir Mat. die treffenliche beschwernussen, muhe und arbeit hette in ainigen weg lenger oder ferrer ertragen mogen.

Demnach aber Ir Mat. sich Irer unvermoglicheit und blodigheit auß obligender langwiriger leibsschwacheit am besten zu erinnern, hetten Ir Mat. leiden mogen, das sie mitt allen Churfursten in einer gemainen versamlung khunfftiger des reichs succession und administration halben aigner person nach notturfft khomen ratschlagen und schliessen.

Dieweil aber Ir Mat. die raise zu landt furter gantz unleidlich und dobeneben zu besorgen gewesen, Sie hetten durch solche raisen die gelegenheit mitt gutem windt abzuschiffen versaumbt, hette Ir Mat. nitt underlassen, mit Irem freundtlichen lieben bruder die sach geburendts vleiß zu behertzigen etc., welcher, Irer Key. Mat. begeren nach, gemainem vatterland theutscher nation zu sonderlichem auffnemen und wolffart sich gantz willig und genaigt auch dahin vernemen lassen, das er neben der administration, die ihme als romischen Khonig, abwesendt Irer Key. Mat., one das geburt, auch mitt dem keyserlichen Titul, preeminentz, Scepter und dignitet sich zu beladen ungeweigert.

Seintemall dan gott der almechtig gemainen Stenden des reichs disen Konig auß sonderlicher versehung gegeben, bei welchem biß anher nitt allein ein gantz vetterlich gemueth und zunaigung gegen dem reich theutscher Nation und desselben glider gespurtt, sonder auß vilen treffenlichen handlungen merglicher verstandt, tugent und dapfferkheit vermerckt, so wolle Ir Mat. sie, die Churfursten, gantz gnedigist ersucht und ermanet haben, sich hierein getrew mainender handlung zu vergleichen und den romischen Khonig für Iren rechten, von gott gegebnen keiser erkhennen, auffnemen und halten, demselbigen auch den gehorsam, den sie biß anhero Ir Mat. erzeigt, der gebur laisten.

Wofer dan die Churfursten solchs verwilligen, sollen die gesandten sie, die Churfursten, aller gelubden und pflichten, mitt dero sie der ro. key. Mat. biß anhero zugethon und verwandt gewesen, entledigen etc. und sie auff die ro. Kho. Mat. hinfuro, wie vermeldt, anweisen etc. und sich nach solcher verwilligung nachmals zu der Kho. Mat. verfuegen, derselben die verwilligung und annemung der Churfursten verkhundigen und derselben darneben zu eingang Irer key. Regierung die ehr gottes und handthabung der waren, alten catholischen kirchen und die wolffart, frid und rhue des heiligen romischen reichs mitt vleiß bevelhen.

Zu diser handlung haben die gesandten ein aigen underschidlichen gewalt.

Im faal aber da die Ko. Mat. des ro. keiserthumbs Titel, preeminentz und administration, wie vermeldt, an sich zu nemen nicht zu bewegen wären, haben die gesandten ein andern, auch underschidlichen gewalt und bevelch, mitt Ko. Mat. dahin zu handlen, das dieselb mitt des keiserthumbs hoheit, dignitet und administration sich belade, und der titel allein der key. mat. gelassen werde, und im fall der willigung sollen die gesandten bei den Churfursten den Consens, wie bei dem ersten puncten außgefurt, gleicher gestalt befurdern.

Dahe aber auch ditz bei der khon. Mat. nitt wäre zu erhalten, haben die gesandten den dritten, auch abgesonderten gewalt und bevelch, der khon. Mat. die administration des heiligen reichs, wie die Ir Mat. in abwesen der ro. keyen Mat. geburtt, [zu] befelhen und die Churfursten, auch andere Stend des reichs zu geburender gehorsam anzumanen und zu weisen.

Zu disen dreien abgesonderten acten haben die Gesandten drei unterschidlich abgesonderte gewält und bevelch, einen jeden insonderheit nach erforderung der sachen furzulesen und die andere hinder sich zu verhalten, biss die erste und furgeende handlung one frucht abgangen und davon nichts mehr zu verhoffen sei etc.

Quelle: Alfred Kohler, Hrsg., Quellen zur Geschichte Karls V. Darmstadt: WBG, 1990, S. 466–68; 480–82.