Quelle
Drey jahre sind nun verflossen, dass ich die staatsverwaltung habe übernehmen müssen. Ich habe durch selbe zeit in allen theilen der administration meine grundsätze, meine gesinnungen und meine absichten mit nicht geringer mühe, sorgfalt und langmuth sattsam zu erkennen gegeben. Ich habe mich nicht begnügt, einmal eine sache nur zu befehlen, ich habe sie ausgearbeitet und entwikelt, ich habe die von vorurtheilen und eingewurzelter alter gewohnheit entsprungene umstände durch aufklärung geschwächet und mit beweisen bestritten. Ich habe die liebe, so ich fürs allgemeine beste empfinde, und den eifer für dessen dienst jedem staatsbeamten einzuflössen gesucht. Hieraus folgt nothwendig, dass von sich selbsten anzufangen man keine andere absicht in seinen handlungen haben müsse, als den nutzen und das beste der grössern zahl. Ich habe den chefs vertrauen geschenket und gewalt eingeräumt, damit sie sowohl auf die gesinnungen ihrer untergebenen, als in der that wirken können. Die auswahl der personen ist ihnen ganz und gar frey gelassen worden. Vorstellungen und beygebrachte ursachen, dann die allemal schätzbare wahrheiten habe ich von chefs, so wie von jedermann immer mit vergnügen aufgenommen: täglich und stündlich war ihnen meine thür offen, theils um ihre vorstellungen anzuhören, theils ihre zweifel aufzuklären. Nun erachte ich meiner pflicht und derjenigen treue gemäss, so ich dem staat in allen meinen handlungen lebenslänglich gewidmet habe, dass ich ernstgemessenst auf die erfüllung und ausübung aller ohne ausnahme von mir gegebenen befehlen und grundsätzen halte, welche ich bis jetzo nicht ohne leidwesen so sehr vernachlässiget sehe. Dass zwar viel befohlen und auch expedirt, aber auf die befolg- und ausübung auf keine art gesehen wird, daraus entstehet, dass so viele wiederholte befehle erfolgen müssen und man dennoch von nichts versichert ist, ja nur die meisten in so weit handwerksmässig die geschäfte behandlen, dass nicht mit dem absehen, das gute zu erwirken und die leute von demselben zu belehren, zu werke gegangen, sondern nur das höchstnothwendige geleistet werde, um nicht in einen prozess zu gerathen und die cassation zu verdienen.
Auf diese mechanisch-knechtische art ist es unmöglich, mit nutzen die geschäfte zu betreiben. Wer bey einer hofstelle oder in einem lande ein chef, vicepraesident oder kanzler, rath, kreishauptmann, obergespann, vicegespann oder vorsteher was immer für einer gattung geistlich-, weltlich- oder militarstandes seyn oder verbleiben will, muss
1mo von nun an alle nach mass des ihm anvertrauten faches der staatsverwaltung von mir erlassene hauptentschliessungen und normalresolutionen neuerdings aus den registraturen erheben, selbe sammlen und solche dergestalten fleissig lesen und durchgehen, damit er den wahren sinn derselben und deren absehen sich ganz eigen mache.
2do hat die erfahrung nur leider bewiesen, dass anstatt das gute in einer resolution aufzusuchen und den sinn, den man gleich nicht recht begreift, zu ergründen oder nach billigen vertrauen auf die bekannte gesinnungen selben mit eifer zu ergreifen und sich die befolgung angelegen zu halten, man nur denselben auf der unangenehmen oder verkehrten seite betrachtet, dessen expedirung solang als nur möglich verzögert, ohne erläuterungen dahin gibt, keinen menschen belehret und dergestalten nur ein unwirksames geschrey auszubreiten trachtet, ja meist eine unbedeutende und öfters zur befolgung nicht genug klare belehrung hinausgibt, anmit aber den wahren unterscheid nicht beobachtet, dass der landesfürst durch seine befehle nur seine gesinnungen und absehen zu erkennen gibt, seine hof- und landesstellen aber gemacht sind, seine willensmeinung bestimmter zu erklären und alle wege, welche zu deren richtiger-, genauer- und geschwinderen befolgung führen können, auszuwählen und anstände zu entfernen, auch darauf beständig zu wachen, dass sie fleissig und ohne ausnahm befolget werden, weil nur aus dem ganzen umfang und aus der genauen befolgung das wahre gute entstehen kann und zu geschehen hat. Ohne dieses absehen und gesinnung wäre die beybehaltung so vieler hof- und länderstellen und übriger davon abhangender beamten die übelste staatswirtschaft, da mit so vielen kösten so viele leute gehalten würden, die mehr zur verwirrung und vereitlung der geschäften, als zu deren beförderung und befolgung dienen; wenn diese stellen nur materialisch verbleiben, nicht wirken und nicht nachsehen, so könte keine wirtschaftlichere einrichtung seyn, als sie samentlich abzudanken und dadurch millionen zu ersparen, welche an der contribution nachgelassen würden und wovon der unterthan eine viel grössere wohlthat spürte, als ihm itzo bey schlechter verwaltung von so zahlreichen beamten zugehet, und könten die befehle und berichte eben so gut gerad hieher ad centrum von den dominiis oder kreishauptleuten einlaufen, alhier die generalien gedrukt, an alle hinausgeschikt, so wie alle die particuliers betreffende gegenstände abgethan werden, als wenn so wie anjetzo durch einen langen umtrieb eine kahle begleitung des kreishauptmanns oder comitats, der landesstelle und eben so die erfolgende entschliessung ohne weiterer belehrung hinaus erlassen wird, wodurch nur zeit verlohren und viele aufsätzmachende, überlegende, eintragende, abschreibende und endlich unterschreibende besoldet werden. Wenn aber, wie ich es für die zukunft verhoffen will und einzuführen wissen werde, diese gesamte vom staat besoldete blos allein nach ihrem amt mit allen ihren kräften auf die befolgung aller befehle, auf die erklärung und einleitung aller aufträge wachen und das gute in allen theilen erhalten und bewerkstelliget werden wird, alsdann ist deren zahl und beköstigung eine väterliche vorsorge, wovon jedes individuum in der monarchie seinen nutzen und das gute zu ziehen hat.
3tio Aus diesem folgt, dass bey allen stellen ohne ausnahm jederman einen solchen trieb zu seinem geschäft haben muss, dass er nicht nach stunden, nicht nach tägen, nicht nach seiten seine arbeit berechnen, sondern alle seine kräften anspannen muss, wenn er geschäfte hat, um selbe vollkommen nach der erwartung und nach seiner pflicht auszuführen und, wenn er keine hat, auch derjenigen erholung, die man so billig doppelt empfindet, wenn man seine pflicht erfüllt zu haben sich bewusst ist, geniesse.
Der nicht liebe zum dienst des vaterlandes und seiner mitbürger hat, der für erhaltung des guten nicht von einem besondern eifer sich entflammt findet, der ist für geschäfte nicht gemacht und nicht werth, ehrentiteln zu besitzen und besoldungen zu ziehen.
4to Eigennuz von aller gattung ist das verderben aller geschäften und das unverzeihlichste laster eines staatsbeamtens. Der eigennuz ist nicht allein von geld zu verstehen, sondern auch von allen nebenabsichten, welche das einzige wahre beste, die aufgetragene pflicht und die wahrheit im berichten und die genauigkeit im befolgen, verdunkeln, bemänteln, verschweigen, verzögern oder entkräften machen. Jeder, der sich dessen schuldig macht, ist für alle weitere staatsdienste gefährlich und schädlich, so wie der, der es weiss und nicht entdeket, mit ihm unter der karte stekt und ebenfalls entweder aus dessen eigennüzigkeit seinen nuzen ziehet oder nur die gelegenheit erwartet, solches gleichfalls zu thun. […]
5to Wer dem staat dienen will und dient, muss sich gänzlich hindansezen, wie schon oben gesagt worden. Aus diesem folgt, dass kein nebending, kein persönliches geschäft, keine unterhaltung ihn von dem hauptgeschäft abhalten und entfernen muss und also dass auch kein authoritaetsstreit, kein ceremoniel, courtoisie oder rang ihn im mindesten abhalten muss; zu erreichung des hauptziels das beste zu wirken, der eifrigste zu seyn, am mehresten ordnung unter seinen untergebenen zu halten, […]
6to So wie eines jeden pflicht ist, verlässig zu berichten, alle facta nach den hauptgrundsätzen zu beurtheilen und seine meinung freymüthig beyzurüken, so ist es auch die schuldigkeit eines jeden staatsbeamten, dass er selbst auf abstellung aller misbräuchen, auf die wahre und beste art zu befolgung der befehlen, auf die entdekung der dagegen handelnden, endlich auf alles, was zum aufnahm und besten seiner mitbürger gereichen könte, nachsinne, als zu deren dienst wir samentlich bestimmet sind. […]
8vo Da das gute nur eines seyn kann, nemlich jenes, so das allgemeine und die gröste zahl betrift und ebenfalls alle provinzen der monarchie nur ein ganzes ausmachen und also nur ein absehen haben können, so muss nothwendig alle eifersucht, alles vorurtheil, so bis itzo öfters zwischen provinzen und nazionen, dann zwischen departemens so viele unnütze schreibereyen verursacht hat, aufhören und muss man sich nur einmal recht eigen machen, dass bey dem staatskörper, so wie bey dem menschlichen körper, wenn nicht jeder theil gesund ist, alle leiden und alle zur heilung auch des mündesten übels beytragen müssen. Nazion, religion muss in allen diesen keinen unterschied machen und als brüder in einer monarchie müssen alle sich gleich verwenden, um einander nuzbar zu seyn. […]
10mo In geschäften zum dienste des staats kann und muss keine persönliche zu- oder abneigung den mindesten einfluss haben. So wenig als sich unterschiedene karaktere und denkungsarten untereinander in dem bürgerlichen umgange in eine freundschaftliche verbindung nöthigen lassen, eben so muss in geschäften deren wohl und beförderung das einzige ziel der dienenden seyn und jedem der der liebste, der schäzbareste seyn, welcher am tauglichsten und fleissigsten ist. […]
13tio Da alles darauf kömt, dass die befehle richtig begriffen, genau vollzogen und die verwendende individua nach ihrer fähigkeit oder unfähigkeit richtig beurtheilt, erkant und darnach angewendet werden, so ist es unentbehrlich nothwendig, dass alle jahre oder, so oft als nur eine vermuthung ist, dass es in ein- oder anderer provinz entweder unordentlich oder langsam oder nicht zwekmässig zugehet, entweder der chef selbst oder der von ihm abschikende sogleich sich zur landesstelle oder dem general-commando begebe, die umstände in loco untersuche, die verwendende subjecte prüfe, jederman anhöre und hernach sogleich nach den schon bestehenden befehlen das unrechte abstelle, jedem zurechte weise oder die sich findende erhebliche anstände mir anzeige, zugleich aber die beseitigung der untauglichen subjecten veranlasse. […]
14to Jeder wahre diener des staats und redlich denkender muss bey allen vorschlägen und verbesserungen, welche offenbar für das allgemeine, seye es in der belegungsart, in der besteuerung oder in einer wirtschaftlicheren gebahrung nuzbarer, einfacher oder ordentlicher ausfallen können, nie auf sich zuruksehen, nach seinem persönlichen interesse oder annehmlichkeit die sache berechnen und sich dagegen, wenn sie ihm lästig, und dafür, wenn sie ihm nuzbar wäre, erklären, sondern er muss sich stäts nach dem grossen grundsatz benehmen, dass er nur ein einzelnes individuum seye und dass das beste des grössern haufens weit das seinige, so wie eines jeden particulier und selbst des landesfürsten, als einzelner mann betrachtet, übertreffe; er muss erwegen, dass er an deme, was für das allgemeine, dessen einzeln theil er ausmacht, nuzbar ist, ganz gewis, wenn es ihm auch nicht gleich anfangs einleichtend wird, dennoch in der folge er einen vortheil selbst theilen werde.
Dieses sind in kurzen meine gesinnungen; dass selbe befolgen zu machen mich pflicht und überzeugung leitet, können meine wörter und mein beyspiel beweisen und, dass ich selbe in ausübung setzen werde, kann man hiernach versichert seyn. Wer nun mit mir so denket und sich als einen wahren diener des staats, so lange er selben dient, ganz mit hindansetzung aller anderen ruksichten widmen will, für diesen werden vorstehende meine sätze begreiflich seyn und ihm deren ausübung eben so wenig als mir beschwerlich fallen; jener aber, der nur das seinem dienst anklebende utile oder honorificum zum augenmerk hat, die bedienung des staats aber als nebending betrachtet, der soll es lieber voraussagen und ein amt verlassen, zu dem er weder würdig, noch gemacht ist, dessen verwaltung eine warme seele für des staats bestes und eine vollkommene entsagung seiner selbst und aller gemächlichkeiten fordert.
Dieses ist, was ich jederman zu erkennen zu geben finde, damit das so wichtige werk der staatsverwaltung zu seinem wesentlichen endzwek von jedem dazu gebraucht werdenden geleitet werde.
Quelle: Die Österreichische Zentralverwaltung. Abt. 2: Von der Vereinigung der Österreichischen und Böhmischen Hofkanzlei bis zur Einrichtung der Ministerialverfassung (1749–1848). Bd. 4: Die Zeit Josephs II. und Leopolds II. (1780–1792). Aktenstücke. Bearbeitet von Friedrich Walter. Wien: Holzhausen, 1950, S. 123–32; abgedruckt in Helmut Neuhaus, Hrsg. Zeitalter des Absolutismus 1648–1789. Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung. Hrsg. Rainer A. Müller, Band 5. Stuttgart: P. Reclam, 1997, S. 438–52.