Kurzbeschreibung

Der Vorläufer des Hörspiels, das Hörbild, war eine dramatisierte Szene mit zusätzlichen Geräuscheffekten. (In ähnlicher Weise wurden frühe Filme, deren Ton von einer Platte synchron abgespielt wurde, als Tonbild bezeichnet.) Kommerzielle Hörbild-Aufnahmen umfassten Dramatisierungen berühmter Reden und Monologe, Schlachtszenen (wie die fiktive Szene aus dem Krieg gegen die Herero, die ebenfalls in diesem Band enthalten ist) und komödiantische Sketche. Diese Aufnahme von 1912 mit dem Titel „Die Frauenrechtlerin“ parodiert die Frauenbewegung und ihre Protagonistinnen als männerfeindlich, militant und pseudo-intellektuell. Der Autor oder die Autorin der Szene ist unbekannt. Sie spielt bei einer Versammlung eines örtlichen Frauenvereins, dessen Aufgabe ,,der Kampf gegen die männliche Unterdrückung und Hebung der Frauenschönheit" war. ,,Denn nur die Schönheit ist das Kampfmittel gegen die Bestie ,,Mann" genannt.“ Die Vorsitzende wird von der Schauspielerin Clara Berger gesprochen, während für die weiblichen Vereinsmitglieder hohe Männerstimmen verwendet werden. Mehrere männliche Zwischenrufer aus dem Publikum unterbrechen die Versammlung ständig. Die Vorsitzende kündigt dann einen Vortrag eines Mitglieds namens „Fräulein Ohnewas“ zu einem unsinnigen Thema an, das sich um Röcke, riesige Hüte und Kosmetika dreht. Schließlich verkündet sie, dass Frauen in ihrem Kampf um Emanzipation nicht länger schweigen, sondern sich vehement zu Wort melden würden, „bis den Männern die Augen übergehen.“
Während die Frauenbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen starken Auftrieb erlebte, gab es gleichzeitig organisierte politische Bestrebungen, die Emanzipation der Frauen zu bekämpfen. Eine der Hauptforderungen der Frauenbewegungen dieser Zeit war das Frauenwahlrecht. Bei den Reichstagswahlen 1912 erzielte die SPD, die sich für das Frauenwahlrecht einsetzte, einen bedeutenden Stimmenzuwachs. Im selben Jahr wurde der „Deutsche Bund zur Bekämpfung der Frauenemanzipation“ gegründet, dessen Mitglieder hauptsächlich aus der städtischen, protestantischen, berufstätigen Mittelschicht stammten – und ein Viertel von ihnen waren Frauen. Neben konservativen Argumenten, dass die Emanzipation der Frauen traditionelle Ehe- und Familienmuster bedrohe, befürchteten die Gegner des Frauenwahlrechts, dass es zu einem allgemeinen Wahlrecht führen könnte, das die Arbeiterklasse stärken und damit das Ende der deutschen Monarchie bedeuten würde.

Parodie Die Frauenrechtlerin (1912)

Quelle

 Meine lieben Schwestern,

Ich eröffne die heutige Sitzung des hiesigen Frauenclubs und mache Sie, meine lieben Schwestern darauf aufmerksam, dass diese Sitzung allmonatlich einmal in unserem Frauenclub stattfindet. Zweck des Clubs ist der Kampf gegen die männliche Unterdrückung und Hebung der Frauenschönheit. Denn nur die Schönheit ist das Kampfmittel gegen die Bestie ,,Mann" genannt.

Wenn die paar Männer, welche sich heute in unserer Versammlung befinden, sich nicht ganz anständig betragen, fliegen sie raus!

[Zwischenrufe]:  Mal langsam hier! [Glocke] Langsam!

Als erste Rednerin hat sich gemeldet Fräulein Ohnewas aus Mönchen-Gladbach. Fräulein Ohnewas spricht über das Thema ,,Der Rumpelrock in seinem symmetrischen Verhältnis zum Diagonal-System des zierrosenbedeckten Riesenhutes sowie des Einflusses der modernen Kleidung auf die Nervenzentrale mit besonderer Berücksichtigung der hygrodermatolen Kosmetik.

[Zwischenrufe]: Was? Ruhe!

Meine lieben Schwestern, bevor ich nun Fräulein Ohnewas das Wort erteile, möchte ich noch einige Worte an Sie richten. Man hat uns gesagt, die Frauenemanzipation wäre ein totgeborenes Kind, welches sich im Sande verläuft. Ha! Gibt es wohl etwas Dümmeres als diese Behauptung? Meine lieben Schwestern, dass wir endlich die Übermacht bekommen, liegt doch klar auf der Hand! Es werden doch siebenmal mehr Mädchen im Jahr geboren als Knaben.

[Zwischenrufe]: Sehr richtig! Bravo, bravo, bravo!

Man spricht stets nur von der Schwäche des Weibes. Aber, liebe Schwestern, unsere Schwäche ist eben unsere Stärke.

[ Zwischenrufe]: Bravo, bravo bravo! Sehr richtig!

Und doch halten wir Frauen mehr aus wie der Mann. Ich wünschte nur, die Natur hätte einmal ein Einsehen und ließe die Männer auch mal Mutter werden, damit sie mal eine Ahnung hätten, wie es ist!

Bravo! Sehr richtig!

[Zwischenrufe Männerstimmen]: Ha ha ha!  Machen wir, machen wir!

Liebe Schwestern, die Frau muss sich vollständig vom Mann emanzipieren. Wir brauchen keine Männer!

[Zwischenrufe]: Na, na, na! Ruhe, Ruhe Ruhe, Ruhe!

Die Männer heiraten nur des Geldes wegen. Sie streben nur nach unserem Vermögen und nach dessen Nießbrauch. Und wenn sie es verbraucht haben, niesen sie uns was!

Bravo, bravo, bravo!

Ja, meine lieben Schwestern, wir haben bis heute geschwiegen.

[ Zwischenrufe Männerstimmen]. Ruhe, Ruhe!

Aber nun ist der Bann gebrochen und nun werden wir reden ohne aufhören. Reden wollen wir, dass den Männern die Augen übergehen sollen! Ja, meine lieben Schwestern, wir wollen nicht mehr die Sklavin des Mannes sein. Wir wollen uns nicht mehr tyrannisieren und stoßen lassen. Wir wollen niederstoßen! Wir müssen oben zu liegen kommen in diesem gerechten Kampfe! Gewiss, wir haben es schon herrlich weit gebracht. Wir müssen es aber unter allen Umständen dahin bringen, dass die Hosen ganz in unseren Besitz kommen!

Darum liebe Schwestern, durch Kampf zum Sieg! Stimmen Sie mit mir in den Ruf: die internationale Frauenbewegung, die lebe hoch, hoch, hoch!

Quelle: Die Frauenrechtlerin, Autor/in unbekannt, Stimme: Clara Berger, 1912. Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv

DRA