Kurzbeschreibung

Das Hörbild, eine dramatisierte Szene mit zusätzlichen Geräuscheffekten, war der Vorläufer des Hörspiels und entstand bald nach der Erfindung der Tonaufzeichnungstechnik. Hörbilder wurden zunächst auf Wachszylindern und später auf Schallplatten aufgenommen und als Unterhaltungsmedium vertrieben. Diese Aufnahme, die im August 1914 vom Plattenlabel Deutsche Grammophon produziert wurde, ist ein Beispiel für die Begeisterung sowie die Kommerzialisierung dieser Begeisterung, die mit der von Wilhelm II. am 1. August 1914 angeordneten Mobilmachung der Truppen einherging. (Diese kommerzialisierte Begeisterung, obwohl völlig inoffiziell, war das früheste Beispiel dessen, was man im Kontext der deutschen Kriegführung als „Propaganda” bezeichnen könnte.) Dieses Hörbild wurde unter dem Titel „Vaterländische Aufnahme der Deutschen Grammophon zum Besten deutscher Krieger und deren Angehörigen” verkauft. Wie viele Plattenlabels, Filmproduktionsfirmen, Zeitungen und Zeitschriften warb auch die Deutsche Grammophon mit ihrer Bereitschaft, die Kriegsanstrengungen an der Heimatfront zu unterstützen (und profitierte von dieser Unterstützung), indem sie patriotische Werke wie diese Aufnahme produzierte.

In einer fiktiven Szene verlässt ein Bataillon seine Garnison in einer ungenannten deutschen Stadt. Der Bürgermeister der Stadt und der Oberst des Bataillons halten jeweils eine kurze Rede vor den versammelten Bürgern und Soldaten, bevor das Bataillon in einen Zug steigt. Während der Bürgermeister die offizielle Behauptung der deutschen Regierung wiederholt, dass Deutschland zu einem Verteidigungskrieg gezwungen worden sei, betont der Oberst die Bereitschaft der Soldaten, ihr Leben für ihr Land zu opfern. Neben den Reden sind militärische Befehle und patriotische Lieder wie „Die Wacht am Rhein“ zu hören. Die zu diesem Zeitpunkt von vielen Deutschen getragene Überzeugung, dass der Krieg für ihr Land kurz und siegreich sein würde, kommt in den Worten eines Zivilisten zum Ausdruck, der wissen möchte, wohin er seine Briefe an einen Frontsoldaten schicken soll, und dann zuversichtlich beschließt, sie einfach nach Paris zu schicken, da die deutschen Truppen die französische Hauptstadt sicher bald besetzt haben würden.

„Vaterländische Aufnahme der Deutschen Grammophon zum Besten deutscher Krieger und deren Angehörigen“ (1. August 1914)

Quelle

[Musik und Jubel]

Bataillon! Halt! Gewehr ab! Rührt euch!

Bürgermeister: Herr Oberst, ich kann es mir in dieser schweren Stunde nicht versagen, im Namen der Stadt und ihrer Einwohner unserem geliebten Regiment Lebewohl zu sagen.

Schwere Zeiten sind über uns hereingebrochen, Feinde ringsum. Nach vierundvierzig Jahren zwingt man uns die Waffen in die Hand, um nach segensreichen Jahren des Friedens unser Hab und Gut und unsere Stellung als Großmacht zu verteidigen.

Wie ein Mann hat sich Deutschland erhoben und freudig ziehen die Söhne unseres Volkes hinaus, um in blutigen Schlachten deutsche Ehre und deutsches Eigentum zu schützen. Wir müssen siegen, denn wir kämpfen für eine gerechte Sache.
Die besten Segenswünsche begleiten unser geliebtes Regiment und wir alle wünschen in dieser weihevollen Abschiedsstunde ein frohes Wiedersehen nach siegreichem Kampf. Wir aber wollen einstimmen in den Ruf: Unser geliebtes Regiment, Hurra - Hurra / Hurra - Hurra / Hurra - Hurra

[Lied: Die Wacht am Rhein]

[Jubel]

Oberst: Mein lieber Herr Bürgermeister! Im Namen des Regiments herzlichen Dank für die freundlichen Abschiedsworte.

Freudigen Herzens folgen wir dem Rufe unseres Kaisers, um für das Vaterland zu kämpfen. Jeder von uns ist stolz, sein Leben für das Vaterland einzusetzen. Der langen segensreichen Friedensjahre, die wir in den Mauern der uns lieb gewordenen Stadt in inniger Harmonie mit der gesamten Bürgerschaft verbracht haben, werden wir uns stets dankbar erinnern.
Jetzt ist keine Zeit für Worte, sondern durch die Tat muss bewiesen werden, dass wir für das Vaterland und den Kaiser zu kämpfen bereit sind. Mit den besten Segenswünschen für die Zukunft unserer Garnison und ihrer Einwohner ziehen wir hinaus, dem Feinde entgegen.

Stimmen Sie mit mir ein in den Ruf: Unser oberster Kriegsherr, seine Majestät Kaiser Wilhelm II., Hurra - Hurra / Hurra - Hurra / Hurra - Hurra

[Lied: Heil dir im Siegerkranz]

[Zuggeräusche]

[Lied: Die Russen sind alle Verbrecher]

[Gelächter]

Also bitte, wo soll ich das denn nun hinschreiben? Ach was, am besten Hauptlageramt Paris, wir sind ja doch bald da!

[Fanfare]

[Lied: Muss i denn zum Städele hinaus]

Quelle: Vaterländische Aufnahme der Deutschen Grammophon zum Besten deutscher Krieger und deren Angehörigen, 1. August 1914. Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv

DRA