Kurzbeschreibung

Der preußische Jurist Rudolf Havenstein (1857–1923) war von 1908 bis zu seinem Tod 1923 Präsident der Reichsbank. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, schuf er ein System von Kriegsanleihen, um die deutsche Kriegführung zu finanzieren. Die Anleihen wurden zunächst durch Zeichnungsaufrufe an Einzelpersonen, Unternehmen und Organisationen beworben und waren in den ersten Kriegsjahren recht erfolgreich. Nachdem die kleinen Zeichnungen ab 1916 zurückgingen, wurden die Kriegsanleihekampagnen durch große, koordinierte Propagandakampagnen auf Plakaten, Postkarten und in Printmedien unterstützt. Zwischen 1914 und 1918 wurden insgesamt neun Kriegsanleihen jeweils im März und September eines Jahres ausgegeben. Die Anleihen deckten etwa 60 % der deutschen Kriegskosten.

Hier zu hören ist ein Auszug aus einer Rede, die Havenstein ursprünglich am 20. September 1917 vor der Frankfurter Handelskammer hielt. Vor einem Publikum aus Wirtschaftsvertretern fordert Havenstein diese auf, die siebte Kriegsanleihe zu zeichnen, die im September 1917 ausgegeben wurde. Er appelliert an den deutschen Patriotismus, indem er Kriegsanleihen als notwendigen Beitrag der Heimatfront zum Sieg erklärt. Den Krieg stellt er als notwendig dar, um die Errungenschaften Deutschlands seit der hart erkämpften Reichsgründung zu verteidigen, und zitiert in seiner Rede einige Zeilen aus dem Gedicht „An der Mosel“, das Emanuel Geibel, ein damals viel gelesener deutscher Dichter, über den Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 geschrieben hatte. Im Herbst 1917 wurden jedoch die Rufe nach einem Ende des Krieges nicht nur an der Heimatfront immer lauter, und es bestand wenig Begeisterung für eine weitere Finanzierung des Krieges. Havenstein verlas Teile seiner Rede noch einmal für diese Tonaufnahme, die im August 1918 für die Sammlung der Lautabteilung der Preußischen Staatsbibliothek angefertigt wurde.

Rudolf Havenstein, Aufforderung zur Zeichnung der 7. Kriegsanleihe (September 1917)

Quelle

Und nun, meine Herren, zum Schluss noch einmal die Bitte an Ihre eigene Person, um Ihre Mitarbeit zum Erfolge unserer siebenten Kriegsanleihe mit allem, was in Ihnen ist. Auch unsere Kriegsanleihen sind ein Teil des Kampfes, der über unseres Volkes Zukunft entscheidet und dessen Schlachten ebenso mit der Arbeit und der Wirtschaftskraft wie mit den Waffen geschlagen werden. Auch Sie gehören zu den Entscheidungstaten und Entscheidungsstunden der Geschichte, die in diesen Jahren des Völkerringens sich aneinanderreihen. Es gilt, das Erbe zu sichern, das unsere Großväter vor fast 50 Jahren uns erstritten haben. Es gilt aber auch, das Vermächtnis der Hunderttausende unserer Söhne und Brüder, der Besten unseres Volkes, die nicht mehr zurückkehren zu erfüllen, um das zu vollenden und zu sichern, wofür sie ihr Leben gelassen haben: Deutschlands Leben und Zukunft, Deutschlands Größe und freie Entwicklung.
Und wir wollen des Dichters Wort eingedenk bleiben: ,,Nimmer soll, das ihr Vergossen, euer Blut umsonst geflossen, nimmer soll's vergessen sein!''
Es gilt, deutsches Wesen und deutsche Gesittung gegen allen Hass und alle Gewalt einer feindlichen Welt zu behaupten. Es gilt, den neidgeborenen Plan unserer Feinde zu zerschlagen, zu verhüten, dass unser herrliches, nach jahrhundertelanger Not endlich zur politischen Großmacht geeintes, zu wundervoller Höhe emporgestiegenes, dieses tatenfrohe, in friedlicher Arbeit ringende, mitten in der Weltwirtschaft stehende Volk wieder zurücksinke, wohin unsere Feinde es haben wollen, zu dem leidhaften Weltbürgertum versunkener trauriger Jahrhunderte, mit dem Elend der Kleinherrschaft und dem armen Binnenlande, das sein Volksreichtum nicht ernähren konnte und viele Millionen seiner Söhne deshalb aussenden musste in die Fremde.
Nur ein Sieg in diesem Kampf kann uns das geben und uns endgültig die Stellung sichern, die fast ein halbes Jahrhundert friedsamer Arbeit und politischen Zusammenhaltens uns errungen hat. Aber dieser Sieg kann nur errungen werden, wenn die gesamte deutsche Kraft dabei eingesetzt wird. Rastlos und restlos, daheim wie draußen, die Kraft der Waffen wie der deutschen Arbeit und ihres ganzen reichen Ertrages. Und in diesem Kampfe darf keiner fehlen, ob er Waffen trägt oder den Arbeitskorb. Und dazu hält sich jeder in seinem großen oder kleinen Wirkungskreise, dass die Herzen heiß werden und die Augen klar, dass sie erkennen, worum es sich handelt und warum keiner zurückbleiben darf. Der Endkampf steht gut für uns.
Die deutsche Wirtschaftsarbeit steht unerschüttert. Die Kraft ist da! Und wir dürfen auch in dieser siebenten Schlacht der Heimat des Sieges und des herzerhebenden Erfolges gewiss sein. Und darum, meine Herren, wie unser Kaiser in Riga seinen Truppen zurief: ,,Frisch an den Feind, mit fröhlichem Herzen und eisernem Willen zum Siege über alle Feinde Deutschlands!'', so mag es auch für unsere siebente Kriegsanleihe gelten und hinaustönen ins Land. Mit fröhlichem Herzen und eisernem Willen selbst kämpfen und siegen - zeichnet Kriegsanleihen!

Quelle: Reichsbankpräsident Rudolf Havenstein, Aufforderung zur Zeichnung der 7. Kriegsanleihe, 1917. Aufnahmedatum: 24. August 1918. Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv

DRA