Quelle
Es sind dabei zwei ältere Aufsätze an die Spitze gestellt,
welche versuchen, in einem wichtigen
Einzelpunkt der meist am schwierigsten zu fassenden Seite des Problems
näher zu kommen: der Bedingtheit der Entstehung einer
»Wirtschaftsgesinnung«: des »Ethos« einer Wirtschaftsform, durch
bestimmte religiöse Glaubensinhalte, und zwar an dem Beispiel der
Zusammenhänge des modernen Wirtschaftsethos mit der rationalen Ethik des
asketischen Protestantismus. Hier wird also nur der
einen Seite der Kausalbeziehung
nachgegangen. Die späteren Aufsätze über die »Wirtschaftsethik der
Weltreligionen« versuchen, in einem Überblick über die Beziehungen der
wichtigsten Kulturreligionen zur Wirtschaft und sozialen Schichtung
ihrer Umwelt, beiden
Kausalbeziehungen soweit nachzugehen, als notwendig ist, um die
Vergleichspunkte mit der weiterhin zu
analysierenden okzidentalen Entwicklung zu finden. Denn nur so läßt sich
ja die einigermaßen eindeutige kausale
Zurechnung derjenigen Elemente der
okzidentalen religiösen Wirtschaftsethik, welche ihr im Gegensatz zu
anderen eigentümlich sind, überhaupt in Angriff nehmen. Diese Aufsätze
wollen also nicht etwa als – sei es auch noch so gedrängte – umfassende
Kulturanalysen gelten. Sondern sie betonen in jedem Kulturgebiet ganz
geflissentlich das, was im Gegensatz
stand und steht zur okzidentalen Kulturentwicklung. Sie sind also
durchaus orientiert an dem, was unter
diesem Gesichtspunkt bei Gelegenheit
der Darstellung der okzidentalen Entwicklung wichtig erscheint. Ein
anderes Verfahren schien bei dem gegebenen Zweck nicht wohl möglich.
Aber es muß zur Vermeidung von Mißverständnissen hier auf diese
Begrenztheit des Zweckes ausdrücklich hingewiesen werden. Und noch in
einer anderen Hinsicht muß wenigstens der Unorientierte vor einer
Überschätzung der Bedeutung dieser Darstellungen gewarnt werden. Der
Sinologe, Indologe, Semitist, Ägyptologe wird in ihnen natürlich nichts
ihm sachlich Neues finden. Wünschenswert wäre nur, daß er nichts zur
Sache Wesentliches findet, was er als
sachlich falsch beurteilen muß. Wie
weit es gelungen ist, diesem Ideal wenigstens so nahezukommen, wie ein
Nichtfachmann dazu überhaupt imstande ist, kann der Verfasser nicht
wissen. Es ist ja ganz klar, daß jemand, der auf die Benutzung von
Übersetzungen und im übrigen darauf angewiesen ist, über die Art der
Benutzung und Bewertung der monumentalen, dokumentarischen oder
literarischen Quellen sich in der häufig sehr kontroversen Fachliteratur
zu orientieren, die er seinerseits in ihrem Wert nicht selbständig
beurteilen kann, allen Grund hat, über den Wert seiner Leistung sehr
bescheiden zu denken. Um so mehr, als das Maß der vorliegenden
Übersetzungen wirklicher »Quellen« (d. h. von Inschriften und Urkunden)
teilweise (besonders für China) noch sehr klein ist im Verhältnis zu
dem, was vorhanden und wichtig ist. Aus alledem folgt der vollkommen
provisorische Charakter dieser
Aufsätze, insbesondere der auf Asien sich beziehenden Teile. Nur den
Fachmännern steht ein endgültiges Urteil zu. Und nur weil,
begreiflicherweise, fachmännische Darstellungen mit diesem besonderen
Ziel und unter diesen besonderen Gesichtspunkten bisher nicht vorlagen,
sind sie überhaupt geschrieben worden. Sie sind in einem ungleich
stärkeren Maß und Sinn dazu bestimmt bald »überholt« zu werden, als dies
letztlich von aller wissenschaftlichen Arbeit gilt. […]
Quelle: Max Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus (1905). Hamburg, 1973, S. 21-22.