Quelle
Quelle: Bayramfest im Mohamedaner-Gefangenenlager Halbmond und
Weinbergslager zu Wünsdorf bei Zossen (Originaltitel), Reichsfilmstelle,
1916. Bundesarchiv
Filmarchiv
https://digitaler-lesesaal.bundesarchiv.de/video/215/674448
Diese Filmaufnahmen aus zwei Lagern für muslimische Kriegsgefangene stammen aus dem Jahr 1916. Sie wurden von der Militärischen Film- und Fotostelle in Auftrag gegeben, welche die Produktion von Propagandafilmen überwachte. Die Aufnahmen entstanden im sogenannten Halbmondlager und im Weinbergslager, die beide in der Nähe der Stadt Zossen in Brandenburg lagen. Diese Lager wurden zu Beginn des Ersten Weltkriegs eingerichtet, um muslimische Kriegsgefangene aus britischen und französischen Armeen unterzubringen. Die meisten Gefangenen stammten aus Kolonialgebieten in Afrika und Indien. Auch Hindus und Sikhs aus Indien wurden in diesen Lagern interniert. Während des gesamten Krieges verurteilten deutsche Beamte und Zivilisten gleichermaßen lautstark den Einsatz von Kolonialtruppen aus Französisch-Westafrika oder Marokko an der Westfront in Europa durch die Entente und äußerten ihre Empörung darüber, dass „Wilde” im Kampf gegen „zivilisierte” Deutsche eingesetzt würden. Deutsche Illustrierte und Fotobücher, die Kriegsgefangene aus den Kolonialmächten als Wilde darstellten, betonten dabei zumeist die vermeintlich minderwertige rassische „Fremdheit” dieser Soldaten.
Die Situation der muslimischen Kriegsgefangenen, die in diesem Film zu sehen sind, war jedoch eine ganz andere. 1914 hatte der Kalif Sultan des Osmanischen Reiches, ein Verbündeter Deutschlands, muslimische Soldaten aus den britischen und französischen Kolonien zum Desertieren und zum Kampf an der Seite des Osmanischen Reiches in einem Dschihad (heiligen Krieg) gegen die Kolonialmächte aufgerufen. Deutschland richtete auf Anregung seiner Nachrichtenstelle für den Orient, einer vom Generalstab und dem Außenministerium eingerichteten Institution, die Propaganda- und Geheimdienstarbeit im Orient und in Britisch-Indien leistete, spezielle Lager für Muslime ein. Deutschland hoffte, dass diese speziellen Lager dazu beitragen würden, die dort internierten muslimischen Kriegsgefangenen zum Seitenwechsel zu bewegen. Zu diesem Zweck wurde in den Lagern eine Propagandazeitung mit dem Titel El Dschihad verteilt, und türkischsprachige Redner hielten antiimperialistische Vorträge. Für die Gefangenen im Halbmondlager wurde 1915 eine hölzerne Moschee (im Film zu sehen) errichtet. Muslimische Feiertage wurden eingehalten, und die Gefangenen erhielten Speisen, die ihren religiösen Vorschriften entsprachen. (Wir sehen beispielsweise, wie Tiere nach halal-Vorschriften geschlachtet werden.) Der Originaltitel des Films ist irreführend, da „Bayram“ der allgemeine türkische Begriff für wichtige Feiertage ist. Die Aufnahmen zeigen vermutlich entweder das Fest des Fastenbrechens (Eid al-Fitr) oder das Opferfest (Eid al-Adha). Es existieren keine Hinweise darauf, dass die Bemühungen Deutschlands, muslimische Kriegsgefangene für einen Dschihad gegen die Entente zu rekrutieren, erfolgreich waren. Unterdessen weckte das Lager das Interesse deutscher Ethnologen, Linguisten, Musikwissenschaftler und Künstler, die Tonaufnahmen und Zeichnungen von zahlreichen Lagerinsassen anfertigten. Die Tonaufnahmen befinden sich heute im Lautarchiv der Humboldt-Universität.
Quelle: Bayramfest im Mohamedaner-Gefangenenlager Halbmond und
Weinbergslager zu Wünsdorf bei Zossen (Originaltitel), Reichsfilmstelle,
1916. Bundesarchiv
Filmarchiv
https://digitaler-lesesaal.bundesarchiv.de/video/215/674448
BArch
Gerhard Höpp, Brigitte Reinwald, Hrsg., Fremdeinsätze. Afrikaner und Asiaten in europäischen Kriegen, 1914–1945. Studien 13, Zentrum Moderner Orient / Verlag Das Arabische Buch, 2000 https://archiv.zmo.de/publikationen/studien13.pdf