Kurzbeschreibung

Mit Ausbruch des Krieges wurden KZ-Häftlinge zunehmend in die Rüstungsproduktion eingespannt, für die sie erbarmungslos ausgebeutet wurden. Die Einbeziehung der Häftlinge in die Kriegsproduktion machte die Konzentrationslager zu einem wichtigeren Wirtschaftsfaktor denn je. Am 3. März 1942 wurden sie dem SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt (WVHA) unter SS-Obergruppenführer Oswald Pohl unterstellt, in dessen folgendem Bericht vom 30. April desselben Jahres sich bereits die Verschiebung von Straf- zu Arbeitslagern ankündigt, welche für die nun als kriegswichtige Arbeitskräfte betrachteten Insassen zumindest kurzzeitig eine gewisse Verbesserung ihrer Haftbedingungen mit sich brachte. Insgesamt bedeutete der massenhafte, langfristige Einsatz von Zwangsarbeitern aus den KZ jedoch auch weiterhin den rücksichtslosen Verschleiß menschlichen Lebens.

Bericht von Oswald Pohl an Heinrich Himmler über den Ausbau der Konzentrationslager (30. April 1942)

  • Oswald Pohl

Quelle

Betr.: Eingliederung der Inspektion der Konzentrationslager in das SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt.

Geheim!

Reichsführer!

Ich berichte Ihnen heute über die augenblickliche Lage der Konzentrationslager und über Maßnahmen, welche ich getroffen habe, um Ihren Befehl vom 3. März durchzuführen.

I. 1. Bei Kriegsausbruch waren folgende Konzentrationslager vorhanden:

a)

Dachau

1939 4 000, heute 8 000 Häftlinge

b)

Sachsenhausen

1939 6 500, heute 10 000 Häftlinge

c)

Buchenwald

1939 5 300, heute 9 000 Häftlinge

d)

Mauthausen

1939 1 500, heute 5 500 Häftlinge

e)

Flossenbürg

1939 1 600, heute 4 700 Häftlinge

f)

Ravensbrück

1939 2 500, heute 7 500 Häftlinge

2. In den Jahren 1940 bis 1942 wurden neun weitere Lager errichtet, und zwar:

(a) Auschwitz (d) Natzweiler (g) Niederhagen

(b) Neuengamme (e) Gross-Rosen (h) Stutthof

(c) Gusen (f) Lublin (i) Arbeitsdorf

3. Außer diesen 15 Lagern, welche aufgaben- und arbeitsmäßig in der Zusammensetzung ihrer Kommandanturstäbe und ihres Schutzhaftlagerdienstes sich vollkommen mit der Organisation der alten Konzentrationslager decken, wurden folgende weitere Aufgaben erteilt:

(a) SS-Sonderlager Hinzert: Kommandanturstab und Wachmannschaft unterstehen mir. Das Schutzhaftlager untersteht dem Reichssicherheitshauptamt. Keine Betriebe: keine Arbeitsmöglichkeit.

(b) Jugendschutzlager Moringen: keine Betriebe.

(c) Jugendschutzlager Uckermark: in Bau.

(d) Jugendschutzlager Litzmannstadt: in Planung.

4. In den letzten Wochen sind vom Reichssicherheitshauptamt und vom Kommandoamt der Waffen-SS für von diesen Dienststellen geplante Lager in Riga, Kiew und Bobruisk SS-Führer angefordert worden.

Ich halte es für richtig, wenn solche Pläne an das SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt herangetragen werden, damit sie einheitlich von einer Stelle für SS und Polizei geplant und durchgeführt werden. So kann leicht ein Nebeneinander und daraus ein Durcheinander entstehen.

II. 1. Der Krieg hat eine sichtbare Strukturänderung der Konzentrationslager gebracht und ihre Aufgaben hinsichtlich des Häftlingseinsatzes grundlegend geändert.

Die Verwahrung von Häftlingen nur aus Sicherheits-, erzieherischen oder vorbeugenden Gründen allein steht nicht mehr im Vordergrund. Das Schwergewicht hat sich nach der wirtschaftlichen Seite hin verlagert. Die Mobilisierung aller Häftlingsarbeitskräfte zunächst für Kriegsaufgaben (Rüstungssteigerung) und später für Friedensbauaufgaben schiebt sich immer mehr in den Vordergrund.

2. Aus dieser Erkenntnis ergeben sich notwendige Maßnahmen, welche eine allmähliche Überführung der Konzentrationslager aus ihrer früheren einseitigen politischen Form in eine den wirtschaftlichen Aufgaben entsprechende Organisation erfordern.

3. Ich habe deshalb alle Führer der früheren Inspektion der Konzentrationslager, alle Lagerkommandanten und alle Werkleiter am 23. und 24.4.1942 versammelt und ihnen persönlich die neue Entwicklung dargelegt. Die wesentlichen Dinge, deren Durchführung vordringlich ist, damit die Aufnahme rüstungsindustrieller Arbeiten keine Verzögerung erleidet, habe ich in beiliegende Anordnung zusammengefaßt.

4. Die Überführung der Inspektion der Konzentrationslager in das Wirtschafts-Verwaltungshauptamt ist im besten Einvernehmen aller beteiligten Hauptämter durchgeführt. Die Zusammenarbeit aller Dienststellen ist reibungslos, die Beseitigung des Nebeneinanders in den Konzentrationslagern wird allgemein als Überwindung der den Fortschritt hemmenden Fesseln begrüßt.

Heil Hitler!

gez. Pohl

SS-Obergruppenführer und

General der Waffen-SS.

Quelle: Bericht von Oswald Pohl an Heinrich Himmler über den Ausbau der Konzentrationslager (30. April 1942). In International Militärgerichtshof Nürnberg, Der Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vom 14. November 1945 bis 1. Oktober 1946: Urkunden und anderes Beweismaterial. Veröffentlicht in Nürnberg 1949. München: Delphin Verlag, 1989. Band XXXVIII: Amtlicher Text – Deutsche Ausgabe, Nummer 185-L bis Nummer 1216-RF, Dokument 129-R [Bericht des Chefs des SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes Pohl an Himmler vom 30. April 1942: stärkere Belegung und Vermehrung der Konzentrationslager (Beweisstück US-217)], S. 362–65.