Quelle
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Die Landfrau, sei sie nun Arbeiterin oder Bauersfrau, trägt mit die schwere Last der ländlichen Arbeit. Morgens um 4 oder 5 Uhr beginnt für sie der Tag und endet erst um 9 oder 10 Uhr abends. Neben der gesamten Arbeit im Hause versorgt sie das Vieh auf dem Hofe und muß auch mit hinausgehen auf das Feld, denn die Zahl der beschäftigten Arbeitskräfte muß nach Möglichkeit klein gehalten werden. In kleineren Betrieben wird die Bauersfrau regelmäßig zur Feldarbeit herangezogen; in größeren hat sie dies zwar seltener nötig, doch hier bieten das große Haus und der Hof um so mehr Arbeit. Die Landarbeiterfrau andererseits verrichtet in vieler Beziehung die gleiche Arbeit wie der Mann. Sie ist gewöhnlich nur ganz wenige Stunden des Tages zu Hause.
Die gesamte Arbeitslast hat für alle Landbewohner seit dem Kriege dadurch eine gewaltige Zunahme erfahren, daß die Wirtschaftskrise sie zwang, die regelmäßig beschäftigten Arbeitskräfte zu vermindern und die zusätzliche Last selbst zu übernehmen. Und diese zusätzliche Arbeit ruht zum weitaus größten Teile heute auf den Schultern der Landfrau.
Die Folgen für den Gesundheitszustand der Frauen und des von ihnen in die Welt gesetzten Nachwuchses sind leicht abzusehen. Eine Frau, die von ihrem 15. Lebensjahre ab eine derartig harte Arbeit leisten muß, ist mit 40 Jahren alt und verbraucht und leidet überdies oft an Krankheiten, die nur die Folge ihres Arbeitslebens sind. Die Kinderzahl wird unter diesen Verhältnissen klein gehalten, denn es besteht weder die Zeit, viele Kinder aufzuziehen, noch sind die Kraft und der Wille dazu vorhanden. Die Kinder selbst können nicht so erzogen und beaufsichtigt werden, wie es eigentlich nötig wäre; sie sind sich selbst überlassen oder werden im Hause eingesperrt, bis die Mutter wieder daheim ist. Hierin liegen mit die Ursachen der noch immer großen Kindersterblichkeit auf dem Lande.
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Quelle: „Bevölkerungspolitik und Rassenpflege auf dem Lande“, Ärzteblatt für Hamburg und Schleswig-Holstein: Nachrichtenblatt der kassenärztlichen Vereinigung Deutschlands, Nr. 31 (1934), S. 365. Online verfügbar unter: https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/J3TMYCJPJTZR33OB53DDZCGUUHBB6TIU