Quelle
Geheim!
Betr.: Grundsätze der inneren Staatssicherung während des Krieges.
Um den für die Verwirklichung der Ziele des Führers notwendigen einheitlichen Einsatz aller Kräfte des Volkes gegen jede Störung und Zersetzung zu sichern, werden für den Vollzug der Aufgabe der inneren Staatssicherung die folgenden Grundsätze aufgestellt, nach denen die Tätigkeit der Sicherheitsorgane des Reiches sich zu richten hat.
1. Jeder Versuch, die Geschlossenheit und den Kampfwillen des deutschen Volkes zu zersetzen, ist rücksichtslos zu unterdrücken. Insbesondere ist gegen jede Person sofort durch Festnahme einzuschreiten, die in ihren Äußerungen am Sieg des deutschen Volkes zweifelt oder das Recht des Krieges in Frage stellt.
2. Dagegen sind mit psychologischem Verständnis und mit erzieherisch bestärkendem Bemühen diejenigen Volksgenossen zu behandeln, die aus äußerer oder innerer Not oder in Augenblicken der Schwäche sich Entgleisungen irgendwelcher Art zuschulden kommen lassen.
3. Besonderes Augenmerk ist auf alle Versuche zu richten, in der Öffentlichkeit – Gastwirtschaften, öffentlichen Verkehrsmitteln usw. – andere Personen in volks- und reichsfeindlichem Sinne zu beeinflussen. Ebenso ist gegen jeden Versuch der Bildung von Zusammenschlüssen und Kreisen zur Verbreitung derartiger Auffassungen und Nachrichten in der schärfsten Weise einzuschreiten. Wenn die Voraussetzungen der Öffentlichkeit oder der Zirkelbildung vorliegen, sind die verdächtigen Personen in jedem Falle festzunehmen.
4. Nach der Festnahme einer verdächtigen Person sind unverzüglich alle zur möglichst vollständigen Klärung des Falles erforderlichen Ermittlungen durchzuführen. Hierbei ist an Hand der bei den Staatspolizei(leit)stellen und bei den SD-Unterabschnitten vorhandenen Unterlagen und durch Vernehmung geeigneter Gewährspersonen – auch durch Befragen der örtlichen Parteidienststellen – möglichst gründlich festzustellen, aus welcher allgemeinen Einstellung und aus welchen besonderen Beweggründen die betreffenden Personen gehandelt haben. Alsdann ist unverzüglich dem Chef der Sicherheitspolizei Bericht zu erstatten und um Entscheidung über die weitere Behandlung der festgenommenen Personen zu bitten, da gegebenenfalls auf höhere Weisung brutale Liquidierung solcher Elemente erfolgen wird.
5. Volksgenossen, die nicht vorsätzlich, sondern aus entschuldbaren Beweggründen sich Entgleisungen haben zuschulden kommen lassen, sind nach eingehender Vernehmung zur Sache dem Leiter der Staatspolizei(leit)stelle persönlich vorzuführen, der sie eingehend zu belehren und zu mahnen hat. Diese Belehrung und Ermahnung soll in einer Form erfolgen, durch die eine gesinnungsmäßige Ausrichtung und eine innere Bestärkung des Volksgenossen erzielt wird. Wenn auch kein Zweifel gelassen werden darf, daß bei Wiederholung schärfere Maßnahmen zu erwarten sind, so soll doch nicht die reine Einschüchterung und Abschreckung, sondern die Überzeugung und die innere Aufrichtung das Ergebnis dieser Belehrung sein. Alsdann sind die zuständigen Parteidienststellen auf die betreffenden Volksgenossen aufmerksam zu machen und um ihre besondere politische und – soweit erforderlich – materielle Betreuung zu bitten.
6. Gegen Denunzianten, die aus persönlichen Gründen ungerechtfertigte oder übertriebene Anzeigen gegen Volksgenossen erstatten, ist an Ort und Stelle in geeigneter Weise – durch eindringliche Verwarnung und in böswilligen Fällen durch Verbringung in ein Konzentrationslager – einzuschreiten.
7. Die Leiter der Staatspolizei(leit)stellen sind persönlich für die wirksame Niederhaltung jeder defaitistischen Regung in ihrem Bezirk verantwortlich.
gez. Heydrich.
Quelle: Erlass des Chefs der Sicherheitspolizei an die Leiter aller Staatspolizei(leit)stellen (3. September 1939). Bundesarchiv Koblenz. R58, Bd. 243, AZ PP II- Nr. 223/39g; abgedruckt in T. W. Mason, Arbeiterklasse und Volksgemeinschaft, Nr. 180, Köln, 1974, S. 1061–62.