Kurzbeschreibung

Schon im März 1933 hatte Himmler, der damalige Polizeipräsident von München, die Einrichtung des ersten nationalsozialistischen Konzentrationslagers in Dachau veranlasst. Es war für politische Gegner des NS-Regimes bestimmt (z.B. Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschaftsvertreter etc.), die zur „Schutzhaft“ dorthin verschleppt wurden und diente später als Vorbild für die Organisation aller folgenden Lager. Nach 1933 entstanden zahlreiche weitere Lager in Deutschland, darunter die großen Lager Sachsenhausen (1936), Buchenwald (1937), Flossenbürg (1938), Mauthausen (1938) und Ravensbrück (1939). Nach Kriegsausbruch 1939 dehnte sich das Netz von Konzentrationslagern rasch auch auf die besetzten Gebiete aus, vor allem im Osten. Unter den Insassen befanden sich politische Gegner, „Rassenfeinde“, Kriminelle, Homosexuelle, „Asoziale“ und später auch Kriegsgefangene. Anfang 1941 ordnete Himmler eine Einteilung der bestehenden KZ in verschiedene Lagerstufen an, um die Haft- und Arbeitsbedingungen abzustufen. Eine Einweisung in das als Stufe III kategorisierte Lager Mauthausen bedeutete dabei faktisch eine Verurteilung zur „Vernichtung durch Arbeit“ im dortigen Steinbruch. Die folgenden Bestimmungen des Erlasses wurden jedoch keineswegs immer eingehalten, besonders da seit Kriegsbeginn die Zahl sowohl der Häftlinge als auch der Lager extrem angestiegen war.

Reinhard Heydrich, Chef der Sicherheitspolizei und des SD, über die Einstufung der Konzentrationslager (2. Januar 1941)

  • Reinhard Heydrich

Quelle

Geheim!

Berlin, den 2. Januar 1941
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD

An
a. Das Reichssicherheits-Hauptamt,
b. alle Staatspolizeileit- und -stellen,
c. alle Kommandeure der Sicherheitspolizei und des SD.

Nachrichtlich an
d. alle Inspekteure der Sicherheitspolizei und des SD,
e. den Inspekteur der Konzentrationslager (mit 15 Abdrucken für die Lagerkommandanten),
f. die Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SE in Krakau und Prag.

Betrifft: Einstufung der Konzentrationslager.

Der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei hat seine Zustimmung zu der Einteilung der Konzentrationslager in verschiedene Stufen, die der Persönlichkeit des Häftlings und dem Grad der Gefährdung für den Staat Rechnung tragen, erteilt. Danach werden die Konzentrationslager in folgende Stufen eingeteilt:

Stufe I: Für alle wenig belasteten und unbedingt besserungsfähigen Schutzhäftlinge, außerdem für Sonderfälle und Einzelhaft, die Lager:

Dachau,
Sachsenhausen und
Auschwitz I
(Letzteres kommt auch zum Teil für Stufe II in Betracht).

Stufe I a: Für alle alten und bedingt arbeitsfähigen Schutzhäftlinge, die noch im Heilkräutergarten beschäftigt werden können, das Lager: Dachau.

Stufe II: Für schwerer belastete, jedoch noch erziehungs- und besserungsfähige Schutzhäftlinge, die Lager:

Buchenwald,
Flossenbürg,
Neuengamme und Auschwitz II.

Stufe III: Für schwer belastete, insbesondere auch gleichzeitig kriminell vorbestrafte und asoziale, d. h. kaum noch erziehbare Schutzhäftlinge, das Lager: Mauthausen.

Ausgenommen von der Einweisung in die unter I a angeführte Stufe sind alte und arbeitsunfähige Häftlinge, bei denen eine Krankenbehandlung erforderlich ist, und die deshalb in der hierfür vorgesehenen Abteilung des betreffenden Konzentrationslagers bleiben bzw. bei schwereren Fällen in die Krankenabteilung des Konzentrationslagers Sachsenhausen überführt werden müssen.

Von einer Umgruppierung des Häftlingsbestandes nach der neuen Stufeneinteilung innerhalb der Lager muß wegen der z. Z. laufenden Maßnahmen zur Durchführung des Häftlingseinsatzes vorerst noch abgesehen werden. Neue Einweisungen werden dagegen künftig nach der Stufeneinteilung vorgenommen werden.

Ich ersuche daher, in Zukunft bei allen Anträgen auf Schutzhaftanordnung und Überführung in ein Konzentrationslager unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Schutzhäftlings und des Grades der Gefährdung des Staates durch den Häftling gleichzeitig Vorschläge hinsichtlich der Lagerstufe zu machen. Ich mache es dabei zur Pflicht, daß das gesamte politische und kriminelle Vorleben, Vorstrafen, Führung seit der Machtübernahme usw. zu Grunde gelegt werden und insbesondere Anträge auf Einweisung in die Stufe III in jedem Einzelfalle besonders eingehend begründet werden.

Dieser Erlaß ist für die Kreis- und Ortspolizeibehörden nicht bestimmt.

gez. Heydrich

Quelle: Schreiben des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD, Reinhard Heydrich, über die Einstufung der Konzentrationslager (2. Januar 1941). In: Internationaler Militärgerichtshof Nürnberg, Der Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vom 14. November 1945 bis 1. Oktober 1946: Urkunden und anderes Beweismaterial. Veröffentlicht in Nürnberg 1947. München: Delphin Verlag, 1989. Band XXVI: Amtlicher Text – Deutsche Ausgabe, Nummer 405-PS bis Nummer 1063(d)-PS. Dokument 1063 (a-b)-PS [Geheimes Schreiben Heydrichs vom 2. Januar 1941 an das Reichssicherheitshauptamt und andere Polizeistellen über die Einstufung der Konzentrationslager (Beweisstück US-492)], S. 695–97.