Quelle
Auf Grund des Artikels 48 Abs. 2 der Reichsverfassung wird zur Abwehr kommunistischer staatsgefährdender Gewaltakte folgendes verordnet:
§ 1
Die Artikel 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153 der
Verfassung
des Deutschen Reichs werden bis auf weiteres außer Kraft
gesetzt. Es sind daher Beschränkungen der persönlichen Freiheit, des
Rechts der freien Meinungsäußerung, einschließlich der
Pressefreiheit, des Vereins- und Versammlungsrechts, Eingriffe in
das Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis, Anordnungen
von Haussuchungen und von Beschlagnahmen sowie Beschränkungen des
Eigentums auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten gesetzlichen
Grenzen zulässig.
§ 2
Werden in einem Lande die zur Wiederherstellung der
öffentlichen Sicherheit und Ordnung nötigen Maßnahmen nicht
getroffen, so kann die Reichsregierung insoweit die Befugnisse der
obersten Landesbehörde vorübergehend wahrnehmen.
§ 3
Die Behörden der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände)
haben den auf Grund des § 2 erlassenen Anordnungen der
Reichsregierung im Rahmen ihrer Zuständigkeit Folge zu leisten.
§ 4
Wer den von den obersten Landesbehörden oder den ihnen
nachgeordneten Behörden zur Durchführung dieser Verordnung
erlassenen Anordnungen oder den von der Reichsregierung gemäß § 2
erlassenen Anordnungen zuwiderhandelt oder wer zu solcher
Zuwiderhandlung auffordert oder anreizt, wird, soweit nicht die Tat
nach anderen Vorschriften mit einer schwereren Strafe bedroht ist,
mit Gefängnis nicht unter einem Monat oder mit Geldstrafe von 150
bis zu 15000 Reichsmark bestraft.
Wer durch Zuwiderhandlung nach Abs. 1 eine gemeine Gefahr für Menschenleben herbeiführt, wird mit Zuchthaus, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten und, wenn die Zuwiderhandlung den Tod eines Menschen verursacht, mit dem Tode, bei mildernden Umständen mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft. Daneben kann auf Vermögenseinziehung erkannt werden.
Wer zu einer gemeingefährlichen Zuwiderhandlung (Abs. 2) auffordert oder anreizt, wird mit Zuchthaus, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft.
§ 5
Mit dem Tode sind die Verbrechen zu bestrafen, die das
Strafgesetzbuch in den §§ 81 (Hochverrat), 229 (Giftbeibringung),
307 (Brandstiftung), 311 (Explosion), 312 (Überschwemmung), 315 Abs.
2 (Beschädigung von Eisenbahnanlagen), 324 (gemeingefährliche
Vergiftung) mit lebenslangem Zuchthaus bedroht.
Mit dem Tode oder, soweit nicht bisher eine schwerere Strafe angedroht ist, mit lebenslangem Zuchthaus oder mit Zuchthaus bis zu 15 Jahren wird bestraft:
1. Wer es unternimmt, den Reichspräsidenten oder ein Mitglied oder einen Kommissar der Reichsregierung oder einer Landesregierung zu töten oder wer zu einer solchen Tötung auffordert, sich erbietet, ein solches Erbieten annimmt oder eine solche Tötung mit einem anderen verabredet;
2. wer in den Fällen des § 115 Abs. 2 des Strafgesetzbuchs (schwerer Aufruhr) oder des § 125 Abs. 2 des Strafgesetzbuchs (schwerer Landfriedensbruch) die Tat mit Waffen oder in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mit einem Bewaffneten begeht;
3. wer eine Freiheitsberaubung (§ 239) des Strafgesetzbuchs in der Absicht begeht, sich des der Freiheit Beraubten als Geisel im politischen Kampfe zu bedienen.
§ 6
Diese Verordnung tritt mit dem Tage der Verkündung in
Kraft.
Berlin, den 28. Februar 1933.
Der Reichspräsident von Hindenburg
Der Reichskanzler Adolf
Hitler
Der Reichsminister des Innern Frick
Der
Reichsminister der Justiz Dr. Gürtner
Quelle: Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933, Reichsgesetzblatt, Nr. 17, 1933, I, S. 83. Online verfügbar unter: https://alex.onb.ac.at/cgi-content/alex?aid=dra&datum=1933&page=208&size=45