Kurzbeschreibung
Das öffentliche Gesundheitswesen besaß im NS-Regime weitreichende Machtbefugnisse für Eingriffe in die Privatsphäre des Einzelnen, dies galt besonders für den Bereich der Familienplanung. Die Entscheidung darüber, wer sich fortpflanzen sollte und wie der Nachwuchs zu ernähren und aufzuziehen sei, wurde zu einer Frage der „Volksgesundheit“. Das „Gesetz zur Vereinheitlichung des Gesundheitswesens“ von 1935 leitete den Aufbau eines Netzes von Gesundheitsämtern in Städten und ländlichen Regionen ein, das zum gesundheitspolitischen Instrument der nationalsozialistischen Rassen- und Bevölkerungspolitik wurde. Höchstes Gebot für die Arbeit der Gesundheitsämter war die „Erb- und Rassenpflege“, nach deren Grundsatz nun über Zwangssterilisationen und Eheverbote, KZ-Internierung und schließlich auch als „Euthanasie“ geschönte Tötungen entschieden wurde. Für die bevölkerungspolitisch wichtigen, „leistungsfähigen“ Teile der Bevölkerung, deren Fortpflanzung in möglichst großer Zahl gewünscht war, stellten die Gesundheitsämter ein Beratungsangebot zur Verfügung, das von medizinischer Betreuung für Schwangere und Säuglinge bis zur sozialhygienischen Belehrung über richtige Haushaltsführung reichte. Das hier gezeigte Bild verdeutlicht den doppelgesichtigen Charakter der Gesundheitsämter. Die im Vordergrund stehende Mutter mit ihren zwei Kindern, die gemäß der NS-Ideologie zu den gesellschaftlichen Leistungsträgern gehörte, ist dabei zu sehen, wie sie einige Flaschen Muttermilch in der vom Gesundheitsamt unterstützten Frauenmilchsammelstelle in Berlin-Wilmersdorf abgibt. Frauen, deren Körper selbst nicht genug Muttermilch produzierten, konnten sich diese Spenden dort abholen. Die Brustmilchverteilung war nur eines der vielen Angeboten für die „erwünschten“ Mitglieder der Bevölkerung. Das Schild hinter der Mutter weist jedoch auf andere Funktionen der Gesundheitsämter hin, nähmlich als „Beratungsstelle für Erb- und Rassenpflege“.