Kurzbeschreibung

Zwei Tage nach seiner Ernennung zum Reichskanzler verkündete Hitler am 1. Februar 1933, das Programm der neuen Regierung werde die innere Zerrissenheit des deutschen Volkes beseitigen und Deutschland als wirtschaftlich gestärkte, friedliche Weltmacht auferstehen lassen. Am 3. Februar 1933 war Hitler zu einem Abendessen mit den Befehlshabern der Reichswehr in der Wohnung des Chefs der Heeresleitung Kurt von Hammerstein-Equord (1878–1943) eingeladen. Dort legte der neue Reichskanzler seine wahren innen- und außenpolitischen Ambitionen, die auf die Errichtung einer Diktatur und die Kriegsrüstung hinausliefen, weitaus offener dar.

Weite Kreise der Militärführung hatten Hitlers Ernennung zum Reichskanzler anfangs begrüßt, da sie seine antidemokratischen, antibolschewistischen Ansichten teilten und sich von der Aufrüstung und Erweiterung der Streitkräfte eine Stärkung Deutschlands erhofften. Hammerstein war jedoch ein entschiedener Gegner des Nationalsozialismus, weshalb er Ende des Jahres 1933 seinen Rücktritt einreichte. Er stand in Kontakt zum militärischen Widerstand und zwei seiner Söhne, Kunrat und Ludwig, waren an dem Attentatsversuch vom 20. Juli 1944 beteiligt.

Das folgende Dokument ist eine handschriftliche Aufzeichnung des General Leutnants Liebmann, die dieser von Hitlers zweieinhalbstündiger Rede machte.

Hitlers Ausführungen anlässlich eines Abendessens mit den Befehlshabern des Heeres und der Marine (3. Februar 1933)

  • Adolf Hitler

Quelle

Ziel der Gesamtpolitik allein: Wiedergewinnung der pol. Macht. Hierauf muß gesamte Staatsführung eingestellt werden (alle Ressorts!).

1. Im Innern. Völlige Umkehrung der gegenwärt. innenpol. Zustände in D. Keine Duldung der Betätigung irgendeiner Gesinnung, die dem Ziel entgegen steht (Pazifismus!) Wer sich nicht bekehren läßt, muß gebeugt werden. Ausrottung des Marxismus mit Stumpf und Stiel. Einstellung der Jugend u. des ganzen Vokes auf den Gedanken, daß nur d. Kampf uns retten kann u. diesem Gedanken gegenüber alles zurückzutreten hat. (Verwirklicht in d. Millionen d. Nazi-Beweg. Sie wird wachsen.) Ertüchtigung der Jugend u. Stärkung des Wehrwillens mit allen Mitteln. Todesstrafe für Landes- u. Volksverrat. Straffste autoritäre Staatsführung. Beseitigung des Krebsschadens der Demokratie!

2. Nach außen. Kampf gegen Versailles. Gleichberechtigung in Genf; aber zwecklos, wenn Volk nicht auf Wehrwillen eingestellt. Sorge für Bundesgenossen.

3. Wirtschaft! Der Bauer muß gerettet werden! Siedlungspolitik! Künft. Steigerung d. Ausfuhr zwecklos. Aufnahmefähigkeit d. Welt ist begrenzt u. Produktion ist überall übersteigert. Im Siedeln liegt die einzige Mögl., Arbeitslosenheer z.T. wieder einzuspannen. Aber braucht Zeit u. radikale Änderung nicht zu erwarten, da Lebensraum für d[eutsches] Volk zu klein.

4. Aufbau der Wehrmacht wichtigste Voraussetzung für Erreichung des Ziels: Wiedererringung der pol. Macht. Allg. Wehrpflicht muß wieder kommen. Zuvor aber muß Staatsführung dafür sorgen, daß die Wehrpflichtigen vor Eintritt nicht schon durch Pazif., Marxismus, Bolschewismus vergiftet werden oder nach Dienstzeit diesem Gifte verfallen.

Wie soll pol. Macht, wenn sie gewonnen ist, gebraucht werden? Jetzt noch nicht zu sagen. Vielleicht Erkämpfung neuer Export-Mögl., vielleicht – und wohl besser – Eroberung neuen Lebensraums im Osten u. dessen rücksichtslose Germanisierung. Sicher, daß erst mit pol. Macht u. Kampf jetzige wirtsch. Zustände geändert werden können. Alles, was jetzt geschehen kann – Siedlung – Aushilfsmittel.

Wehrmacht wichtigste u. sozialistischste Einrichtung d. Staates. Sie soll unpol. u. überparteilich bleiben. Der Kampf im Innern nicht ihre Sache, sondern der Naziorganisationen. Anders wie in Italien keine Verquickung v. Heer und SA beabsichtigt. – Gefährlichste Zeit ist die des Aufbaus der Wehrmacht. Da wird sich zeigen, ob F[rankreich] Staatsmänner hat; wenn ja, wird es uns Zeit nicht lassen, sondern über uns herfallen (vermutlich mit Ost-Trabanten).

Quelle: Handschriftliche Aufzeichnungen des General Leutnant Liebmann. München, Archiv des Instituts für Zeitgeschichte, Nr. 167/51, fol. 39; abgedruckt in Thilo Vogelsang, Dokumentation: „Neue Dokumente zur Geschichte der Reichswehr 1930–1933“, Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 2 (1954), Heft 4, S. 434–35.