Kurzbeschreibung
Nach der Besetzung Ungarns durch Deutschland am 19. März 1944
forderte das neu eingesetzte Regime der Nazi-Kollaborateure die
Festnahme und Auslieferung aller Juden. Mitte Mai 1944 begannen die
ungarischen Behörden in enger Zusammenarbeit mit Adolf Eichmann und der
Sicherheitspolizei die systematische Deportation der ungarischen Juden.
Im Lauf der nächsten zwei Monate wurden schätzungsweise 440.000 Juden
deportiert. Die Mehrzahl wurde nach Auschwitz verschleppt, wo die
meisten von ihnen bereits kurz nach der Ankunft ums Leben kamen.
Dieses Foto zeigt eine Gruppe von Frauen und Kindern aus der
Karpatoukraine, die seit dem Münchener Abkommen zu Ungarn gehörte. Für
„arbeitsunfähig“ erklärt, warten sie in einer Lichtung bevor sie in die
Gaskammern von Auschwitz II-Birkenau geführt werden.
Das Foto stammt aus dem „Auschwitz-Album“, einer Sammlung von 193
Bildern, die die Ankunft und Selektion von mindestens einem Transport
jüdischer Deportierter im Mai/Juni 1944 dokumentiert. Die von
SS-Hauptscharführer Bernhardt Walter und seinem Assistenten
Unterscharführer Ernst Hofmann gemachten Aufnahmen wurden von der SS in
einem Album mit dem verharmlosenden Titel „Umsiedlung der Juden aus
Ungarn“ zusammengestellt. Walter und Hofmann arbeiteten als Fotografen
für den Erkennungsdienst des Lagers und waren dafür verantwortlich,
Fotos und Fingerabdrücke der für den Arbeitsdienst selektierten
Gefangenen zu erstellen.
Unter den nach Auschwitz Deportierten aus der Karpatoukraine befanden
sich auch die 18jährige Lili Jacob (1926-1999) und ihre Familie. Nach
ihrer Befreiung im April 1945, die sie als Zwangsarbeiterin im KZ
Dora-Mittelbau erlebte, fand sie dort das Album in einer verlassenen
SS-Baracke. Auf einzelnen Fotografien erkannte sie sich selbst und
einzelne Mitglieder ihrer Familie (u.a. zwei ihrer Brüder und ihre
Großeltern). Im Ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess (1963-1965) trat
sie als Zeugin auf legte dem Gericht das Album vor. 1980 stiftete Lili
Jacob das „Auschwitz-Album“ der Gedenkstätte Yad Vashem.