Kurzbeschreibung

Der Publizist und Historiker Peter Bender warnt vor verfrühten Hoffnungen auf dauerhaft freundschaftliche Beziehungen zwischen Polen und Deutschland. Die Last der Geschichte werfe lange Schatten, und eine Normalisierung der Beziehungen sei ein realistischeres Ziel als eine schnelle Versöhnung.

Deutsch-polnische Beziehungen (31. Januar 2005)

Quelle

Normalisierung wäre schon viel

Das deutsch-polnische Verhältnis ist von einer „Normalisierung“ weit entfernt: Nirgendwo in Europa hatten es zwei Nationen so schwer, wieder zueinander zu kommen. Ein Essay des verstorbenen Publizisten und Historikers Peter Bender.

Im Warschau der siebziger Jahre hieß es, das Verhältnis zwischen Polen und Deutschen könne nur schrittweise wiederhergestellt werden. Zunächst müsse man sich um Normalisierung bemühen, dann um Verständigung, und wenn diese erreicht sei, werde schließlich Versöhnung möglich.

Der erste Vertrag, mit dem Polen und die Bundesrepublik ihre Beziehungen regeln wollten, der so genannte Warschauer Vertrag, erhielt 1970 die bescheidene Überschrift und Zweckbestimmung: Er solle die „Grundlagen der Normalisierung“ schaffen, also noch nicht einmal eine Normalisierung, sondern nur eine Basis, auf der sie möglich sein würde. Dem Vertrag folgte nach einer kurzen Euphorie auf beiden Seiten Enttäuschung. Die Beziehungen entwickelten sich recht unerfreulich, und es vergingen fünf Jahre, bis in einem zweiten Vertragspaket die dringendsten Forderungen Bonns und Warschaus mehr schlecht als recht befriedigt wurden. Polen wie Deutsche hatten dem Warschauer Vertrag zwar eine realistische Bestimmung gegeben, aber dann doch zu viel erwartet. Ebenso erging es später noch vielen. Westdeutsche Politiker kamen oft nach Polen; beflügelt von den besten Absichten beschworen sie Versöhnung und wunderten sich sehr, wenn sie auf Zurückhaltung stießen: Mit der naiven Vorstellung, sich gleich versöhnen zu können, hatten sie gezeigt, dass sie keine Vorstellung von der Dimension dessen hatten, was zwischen Polen und Deutschen zu bewältigen war.

Mit dieser Ahnungslosigkeit haben wir, so scheint es, noch heute zu tun. Auf allen Gebieten hat sich im deutsch-polnischen Verhältnis vieles gebessert, von der Wirtschaft über die Politik bis in die Privatbeziehungen; sogar polnische und deutsche Soldaten üben gemeinsam. Versöhnung, zumindest Verständigung, scheint erreicht, aber plötzlich sieht alles wieder anders aus. Berlin und Warschau stehen in offenen Konflikten, die Vertrautheit ist Zweifeln oder sogar Misstrauen gewichen, alte Vorurteile brechen wieder hervor. Als Illusion erwies sich, alles werde zwischen Polen und Deutschen in Ordnung kommen, wenn beide demselben Militärbündnis und derselben europäischen Gemeinschaft angehören. Haben wir wieder zu viel erwartet? Vielleicht hilft es zur Klärung, sich daran zu erinnern, was Polen und Deutsche seit dem vergangenen Jahrhundert auseinander getrieben hat. Was von unserer schlimmen Vergangenheit lebt noch? Was ist schon überwunden? Es gab, so scheint es, zwei Arten von Konfliktursachen: Die einen waren durch Umstände bedingt, die anderen sind historischer Natur.

Der wichtigste Umstand war der Kalte Krieg. Polen befand sich im Lager des Ostens, der größere und stärkere Teil Deutschlands, die Bundesrepublik, stand im Lager des Westens. Polen wurde von einer halbkommunistischen, autoritären Parteielite regiert, die Bundesrepublik von demokratischen Regierungen. Warschau und Bonn waren zur Blockdisziplin genötigt und hatten nur begrenzte Aktionsmöglichkeiten über die Ost-West-Grenze hinweg.

[]

All das ist nun seit anderthalb Jahrzehnten vorbei: Sowjetunion, DDR, Warschauer Pakt, Kalter Krieg, kommunistische Macht in Polen gibt es nicht mehr. Wenn wir jetzt in Konflikte geraten, sind sie aktuell bedingt oder haben tiefere, historische Ursachen. Vielleicht auch beides zusammen: Gegenwärtige Differenzen sind geschichtlich begründet.

Als erstes sind der Krieg und noch mehr die deutsche Besetzung Polens von 1939 bis 1944 zu nennen. Sie war das Furchtbarste, was Polen in seiner Geschichte durchlitten hat. Sechs Millionen polnische Staatsbürger, Juden und Nichtjuden, überlebten jene Zeit nicht. Die meisten davon, etwa 90 Prozent, wurden nicht Opfer des Krieges, sondern eines Ausrottungsplans, der sich besonders gegen die Intelligenz richtete. Polen sollte nicht beherrscht, sondern als Nation ausgelöscht werden. Verbunden mit Mord und Vernichtung waren Demütigungen, die deutsche „Herrenmenschen“ den „slawischen Untermenschen“ tagtäglich zufügten. Sie trafen manchen härter als die Todesdrohung und lebten weiter noch in Generationen, die später geboren wurden.

[]

Was sich gegenwärtig in Polen und Deutschland abspielt, wirkt wie eine Fortsetzung – die Forderungen nach Entschädigung wie die nach Reparationen belegen es. Die schreckliche Geschichte bietet immer noch einen leicht brennbaren Stoff, mit dem zündeln kann, wer ein Interesse daran hat. Wer Vertriebenenverbände führt, in denen es immer weniger Vertriebene und immer mehr Kinder und Enkel von Vertriebenen gibt, muss neue Themen finden, die auch die weitere Existenz der Verbände rechtfertigen. Wer in Polen Sündenböcke braucht, wofür auch immer, findet sie westlich der Oder am leichtesten. Aber die Scharfmacher hier wie dort könnten nichts scharf machen, wenn nicht die alten Feindbilder noch lebten und vor allem die traumatischen Erinnerungen, die sich mobilisieren lassen. Und da es sich eben nicht um bloße Einbildung handelt, wenn von deutscher Okkupation und polnischer Vertreibung die Rede ist, sondern um erfahrene, erlebte, erlittene Geschehnisse, muss man sie ernst nehmen als verborgene, aber ständige Gefahren für das Verhältnis zwischen Polen und Deutschen.

Auch die jüngsten Streitigkeiten, vor allem ihre überraschende Heftigkeit, werden nur begreiflich, wenn man ihre historischen Wurzeln sucht. Warschau folgte den USA in den Irak, Berlin verweigerte die Gefolgschaft demonstrativ. Die Polen fühlten sich schon vor 1990 Amerika stark verbunden, etwa sechseinhalb Millionen US-Bürger sind polnischer Herkunft, der Dollar war die zweite Währung im Lande. Außerdem hat Polen mit den Europäern schlechte Erfahrungen gemacht: Die einen haben es überwältigt, geteilt und beherrscht, die anderen haben es in der Not im Stich gelassen. So hält sich Warschau nun an die USA. Vielleicht hätten sie Polen 1945 vor Stalin retten können, meint mancher, heute jedenfalls ist Amerika die stärkste Macht in Europa und sogar in der Welt und damit die beste Garantie für die Sicherheit Polens, Sicherheit vor allem vor den Russen und vor wieder stark gewordenen Deutschen.

Auch die alte Bundesrepublik sah ihre Sicherheit nicht bei Frankreich oder Großbritannien aufgehoben, sondern bei Amerika, soweit gibt es deutsches Verständnis für die polnische Politik. Was Berlin und Warschau trennt, ist die Beurteilung Russlands und das Verhältnis zu ihm. „Alle polnischen Aufstände gingen gegen die Russen“, sagte mir vor langen Jahren ein polnisches ZK-Mitglied. Für die Polen ist Russland nach wie vor eine Gefahr, vielleicht keine akute, sicher aber eine latente. Für die Deutschen aber ist es das nicht mehr. Die Sowjetunion gibt es nicht mehr, die jahrzehntelange Angst, die sowjetische Militärmaschine werde über Deutschland und Westeuropa rollen, bewegt heute fast keinen Deutschen mehr. Polen und Deutsche können tagelang ihre Argumente austauschen, ob Russland bedrohlich sei oder nicht, sie werden einander kaum überzeugen. Der Unterschied der Meinungen ist zu tief, weil historisch verwurzelt. Und er wird für Polen noch schwerer überwindbar, wenn sie deutsche Kanzler in Moskau sehen, Helmut Kohl vertraut mit Boris Jelzin, Gerhard Schröder mit Wladimir Putin. Manche sagen „Rapallo“, andere denken es.

Auch der zweite Streit ist nur historisch erklärbar. Er ging darum, wie stark Polen in der europäischen Union vertreten sein soll, und hatte die gleiche Wurzel wie früher die Unbedingtheit, mit der Polen auf der Oder-Neiße-Grenze beharrte: Wer so lange als zweitrangig behandelt wurde, verlangt Gleichrangigkeit. Er tut es umso mehr gegenüber einem Nachbarn, der ihn in der Vergangenheit mit seiner Arroganz beleidigt hat.

Diese Arroganz ist weitgehend, aber keineswegs ganz verschwunden. Immerhin, das ist ein wesentlicher Wandel, deutsche Ostpolitik ist nicht mehr wie früher nur Russlandpolitik, sondern beides: Politik mit Moskau und Politik mit Warschau. In den letzten Jahren hieß das auch Politik für Warschau, Hilfe beim Weg Polens in die EU. Aber auch darin lag ein Moment der Ungleichheit: Der eine hilft, dem anderen muss geholfen werden. Als die Polen dann Forderungen stellten, die unangemessen erschienen, sagten auch durchaus polenfreundliche Politiker in Berlin: Sie sind undankbar.

Die Sache wird schwieriger, weil nicht nur die Polen, sondern auch die Deutschen Probleme mit ihrem Selbstbewusstsein haben und sich das jetzt stärker äußert. Nach Krieg und Auschwitz waren sie der Paria Europas. Seit Adenauer folgten sie der Regel: Nach Hitler müssen Deutsche mehr Vorsicht, Einsicht und Rücksicht zeigen als andere. Deshalb: nicht auftrumpfen, lieber zurückstecken. Niemals etwas allein durchzusetzen versuchen. Damit ist es nicht vorbei, seit Deutschland vereinigt und uneingeschränkt souverän geworden ist, aber es wurde und wird weniger. Die deutschen Leiden und Verluste, Bombenkrieg und Vertreibung, sollen mehr Beachtung finden, die deutschen Interessen müssen stärker durchgesetzt werden, Schröders offenes Nein zu Bushs Irak-Krieg, seine klare Opposition gegen ein Kernstück amerikanischer Politik – das wäre vor zehn Jahren noch nicht möglich gewesen. Kohl hat sich aus dem ersten Irak-Krieg herausgehalten, indem er ihn heimlich bezahlte.

Selbstgefühl und Geltungsbedürfnis sind in Polen und in Deutschland gewachsen und jetzt zusammengestoßen, die jüngste Geschichte erklärt es bei den Deutschen, bei den Polen erklärt es auch die ältere. Paternalismus und Überlegenheitsgefühl sind die Folgen beim einen, Anerkennungsdrang und Selbstüberschätzung beim anderen. Beides trifft mit einem sehr alten Phänomen zusammen. Polen und Deutsche sind fixiert auf den Westen. Die Polen treffen dabei auf die Deutschen, die ihnen aber den Rücken zukehren und eifrig die Franzosen suchen. Um es an einem banalen Beispiel zu erläutern: Wenn ein Deutscher die Stadt Bordeaux wie Bor-de-auks ausspricht, lacht man ihn aus; wenn er die Stadt Łódź nicht wie Lodsch, sondern korrekt ausspricht, versteht man ihn nicht. Das ungleiche Interesse aneinander trennt seit Jahrhunderten und hat auch in den letzten fünfzig Jahren weit mehr behindert, als uns klar gewesen ist. Bis weit in die siebziger Jahre hinein, vielleicht noch länger, sahen nur wenige Polen, wo das Problem der deutsch-polnischen Beziehungen liegt: nicht in deutschem Drang nach Osten, sondern in deutscher Gleichgültigkeit gegenüber dem Osten.

Normalisierung sollte der erste Schritt sein, mit dem Deutsche und Polen einander näher kommen. Normalisierung bedeutet in einfachem Wortverständnis: Beseitigung all dessen, was nicht normal ist in den Beziehungen zweier Nationen. Kann man davon sprechen, wenn immer noch historische Prägungen in Konflikte führen? Wenn Meinungsverschiedenheiten zu Grundsatzdebatten ausarten? Wenn die Erinnerung an die Wunden, die der Nachbar geschlagen hat, so stark weiterlebt, dass sie das Verhältnis jederzeit verderben kann? Wenn die Erinnerung zu eigennützigen Zwecken benutzt wird? Wenn Empfindlichkeit und Reizbarkeit noch so hoch sind, dass schon ein falsches Wort eine Beziehungskrise auslösen kann? Darf man von Normalisierung sprechen, wenn die Decke über vielem, das nicht normal wurde, so dünn ist?

Was tun wir mit unseren historischen Lasten? Zunächst erscheint es wichtig, sie als historisch zu erkennen: Da steht etwas zwischen Deutschen und Polen, das nicht schnell und leicht wegzuräumen ist. Politik und Wirtschaft, wie die flotten Pragmatiker meinen, genügen nicht. Wir müssen sehr vorsichtig miteinander umgehen, uns Mühe geben und uns darüber klar sein, dass es trotzdem lange dauern wird. Nirgendwo in Europa hatten es zwei Nationen so schwer, wieder zueinander zu kommen.

Aber wir sind nicht nur Produkte unserer Geschichte, wir können selbst Geschichte machen. Und dafür gibt es Beispiele und Vorbilder. Zunächst die Beispiele. Der Warschauer Vertrag von 1970 hat, weil er der erste Schritt nach Polen war, vieles offen gelassen, aber er hat zwischen Polen und der Bundesrepublik Türen geöffnet, und das nicht nur für die Wirtschaft! Kirchen, Universitäten, auch Schulen, Rundfunksender, versöhnungswillige Landsmannschaften, Schriftsteller, Theaterleute, Musiker, engagierte Privatmenschen, die sich in vielen deutsch-polnischen Gesellschaften zusammenschlossen, suchten und fanden Verbindung nach Polen. Professoren beider Seiten einigten sich nach manchmal harten Auseinandersetzungen auf Empfehlungen, wie die Nationalismen aus den Schulbüchern gebracht werden sollten – sie leisteten gute Arbeit, denn die Nationalisten beider Seiten kritisierten die Empfehlungen. Ende 1982 erschien ein Buch von 280 Seiten, das an „kultureller Zusammenarbeit“ registrierte, was feststellbar war, und das war keineswegs alles, wie der Herausgeber Winfried Lipscher betonte. Auch die Warschauer Behörden hatten Ende der siebziger Jahre, bestimmt zu ihrem Leidwesen, den Überblick verloren, was sich da alles jenseits staatlicher Aufsicht abspielte. Aber nachdem die Türen ziemlich weit geöffnet waren, „ging“ in Polen beinahe alles, man musste nur wissen wie oder einen kennen, der es wusste.

Zwischen Polen und der DDR erwies sich die verordnete Freundschaft als Türöffner, denn sie ermöglichte unverordnete, wahre Freundschaft. Nicht nur Funktionäre, auch Lehrer, Professoren, Künstler, Schriftsteller, Fachleute jeder Art sollten sich verständigen und taten es oft mehr, als sie sollten. Aus fachlicher „Beratung“ wuchsen persönliche Beziehungen. Die Nicht-Konvertierbarkeit der Währungen zwang zu gegenseitiger Hilfe. Auch ehrte man einander. Doktor honoris causa einer polnischen Universität zu sein freut manchen Ostdeutschen noch heute. Die Deutschen beeindruckten – und verärgerten – die Polen durch Effizienz, die Polen lockten – und verstörten – durch Freiheiten. Wie in dem Witz von den zwei Hunden, die durch die Oder schwimmen, einander begegnen und sich wundern, was der andere auf der eigenen Seite will: Der polnische möchte sich in der DDR mal satt fressen, der deutsche möchte in Polen mal bellen.

[]

Und nun die Vorbilder. Da sind zunächst auf beiden Seiten die Kirchen zu nennen, die der Politik weit vorangingen. Die Denkschrift der evangelischen Kirche erhob sich 1965 über die Einseitigkeit der bundesdeutschen Sicht und würdigte das Schicksal beider Nationen, den deutschen Schmerz um die verlorene Heimat und die polnische Furcht um die neue. Sie empfahl nicht die Anerkennung der Grenze, aber ließ sie als Folgerung unvermeidlich erscheinen. Kurz danach durchbrachen die polnischen Bischöfe die Mauer der Einseitigkeit und sprachen das größte Wort, das zwischen Polen und Deutschen gesagt wurde: „Wir vergeben und bitten um Vergebung.“ Die deutschen Bischöfe antworteten weniger christlich als diplomatisch und überließen damit ihre polnischen Brüder den bösartigen Attacken der Partei. Fünf Jahre später tat die Partei selbst, was sie den Bischöfen vorgeworfen hatte, und arrangierte sich mit der Bundesrepublik. Tadeusz Mazowiecki beklagte sich 1970 bitter, das katholische Polen habe den Weg bereitet, aber nun gehe die Verständigung mit den Deutschen an ihm vorbei.

Das zweite Verdienst gebührt den polnischen und deutschen Politikern, die den Mut hatten, sich über schwere Erfahrungen, böse Opposition und eigene Vorbehalte hinweg zu setzen. Die sich auch von populistischen Chancen nicht verlocken ließen und taten, was die Verständigung verlangte. Das dritte Verdienst ist namenlos. Die zahllosen Unbekannten haben es sich erworben, die sich jahrzehntelang in stiller Kleinarbeit dafür mühten, dass die schlimmen Erinnerungen und die festgefügten Vorurteile nicht weiter das Bild der Polen und der Deutschen bestimmten. Wenn Völker zueinander kommen sollen, muss die Politik Voraussetzungen schaffen, aber das Wesentliche geschieht jenseits der Politik. Nur das dichte, ziemlich feste Netz von Verbindungen, Bekanntschaften und Freundschaften über die Grenzen hinweg hat es ermöglicht, die schwierigen achtziger Jahre leidlich zu überstehen. Dieses Netz bildete die Grundlage, auf der 1990 Polen und Deutsche befreit zueinander kommen konnten.

Ein Blick zurück in die ersten Nachkriegsjahre zeigt, dass seitdem unvorstellbar viel erreicht worden ist. Die Erinnerung an die nicht endenden Schwierigkeiten der Folgezeit lehrt, dass mehr nicht zu erreichen war. Historische Lasten und Prägungen verschwinden nicht in einem halben Jahrhundert. Aber auch dagegen kann man etwas tun. Das Beispiel Willy Brandts beweist es. „Meine Regierung nimmt die Ergebnisse der Geschichte an“, sagte er 1970 bei der Unterzeichnung des Grenzvertrages zum polnischen Ministerpräsidenten Józef Cyrankiewicz. Das hieß: Wir finden uns damit ab, dass Deutschland an der Oder und der westlichen Neiße endet. Er kniete vor dem Ghetto-Denkmal in Warschau. Das hieß: Wir wissen, dass es deutsche Schuld gegenüber Polen gibt, die keine Politik tilgen kann.

Quelle: Peter Bender, „Normalisierung wäre schon viel“, Aus Politik und Zeitgeschichte, 5-6/2005, 31. Januar 2005, S. 3. Online verfügbar unter: http://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/deutsch-polnische-beziehungen/39778/essay-normalisierung-waere-schon-viel?p=all