Quelle
Heute ist die DDR ein Vorposten des Friedens und des Sozialismus in Europa. Dies zu keiner Zeit zu verkennen, bewahrt uns, sollte aber auch unsere Feinde vor Fehleinschätzungen bewahren.
Wie die Sowjetunion, die uns befreit hat, wie die Volksrepublik China, die in diesen Tagen ebenfalls ihr 40. Gründungsjubiläum beging, wie Volkspolen und die ČSSR, wie die anderen sozialistischen Länder wird die DDR die Schwelle zum Jahr 2000 mit der Gewißheit überschreiten, daß dem Sozialismus die Zukunft gehört. Der Sozialismus ist eine junge Gesellschaft, gleichwohl übt er einen großen Einfluß auf die internationale Entwicklung aus. Er hat gesellschaftlich Bedeutendes vollbracht und wird dies auch fortan tun. Seine Existenz gibt nicht nur unserem Volk neue Hoffnung, sondern der ganzen Menschheit. […]
Gerade zu einer Zeit, da einflußreiche Kräfte der BRD die Chance wittern, die Ergebnisse des zweiten Weltkrieges und der Nachkriegsentwicklung durch einen Coup zu beseitigen, bleibt ihnen nur erneut die Erfahrung, daß an diesen Realitäten nichts zu ändern ist, daß sich die DDR an der Westgrenze der sozialistischen Länder in Europa als Wellenbrecher gegen Neonazismus und Chauvinismus bewährt. An der festen Verankerung der DDR im Warschauer Pakt ist nicht zu rütteln.
Wenn der Gegner derzeit in einem noch nie gekannten Ausmaß seine Verleumdungen gegen die DDR richtet, dann ist das kein Zufall. In 40 Jahren DDR summiert sich zugleich die vierzigjährige Niederlage des deutschen Imperialismus und Militarismus. Der Sozialismus auf deutschem Boden ist ihm so unerträglich, weil die vordem ausgebeuteten Massen hier den Beweis erbringen, daß sie fähig sind, ihre Geschicke ohne Kapitalisten selbst zu bestimmen.
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Das Leben in unserem Lande wie auch die internationalen Ereignisse stellen in unserer Zeit Fragen, die der klaren Antwort von einer festen Position aus bedürfen. Unsere Position leiten wir nicht von einem der Revolverblätter der BRD oder des dortigen Rundfunks und Fernsehens ab, sie ergibt sich nicht aus irgendwelchen veralteten Lehrsätzen, sondern aus der schöpferischen Anwendung des Marxismus-Leninismus, aus den Interessen der Arbeiterklasse und aller Werktätigen. Mit einem Wort, unsere Position ist die einer Politik nach dem obersten Grundsatz, alles zu tun für das Wohl des Volkes und seine friedliche Zukunft. Dementsprechend bleiben wir beim Erreichten nicht stehen, erhalten wir Bewährtes, trennen uns von dem, was überholt ist und hemmt, schreiten wir auf dem Kurs der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik voran. In diesem Geist werden wir auch die sozialistische Demokratie in ihren vielfältigen Formen weiterentwickeln. Unser Anliegen ist, daß die Bürger sich immer aktiver und konkreter an den Staatsgeschäften beteiligen. […]
40 Jahre DDR, die einen völlig neuen Abschnitt in der Geschichte unseres Volkes markieren, haben zugleich auf einprägsamste Weise die Notwendigkeit, aber auch die Kostbarkeit eines dauerhaften Friedens zu Bewußtsein gebracht. Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen, dieses Bekenntnis entspricht einer entscheidenden Lehre aus der Vergangenheit. Es wurde bei uns zur Staatspolitik. Wir haben es allem obenan gesetzt, was wir bisher taten und weiterhin tun werden, damit die sozialistische DDR gut gedeiht und die Familie der europäischen Völker in Sicherheit und Eintracht leben kann. Zuverlässig erfüllt unser Land seine Verantwortung im Zentrum des Kontinents, an der Trennlinie zwischen den beiden Bündnissystemen. […]
Im scharfen Kontrast zu unserer Politik stehen revanchistische Forderungen von Politikern der BRD, die weltweit auf Sorge und Protest stoßen. Da ist die Rede vom „Fortbestand des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937“. Die Nachkriegsordnung wird in Frage gestellt, die These von der angeblich offenen deutschen Frage lauter vorgebracht als früher. Die Neubelebung der Alleinvertretungsanmaßung der 50er und 60er Jahre gipfelt in der sogenannten „Obhutspflicht für alle Deutschen“. Auch in dieser Hinsicht ist der Vorrat an Gemeinsamkeiten zwischen revanchistischen Bonner Politikern und den erstarkenden Neonazis offenbar beträchtlich.
Das Erscheinen der Neonazis auf der politischen Tribüne der BRD gibt zu denken. Angesichts der Tatsache, daß versucht wird, die Existenz des Neonazismus zu leugnen oder sie zu verniedlichen, möchte ich auch hier daran erinnern, daß ich unter dem Naziregime mit zwei weiteren Kameraden dem Gefängnis der „Leibstandarte Adolf Hitler“ zur gleichen Zeit zur „Behandlung“ übergeben wurde, da dort der jetzige Führer der „Republikaner“ als SS-Führer tätig war. Kein Zweifel, solche die Völker der Welt beunruhigenden Elemente der BRD-Politik sind dringend reformbedürftig.
Die zügellose Verleumdungskampagne, die derzeit, international koordiniert, gegen die DDR geführt wird, zielt darauf ab, Menschen zu verwirren und Zweifel in die Kraft und die Vorzüge des Sozialismus zu säen. Dies kann uns nur darin bestärken, auch in Zukunft alles zu tun für ein friedliches europäisches Haus. Das Zusammenleben und die Zusammenarbeit der Staaten verschiedener sozialer Ordnung in einem solchen Haus sollen sich gut entfalten. Dafür besteht in der Schlußakte von Helsinki sowie den anderen KSZE-Dokumenten eine solide Grundlage. Wir werden aber niemandem gestatten, diese Vereinbarungen zur Destabilisierung des Sozialismus zu mißbrauchen. Strikte Achtung der Souveränität, der territorialen Integrität, der Unabhängigkeit, der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten sind unverzichtbar.
Die Deutsche Demokratische Republik hat ihren Weg mit Ergebnissen zurückgelegt, die unser Volk im Wissen um seine Kraft, um den Wert aller Mühen beim Aufbau eines neuen, eines menschenwürdigen, eines sinnerfüllten Lebens bestärken. Sozialismus und Frieden sind und bleiben die Schlüsselworte für das bisher Vollbrachte wie für das, was künftig zu leisten sein wird. Wir gehen es mit Tatkraft und Zuversicht an. Auch im fünften Jahrzehnt wird der sozialistische Staat der Arbeiter und Bauern auf deutschem Boden durch sein Handeln zum Wohle des Volkes, durch seinen Beitrag zu Frieden, Sicherheit und internationaler Zusammenarbeit ständig neu beweisen, daß seine Gründung im Oktober 1949 ein Wendepunkt war – in der Geschichte des deutschen Volkes und Europas. […]
Quelle: Erich Honecker am 40. Jahrestag der DDR (6. Oktober 1989); abgedruckt in Blätter für deutsche und internationale Politik, 1989, S. 1401 f.