Kurzbeschreibung

Dieser Ausschnitt aus der Tagesschau vom 3. Oktober 1990 berichtet über den Festakt zur deutschen Vereinigung, der in der Berliner Philharmonie stattfand. In seiner Rede würdigte Bundespräsident Richard von Weizsäcker die friedliche Vereinigung Deutschlands, die im Einvernehmen mit Deutschlands Nachbarn zustande kam und in die Vereinigung Europas eingebettet sei. Die Vereinigung, so Weizsäcker, sei ein Geschenk an die Deutschen.

Feierstunde zur Deutschen Einheit (3. Oktober 1990)

Quelle

/von Weizsäcker: So erleben wir den heutigen Tag als Beschenkte. Die Geschichte hat es diesmal gut mit uns Deutschen gemeint. Umso mehr haben wir Grund zur gewissenhaften Selbstbesinnung.  /Sprecher: Guten Abend, meine Damen und Herren. Die Deutschen leben wieder in einem souveränen, freien und geeinten Land. 45 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg endete in der vergangenen Nacht die deutsche Teilung. Die DDR und die Bundesrepublik vereinigten sich zu einem Staat. Die Einheit wurde in Berlin und anderen Städten mit bewegenden Zeremonien und fröhlichen Volksfesten gefeiert. In die Freude mischte sich aber auch Nachdenklichkeit. Aus dem Ausland kamen Glückwünsche von zahlreichen Staats- und Regierungschefs. In den ausländischen Zeitungen war neben Zustimmung zur deutschen Einheit auch Skepsis spürbar über die künftige Rolle Deutschlands in Europa und der Welt.
In einem Staatsakt am Tag der Einheit hat Bundespräsident von Weizsäcker alle Deutschen zur Solidarität aufgerufen. Sich zu vereinen, heiße Teilen zu lernen.  Bei der Zeremonie in der Berliner Philharmonie würdigte Weizsäcker noch einmal den Mut der Menschen, die vor einem Jahr für ihre Freiheit auf die Straße gegangen waren und so die friedliche Revolution eingeleitet hatten.
Er erinnerte wie die anderen Redner daran, dass die Einheit ohne den Beitrag der Polen und Ungarn und ohne die Unterstützung aus der Sowjetunion nicht möglich gewesen wäre. Weizsäcker fügte hinzu, mit dem heutigen Tage finde die Vereinte deutsche Nation ihren anerkannten Platz in Europa.  /von Weizsäcker: Zum ersten Mal bilden wir Deutschen keinen Streitpunkt auf der europäischen Tagesordnung. Unsere Einheit wurde niemandem aufgezwungen, sondern friedlich vereinbart. Sie ist Teil eines gesamteuropäischen geschichtlichen Prozesses, der die Freiheit der Völker und eine neue Friedensordnung unseres Kontinents zum Ziel hat. Diesem Ziel wollen wir Deutschen dienen, ihm ist unsere Einheit gewidmet. [Beifall]
Ich bin gewiss, dass es uns gelingt, alte und neue Gräben zu überwinden.  Wir können den gewachsenen Verfassungspatriotismus der einen  mit der erlebten menschlichen Solidarität der anderen Seite zu einem kräftigen Ganzen zusammenfügen. Wir haben den gemeinsamen Willen, die großen Aufgaben zu erfüllen, die unsere Nachbarn von uns erwarten. Wir wissen, wie viel schwerer es andere Völker auf der Erde zurzeit haben. Die Geschichte gibt uns die Chance, wir wollen sie wahrnehmen mit Zuversicht und mit Vertrauen.  Und die Freude, wir haben es gestern Abend gehört, die Freude, die wir empfinden, sie ist ein Götterfunke.
/Reporter: Starker Beifall für den ersten Präsidenten des vereinigten Deutschlands. Vor ihm hatten Berlins Regierender Bürgermeister Momper, Bundestagspräsidentin Süssmuth und die erste frei gewählte Präsidentin der Volkskammer, Bergmann-Pohl, gesprochen.
/Bergmann-Pohl: Dieser Tag bedeutet Abschied und Aufbruch. Abschied von einer belasteten und belastenden Vergangenheit, Aufbruch zu einem Deutschland, das mit sich selbst versöhnt ist und das mit seinen Nachbarn die Versöhnung sucht. Es ist der glücklichste Tag der Deutschen. Wir müssen uns jetzt von den Begriffen "mein" und "dein", "wir" und "ihr" lösen.
/Süssmuth: Das Teilen ist die eine Seite. Gewiss muss, wer Gemeinschaft bilden will, auch teilen können, doch ist es jetzt ebenso wichtig, durch gemeinsame Arbeit Gemeinschaft zu stiften. Wenn wir jetzt nicht die Solidaritätsprüfung im Innern, im Eigenen, ja im Kleinen bestehen, wer sollte uns dann abnehmen, dass wir zu Solidarität in ganz Europa und dem Nord-Süd Konflikt bereit und fähig sind?
/Momper: Ohne Politiker, die die Zeichen der Zeit erkannten, wäre der Wandel nicht so schnell eingetreten. Ich nenne allen voran den sowjetischen Staatspräsidenten Michail Gorbatschow. [Beifall]
Michail Gorbatschow hat den Weg für Reformen in Osteuropa freigegeben. Und ich nenne die Repräsentanten der westlichen Demokratien, die den Weg zur Abrüstung und Sicherheitspartnerschaft mitformuliert haben. [Beifall]

Quelle: Tagesschau 3. Oktober 1990. tagesschau.de
https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-ts-50602.html

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