Kurzbeschreibung

Ludwig Senfl (ca. 1490-1543), ein Schweizer Komponist und Sänger, wurde 1498 im Alter von acht Jahren in die Hofkapelle des Habsburger Königs und späteren Kaisers des Heiligen Römischen Reiches Maximilian I. aufgenommen. Nach dem Tod seines Mentors, des Hofkomponisten Heinrich Isaac, im Jahr 1517 trat Senfl dessen Nachfolge an. Diese mehrstimmige Motette bittet um Gottes Hilfe im Kampf gegen die Türken, was darauf hindeutet, dass Senfl sie vermutlich 1518 komponierte, nachdem Maximilian I. und Papst Leo X. auf dem Augsburger Reichstag einen Kreuzzug gegen die Türken ausgerufen hatten.

Ludwig Senfl, O Herr, ich rüf Dein’n Namen an (c. 1518)

Quelle

O Herr, ich ruf Dein Namen an,
dann mir sunst niemand helfen kann
in diesen strengen Zeiten.
Schau, wie der Türk so grausam wüt!
davor uns, liber Herr, behüt
und hilf uns ihn bestreiten!
wir seind sunst ganz und gar verlorn;
ob wir schon haben Deinen Zorn
schwerlich auf uns geladen;
so denk doch dasz wir sein getauft,
darzu mit Christi Blut erkauft:
deshalb wöllst uns begnaden!

Und eilends uns mit Hilf erschein,
Herr, lasz die Sach Dein eigen sein,
weil es Dein heiligen Glauben
bei dem Christen-Volk betrifft:
der Feind, der allen Jammer stift,
will uns des gar berauben.
Und siehst Du zu solcher Beschwer,
so wird bei uns Dein göttlich Ehr
mit allem Lob verschwinden;
Des trau ich Dir im Herzen nit!
deshalb ich Dich durch Jesum bitt,
wöllst uns des Lasts entbinden!

Seit nun der Türk so peinlich tobt,
und Dich der Todten keiner lobt,
die zu der Hell absteigen,
so g'statt nit dasz er uns ausreut
und mach Dein christlich Volk zur Beut;
wir können je nicht schweigen;
Wir müssen Dich hoch ermahnen mit Geduld
Christusz grosz Unschuld,
die er für uns hat tragen.
Deshalb schrei ich um Trost zu Dir,
hilf meinem Volk, desgleichen mir!
ich weisz sunst niemand z'klagen.

Sunst würdest Du uns unbekannt:
der Nam Jesus wird nit genannt;
dann ihn die Heiden hassen;
auch wird der heilig Geist verspott,
sprechen: wo ist der Christen Gott?
er hat sie ganz verlassen!
Dasselbig, lieber Herr, betracht
und hilf uns mit all Deiner Macht
Dein Ehr und Lob erhalten,
und bleib bei uns, bed, Tag und Nacht,
so wird der Türk und all sein Bracht
von Dir uns nimmer spalten.

 

Quelle: Ludwig Senfl, O Herr, Ich rüf Dein’n Namen an, ca. 1518. Aufnahme: The Triumph of Maximilian I. Music of the 15th and 16th Centuries by Heinrich Isaac, Paul Hofhaimer & Ludwig Senfl. The London Ambrosian Singers, John McCarthy, director. The Vienna Renaissance Players. Nonesuch (HB-73016), 1966. Internet Archive https://archive.org/details/lp_the-triumph-of-maximilian-i_the-ambrosian-singers-john-mccarthy-the-vi/disc1/02.01.%2BO%2BHerr%2C%2BIch%2BR%C3%BCf%2BDein%27n%2BNamen%2BAn.mp3

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