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Wir Ferdinand der Ander, von Gottes Gnaden Erwöhlter Römischer Kayser, […] entbieten allen und jeden Churfürsten, Fürsten [etc.] und sonst allen andern, Unsern und des Reichs Unterthanen und Getreu, in was Würden, Stand oder Wesen die seynd, Unser Freundschaft, Gnad, und alles Guts: Und setzen außer Zweifel, […] männiglich werde mehr dann zu viel wissend und bekand seyn, in was schädliche Mißhelligkeit und Zerrüttung Unser geliebtes Vatterland Teutscher Nation nun eine lange Zeit hero geschwebt.
[Man hätte sich, da der Rechtsweg keinen Erfolg gebracht habe, schließlich zu Bündnissen auch mit ausländischen Mächten, darunter selbst den Türken, verstanden, um den Religionsfrieden umzustürzen; die juristischen und diplomatischen Vorstöße werden ausführlich dargelegt, der Willen der Kaiser, einen Ausgleich herbeizuführen, betont. Dabei wird die vorrangige Bedeutung des Augsburger Religionsfriedens als Grundlage für die Erledigung von Streitfragen hervorgehoben. So wird beispielsweise aus dem Wortlaut des Friedens begründet, daß auch Stifte, Klöster und Prälaturen, die nicht reichsunmittelbar seien, unter den Schutz der Regelungen von 1555 fielen (und demnach von den Territorialherren nicht eingezogen werden dürften). Eine wesentliche Folgerung lautet:]
So Schleußt sichs unwidersprechlich, daß diejenigen mittelbaren Stift und Klöster, so nicht vor dem Passauischen Vertrag[1], besondern hernach erst, und seithero dem Religionfried[2] eingezogen, ausgenommen, und den Augspurgischen Confessions-Verwandten daran gar kein Recht, dieselbe zu reformiren oder einziehen, eingeraumbt: sondern daß solches nicht zugelassen, und da dergleichen geschehen, den beleidigten Teilen ihre Rechten und Gerechtigkeiten vorzuwenden unbenommen. […]
Und irret nicht, daß im Religion-Fried im §. Und damit etc.[3] gesetzt, daß die Augspurgische Confessions-Verwandte Stände bei ihrem Glauben, Ceremonien, und Kirchen-Ordnung, so sie in ihren Fürstentumben, Landen und Herrschaften aufgericht oder noch aufrichten möchten, ungehindert sein und bleiben sollen, daraus etliche zu schließen vermeinen, daß sie die darin gelegene Klöster auch zu reformiren Macht haben. Dann ob wol dergleichen Klöster in den Weltlichen zugelassenen Schuldigkeiten ihren gebührenden Respect dahin tragen, so haben sie doch in den Fundationen und Geistlichen Dingen mit den Landen und Herrschaften nichts zu tun, sondern wie vorgedacht gehören sie Gott und der Kirchen zu: daher sie dann von Weltlichem Gebiet und Regiment disfals exempt und frei sein.
[Auch Ordensleuten, überhaupt Untertanen stünde „in bestimpten Fällen“ der Rechtsweg in Fragen, die den Religionsfrieden tangierten, offen.]
Nicht weniger ist nunmehr Reichskundig, daß [sich] etliche Protestirende Stände gegen den ausdrücklichen Buchstaben des Religionsfriedens[4] […] unterstanden, nicht allein nach dem sie von der Catholischen Religion abgetreten, ihre Bistumber, Prälaturn und Präbenden[5] zu behalten, sondern auch diejenige, welche damit nicht versehen gewesen, nach solchen Bistumben und Prälaturn zu trachten, unter diesem vorgegebenen Schein und Vorwand, gleichsam dieser Paragraphus, welcher Ihnen allzu hell in die Augen geschienen, kein Teil des Religion-Friedens sei, darin sie auch niemahln verwilligt, sondern vielmehr dargegen zum öftern protestirt. Dahero wir dann was es mit solchem Paragrapho, den man in gemein den Geistlichen Vorbehalt zu nennen pflegt, für eine eigentliche Beschaffenheit habe, und wie solcher in den Religionfrieden kommen (Ob und zwar der Buchstab des Religionfriedens gnugsam sein sollen:) Uns aus den Reichs Acten fleißig informirn lassen, aus welchen wir dann befinden, so viel die angezogene Contradiction und Nicht Einwilligung der Protestirenden anlangt, daß gleichwol der so oft gemeldete Religionfrieden in seinem Inhalt ein anders und dieses mit sich bringt, daß derselb mit der sämptlichen Churfürsten und Stände beider Teil religionen Rat und gutem Willen gemacht und beschlossen, auch also vollzogen, und dabei mit Eid beteurlichen Worten von allen Ständen zugesagt und versprochen worden, daß er in allen und jeden seinen Puncten, Clausuln, und Articuln, stätt fest, unverbrüchlich gehalten und demselben im geringsten nicht zuwider noch entgegen gelebt werden solle. Wir und unsere Vorfahren sein auch in Unserer Wahl und Krönungs Capitulation[6] auf solchen Religionfrieden und desselben Inhalt und Begriff ohn einige Ausnahm und Vorbehalt gewiesen worden, zu welchem uns des Heiligen Reichs Churfürsten nicht also ohne Vorbehalt du Unterschied verbunden haben würden, da in solchem Religionfrieden ichtwas zu befinden, zu dessen Haltung wir nicht obligirt sein sollen.
[Es folgen weitere Argumente für die reichsrechtliche Geltung des „Geistlichen Vorbehalts“.
Weiterhin kommt das Edikt auf die Frage der Glaubensfreiheit der Untertanen zu sprechen; das Prinzip „Cuius regio, eius religio“ wird insbesondere für die altgläubigen Territorien bekräftigt. Zwar habe es auch über diesen Punkt 1555 Streit gegeben, doch hätten die Katholischen den Untertanen das recht zum Konfessionswechsel bestritten mit der Begründung,]
daß solches zu lauterm Aufruhr, Ungehorsam und Unwillen zwischen Herrschaften und Untertanen Ursach gebe, und weil sie den andern Ständen nicht fürschrieben, wie sie es mit ihren Untertanen halten sollen, so wäre es unbillich, daß sie disfalls den Catholischen Gesetz und Ordnung geben wollten: Sie die Catholischen gedächten ihre Seel so wol als andere zu versorgen und könten derwegen nicht gedulden, daß ihren Untertanen Raum und Luft gegeben würde, einer andern Religion, als sie selber wären, anzuhangen.
[Auf die Argumente der Protestanten, die auf die Freiheit des Gewissens verwiesen hätten, sei ihnen das in Art. 24 des Religionsfriedens zugestandene Abzugsrecht und die Versicherung des Art. 23 gewährt worden – auch für die reichsunmittelbare Ritterschaft und die Reichsstädte habe man klare Regelungen ausgehandelt. Den Untertanen sei im Friedenswerk selbst die Religion keineswegs freigestellt worden, sonst hätten sie sich ja kaum um ein „sonderlich Decret und dem Religion-Frieden derogirende Erklärung“ bemühen müssen. Die Geltung der declaratio wird denn auch mit verschiedenen Argumenten bestritten, ebenso andere Versuche, eine Konversionsfreiheit der Untertanen aus dem Text des Friedens abzuleiten. Die Folgerungen aus alldem lauten:]
Aus welchem bishero ausgeführtem und von uns nach Inhalt des Religionfriedens und anderer des Heil. Reichs Abschied, Reichshandlung und Actitaten resolvirten dreien Hauptartikeln Wir dann hiermit erkennen und erklären: Erstlich, daß die Protestirende Stände keine Ursach sich zu beklagen und für ein gravamen anzuziehen, daß den Ordens Generaln, Apten, Praelaten und andern Geistlichen Stands, so dem Reich nicht ohne Mittel unterworfen, da sie wegen ihrer eingezogenen Stift und Güter, Hospitalien und andern gottseligen Stiftungen, bei uns oder unserm Kaiserl. Kammergericht umb notwendige Prozeß angehalten, dieselbige ihnen erteilt, auch darüber gar zu Urteil und Execution geschritten, sondern daß entgegen die Catholische Stände sich billich und rechtmässig beschweret und solcher Mediat Geistlichen angenommen, daß denselben ihre Klöster und geistliche Güter, deren sie zu Zeit des Passauischen Vertrags oder seithero in Besitz gewesen, gegen dem klaren Inhalt des Religion-Friedens eingezogen, ihre Renten und Gülten aufgehalten, sie auch noch darüber, als wann sie des Religionfriedens gar nicht fähig wären, von allen Rechten und vindicationibus gänzlich verstoßen, die Güter aber zu eigentätlicher Occupation der Obrigkeit gegen die Intention und Meinung der gottseligen Fundatoru[m] als auch gegen dem hellen Buchstaben des Religionfriedens ausgesetzt werden wollten.
Bei dem andern Articul erkennen wir ebenmäßig, daß die Augspurgische Confessions-Verwandte kein Ursach einiger Beschwerung, daß ihrer Religions-Verwandte, so geistliche Stift, Bistumber, und dem Reich unmittelbare Reichs Prälaturn innehaben oder denselben noch nachtrachten, nicht wollen von den Catholischen Ständen für Bischoffen und Prälaten gehalten werden, denselben auch ihre Session und Stimmen bei den Reichs-Tägen nicht verstatt, noch auch die Regalia und Lehen verliehen werden: Da entgegen auf der Catholischen Seiten Inhalts des Geistlichen Vorbehalts und nach dessen undisputirlichem Buchstaben diese offenbare gravamina nicht unbillich geklagt werden, daß solche von der Catholischen Religion abgewichene Geistliche, Bischöff und Prälaten nichts destoweniger bei ihren Bistumben und Prälaturn verharren und aller Rechten und Privilegien, die sie bei der Catholischen Religion gehabt, continuiren, und für reichs Stände solcher Bistumber und Prälaturen halber gehalten werden sollen: Daß auch diejenige, so der Catholischen Religion nicht sein, viel weniger sonsten zu geistlichem Stand qualificirt, nichts desto weniger zu solchen Bistumben und Prälaturn sich eingedrungen und noch weiter eindringen und dadurch den ganzen Catholischen Geistlichen Stand, neben der Religion endlichen, so viel an ihnen ist, aufzuheben vermeinen.
Als wir dann auch bei dem dritten Puncten etlicher Protestirender Stände angezogene Gravamina ganz unerheblich befinden, sampt den Catholischen Ständen verweigert sein sollte, in ihrem Gebiet ihre Untertanen zu ihrer Religion anzuhalten, auch da sie sich hierin nicht accomodiren wollen, gegen gebührlich Abzuggeld und Nachsteuer ihrem Gefallen nach diese auszuschaffen, oder auch denselben an fremde Örter auszulaufen und andere Predigt und Exercitia zu suchen und verbieten, da sie noch dieselben gänzlich abzuschaffen wol befugt wären: Hingegen aber ist nach obgesetzter Ausführung ganz augenscheinlich, daß die Catholischen sich billich beschwert befunden, daß ihnen in solchen ihren Reformationibus von dem andern Teil Ziel und Maß gegeben worden, auch die Untertanen in gänzlicher Defection und Abfall von ihrer Obrigkeit durch diesen Fund solicitirt und bewegt werden wollen. Und ist dies Gravamen auf dieser der Catholischen Seiten desto stärker, weil solcher Reformation halber die Augspurgische Confessions-Verwandten vermeinen wollten, sampt disfalls die Catholischen mit ihnen nicht im gleichen Recht begriffen wären, sondern daß ihnen zwar ihre Untertanen zu reformiren und die Widerspänstige auszuschaffen erlaubt, auch dies im Werk offentlich erzeigen, entgegen aber den Catholischen solches nicht gut sein lassen wollen.
Wann nun hiemit die vornehmste und vortringende gravamina, an welchen vornehmlich der allgemeine Frieden haftet, als obgemeldt, aus den kalren Worten des Religionsfriedens, Reichs Constitutionen und offenen Acten überflüssig und gnugsamb erklärt, und welcher Teil hierinnen sich zu beschweren oder nicht Ursach gehabt, ausfündig gemacht: Als befehlen wir hiermit unserm Cammergericht, […] auf diese unsere Erklärung auch inskünftig ohn weiter disputiren, wann dergleichen Fäll vorfallen, so in dieser unserer Resoltion begriffen, zu judiciren und Urteil zu sprechen, und weil die Spolia und Turbationes,[7] als auch Occupirung der Stifter und Praelaturen gegen dem Inhalt des Religionfriedens vieler Ort ganz notori und nicht zu widersprechen, dagegen auch das jus, wie obgemeldt, aus den Worten des Religionfriedens und andern Reichs-Abschieden ebenfalls undisputirlich, daß also nunmehr in solchen Fällen anderst nicht vonnöten, als durch würkliche Exekution dem betrangten Teil zu assistiren und zu dem Seinigen zu verhelfen:
Als sein wir zu würklicher Handhabung beides des Religion- und Prophan-Friedens endlich entschlossen, unsere Kaiserliche Commissarios fürderlich in das Reich abzuordnen, solche abgewichene als auch mit Gewalt oder in andere Weg eingezogene Erz- und Bistumber, Praelaturen, Klöster, und andere geistliche Güter, Hospitalen und Stiftungen, deren die Catholische zu Zeit des Passauischen Vertrags, der seithero in Posseß gewesen und unrechtmäßig destituirt worden, von den unrechtmäßigen Detentatoribus abzufordern und mit tauglichen den Fundationen und Stiftungen gemäß ordentlich berufenen und qualificirten Personen besetzen zu lassen, und also einem jedwedern zu demjenigen, was ihme gebührt und dazu er nach Ausweisung viel angezogenen Religionfriedens befugt, ohn unnotwendige Umbschweif und Aufhalt zu verhelfen.
[Abschließend wird nochmals betont, daß sich der Religionsfrieden nur auf Katholiken und die „Augspurgischen Religions-Verwandten“ beziehe und nicht auf andere „widrige Lehren und Secten“, also insbesondere nicht auf die Calvinisten.]
Gebieten demnach Euer LL. AA.[8] Und Euch sampt und sonderlich bei Poen des Religion- und Landfrieden, sie wollen sich dieser unser endlichen Verordnung nicht widersetzen, sondern dieselbe in Ihren Landen und Gebieten unverzogentlich beförderen und zu Werk richten helfen, wie nicht weniger unsern Commissariis auf dero anrufen die hülfliche Hand bieten: denjenigen aber, so dergleichen Erz- und Bistümber, Praelaturn, Klöster, Hospitalia, Pfründen und andere Geistliche Güter Stiftung inhaben, daß sie sich alsbald von Insinuation dieses unsers Kaiserl. Edicts zu Abtretung und Restituirung solcher Bistumb, Prälaturn und anderer Geistlicher Güter gefaßt halten und auf Anhalten unserer Kais. Commissarien dieselbe unaufhältlich sampt allen dero An- und Zugehör einraumen und restituirn. Dann da sie solchem nicht nachkommen oder hierin sich seumig erzeigen würden, sie nicht allein in obangezogene Poen deß Land- und Religion-Frieden, das ist, der Aacht und Ober-Aacht, auch Verlierung aller ihrer Privilegien, Recht und Gerechtigkeiten ipso facto ohne einige weitere Condemnation und Urtheil dieses Ihren notorischen Ungehorsambs halber gefallen, sondern wir werden auch hierauff un außbleiblich die würckliche Execution alsbald vornehmen und vollstrecken lassen.
[Das Edikt soll durch die kreisausschreibenden Fürsten in den Kreisen bekanntgemacht werden.]
Das meynen wir ernstlich. Geben in unserer Stadt Wien, den Sechsten Monats-Tag Martii, Anno Sechzehnhundert Neun und Zwantzig, Unserer reiche deß Römischen im Zehenden, deß Hungarischen im Eylfften und deß Böhmischen im Zwölfften.
Ferdinand […].
Anmerkungen
Quelle: Hans Schulz, Der Dreißigjährige Krieg. Tl. 1: Bis zum Tod Gustav Adolfs. Leipzig: Teubner, 1917, S. 60–78. (Hauptquellen zur neueren Geschichte. H. 22), online verfügbar unter: https://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=mdp.39015027620056; abgedruckt in Bernd Roeck, Hrsg., Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg 1555–1648. Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung, herausgegeben von Rainer A. Müller, Band 4. Stuttgart: P. Reclam, 1996, S. 267–76.