Kurzbeschreibung

Ogier Ghiselin de Busbecq (1522-1592), ein wallonischer Untertan des Reichs, gab dem christlichen Europa den wohl umfassendsten und kenntnisreichsten Einblick in das Osmanische Reich. Er war der unehelich geborene Sohn eines Adligen und studierte in Leuven sowie mehreren italienischen Universitäten, bevor er um 1552 in den Dienst König (später Kaiser) Ferdinands I. eintrat. Ende 1554 reiste Ogier zum ersten Mal nach Istanbul, wo er als Botschafter des Reiches am Hof des Sultans diente. Er kehrte 1562 mit seiner größten Errungenschaft zurück, einem Friedensvertag, den er im Namen Ferdinands mit dem Sultan ausgehandelt hatte.

Ogier erlbete die Hauptstadt einer jungen Zivilisation auf ihrem Höhepunkt unter der Herrschaft Sultan Süleymans I. (reg. 1520-66), der von den Europäern „der Prächtige“, von seinem eigenen Volk jedoch „der Gesetzgeber“ genannt wurde. Zu dieser Zeit betrachtete das westliche Christentum die Osmanen gewöhnlich aus vier Perspektiven: der ethnographischen—die Osmanen als exotisches, doch gleichzeitig verständliches Volk; der militärischen—die Osmanen als Rasse von Eroberern unter der Führung ihres Sultans, eines großen Kriegsherrn, der mit christlichen Herrschern Krieg führte und Frieden schloss; der moralischen—die Osmanen als grausame, tyrannische und furchteinflößende Rasse; und schließlich der theologischen—die Osmanen als Handlanger des Antichristen, Gottesfeinde, sowie für die Protestanten als geistliche Verbündete des römischen Papstes im Absturz der Welt zu deren Untergang. Ogier bereicherte, ungleich irgendeinem anderen christlichen Autoren, die ethnographische Perspektive um eine Unmenge praktischer Informationen—die zwar nicht immer zutreffend, jedoch stets gut bedacht waren. Zudem lieferte er eine außergewöhnlich detaillierte Beschreibung der osmanischen Hauptstadt Istanbul. Seine 1582 zuerst auf Latein veröffentlichten Briefe aus der Türkei wurden in alle wichtigen europäischen Sprachen übersetzt. Sie wurden so zur Hauptinformationsquelle über die Osmanen, deren Zivilisation und Reich für das christliche Europa.

Die hier wiedergegebenen Auszüge veranschaulichen zwei Aspekte der Reisen Ogiers ins Herz der osmanischen Zivilisation. Der erste Ausschnitt (A) gibt seine Eindrücke aus Istanbul während seines ersten Besuchs in der Hauptstadt wieder. Der zweite (B) schildert seine Gedanken über die osmanische und christliche Zivilisation nach seiner Rückkehr ins Reich in Begleitung des ersten osmanischen Gesandten am Hof eines westlichen christlichen Königs.

Unter den Osmanen—Ogier Ghiselin de Busbecq in Istanbul (1552-62)

  • Ogier Ghiselin de Busbecq

Quelle

A. Ogier in Istanbul.

Aber ich kehre zu meinem Ausgang zurück. Es wurde ein Bote mit Briefen über meine Ankunft zu Suleiman geschickt. In der Zwischenzeit, da man auf Antwort wartete, hatte ich Gelegenheit, die Stadt Konstantinopel in Muße anzuschauen. Zunächst wollte ich den Tempel der heiligen Sophia besuchen, doch wurde ich nur durch ganz besondere Gunst eingelassen. Die Türken glauben ihre Tempel entweiht, wenn ein Christ sie betritt. Die Hagia Sophia ist ein gewaltiges Werk, des Beschauens wohl wert; sie hat eine riesig gewölbte Kuppel, die allein von einer Öffnung in der Mitte Licht empfängt. Nach dem Vorbild dieser Kirche sind nahezu alle türkischen Moscheen gebaut. Manche behaupten, sie sei ehedem viel größer gewesen und habe weithin zahlreiche Anbauten gehabt, doch seien diese längst niedergelegt, und allein das Allerheiligste und der mittlere Bezirk sei geblieben.

Was nun die Lage der Stadt angeht, so scheint Natur hier den Sitz einer Herrscherstadt geschaffen zu haben. Sie liegt in Europa, sie hat den Blick auf Asien und zur rechten Ägypten und Afrika. Obwohl diese nicht bis dorthin reichen, sind sie doch durch das Meer und leichte Schiffahrt damit verbunden. Zur Linken liegt der Pontus Euxinus [das Schwarze Meer] und der Maeotissumpf [das Asowsche Meer]; diese sind ringsum von vielen Völkern bewohnt und empfangen allerseits viele Flüsse, so daß weit und breit in diesen Landschaften nichts für Menschen Brauchbares wachsen kann, das nicht zu Schiffe in größter Bequemlichkeit nach Konstantinopel gelangte. Auf der einen Seite ist es vom Marmara-Meer bespült, auf der anderen bildet einen Hafen der Fluß, den Strabo seiner Form wegen das Goldene Horn nennt. Auf der dritten Seite ist die Stadt mit dem Festland verbunden, so daß sich ungefähr das Bild einer Halbinsel ergibt und sie auf langgestrecktem Bergrücken in das Meer und die Bucht ragt. In der Mitte von Konstantinopel hat man den heitersten Blick auf das Meer und den im ewigen Schnee schimmernden asiatischen Olymp.

Das Meer ist überreich an Fischen jeder Art; bald schwimmen sie aus der Maeotis und dem Schwarzen Meer durch Bosporus und Propontis ins Ägeische und Mittelmeer, bald von hier wieder ins Schwarze Meer, wie das die Natur der Fische ist. Ihre Schwärme sind so zahlreich und dicht, daß man sie manchmal mit den Händen fangen kann. In größter Zahl fischt man dort Makrelen, Tunfische, Dickköpfe, Zahnbrassen und Schwertfische. Diese Tätigkeit üben vor allem die Griechen, mehr zwar als die Türken, obwohl auch diese die Fische auf der Tafel nicht verschmähen, wenn sie nur von einer Art sind, die sie für rein halten; andere rühren sie so wenig an wie tödliches Gift. Denn — um das im Vorbeigehen zu sagen — sie würden sich lieber die Zunge oder die Zähne ausreißen lassen als irgend etwas essen, was nach ihrer Überzeugung unrein ist, wie etwa Frosch, Schnecke oder Schildkröte. Die Griechen leiden an dem gleichen Aberglauben. Ich hatte einen Knaben griechischen Bekenntnisses in meine Dienerschaft aufgenommen, den ich zum Einkaufen gebrauchte. Den konnten meine übrigen Diener niemals dahin bringen, Schnecken zu essen. Schließlich setzten sie sie ihm einmal so zubereitet und gewürzt vor, daß er sie für eine Art Fische hielt und gierig verzehrte. Aber als er am Lachen und Kichern der anderen und an den ihm vorgeworfenen Schalen den Betrug erkannte, war er ganz unbeschreiblich aufgeregt, zog sich in seine Kammer zurück und fand kein Ende mit Erbrechen, Weinen und sich Kummer machen: kaum zwei Monatslöhne würden ausreichen, ihn von dieser Sünde loszukaufen. Denn diese Sitte haben die griechischen Priester: je nach Gattung und Größe des Vergehens bestimmen sie denen, die ihre Sünden gebeichtet haben, einen größeren oder geringeren Preis für die Lösung und sprechen sie nicht eher los, als bis sie die ausgemachte Summe eingesteckt haben.

Am Ende des genannten Vorgebirges liegt der Palast der Sultane, anscheinend durch keine bauliche Pracht oder kunstvolle Ausstattung sehenswert; denn selber habe ich ihn noch nicht betreten. Unterhalb des Palastes bis zum Gestade hin dehnen sich am Meer entlang die kaiserlichen Gärten; vor allem in dieser Gegend, meint man, hat das alte Byzanz gestanden. Erwarte hier keine Erzählung von mir, warum vorzeiten die Chalkedonier, die in der Gegend von Byzanz ihren Sitz hatten und von denen heute kaum ein Gemäuer mehr steht, blind genannt wurden [in des Tacitus Annalen XII 63, auch bei Herodot IV 144]; auch nicht über die Natur dieses Meeres, das im ewigen Zuge abfließt und niemals zurückfließt; auch nicht über die Leckereien, die man von der Maeotis nach Konstantinopel bringt, die die Italiäner Moronella [Tunfisch], Botarga [Rogen der Meeräsche] und Caviar nennen. Denn das gehört nicht in einen Brief, dessen richtiges Maß ich schon jetzt überschritten habe, und außerdem kann man sich sowohl bei alten wie bei heute lebenden Schriftstellern darüber unterrichten. Ich kehre jetzt zur Lage Konstantinopels zurück, der lieblichsten für das Auge, der günstigsten für den Gebrauch, die sich ja denken läßt. Vornehme Gebäude wirst du, wie gesagt, in türkischen Städten vergebens suchen, auch vornehme Plätze; denn deren Enge schließt jede Anmut aus. Man findet vieler Orten nicht zu verachtende Reste alter Monumente; und doch wundert man sich vielmehr, nachdem Konstantin so viele von Rom herübergebracht hat, daß nicht mehr übrig ist. Über sie im einzelnen zu reden habe ich für jetzt nicht vor, aber weniges will ich berühren.

Da war die alte Rennbahn, das Hippodrom; dort sieht man zwei eherne Schlangen, ebendort ist auch der berühmte Obelisk. Ferner sieht man in Konstantinopel zwei denkwürdige Säulen: die eine liegt bei der Karawanserei, wo wir wohnten, die andere auf dem Markt, den die Türken Aurat-Bazar nennen, das heißt Weibermarkt; hier ist von unten bis oben die Geschichte eines Feldzugs des Arkadius eingehauen, der sie gebaut hat und dessen Standbild lange auf ihrer Spitze gestanden hat. Man möchte sie übrigens lieber eine Schnecke nennen als eine Säule wegen ihrer Stufenanlage, mit der man drinnen zur Höhe hinaufsteigt; ich habe eine Abbildung von ihr. Dagegen die Säule gegenüber der Herberge, wo der Sitte nach die kaiserlichen Gesandten unterkommen, besteht abgesehen von Untersatz und Bekrönung nur aus acht mächtigen Porphyrblöcken, die durch ihre Fügung wie Ein Stein aussehen; und das Volk glaubt, es wäre auch so. Denn wo sich Stein an Stein paßt, steht ein Lorbeergewinde über, das um die ganze Säule herumgeht; so wird, wenn man es von unten ansieht, die Fuge verborgen. Da diese Säule von häufigen Erdbeben erschüttert und von einem Brand in der Nähe geschwärzt ist, zeigt sie Risse an vielen Stellen und ist, um nicht einzustürzen, mit zahlreichen Eisenbanden umschlossen. Auf ihr soll einstmals ein Standbild Apollos, dann Konstantins, zuletzt des älteren Theodosius gestanden haben, aber alle habe die Gewalt der Winde oder ein Erdbeben heruntergestürzt.

Von dem Obelisken, dessen ich vorhin Erwähnung tat, der auf dem Hippodrom steht, erzählen die Griechen, er sei einmal vom Postament gefallen und habe jahrhundertelang am Boden gelegen. Zur Zeit der späteren Kaiser habe dann ein Baumeister sich anheischig gemacht, ihn wieder auf seine Basis zu stellen, und nachdem der Preis vereinbart war, habe er, vornehmlich aus Winden und Seilen, einen ungeheuren Apparat aufgestellt. Damit habe er den Riesenstein aufgerichtet und ihn aufrecht so weit gerückt, daß nur noch ein Finger breit bis zu der Höhe des Postamentes fehlte, auf das er gehörte. Da habe das zuschauende Volk geurteilt, Schweiß und Zweck der ganzen Zurichtung seien verloren, und man müsse mit schweren Mühen und Kosten das Werk von vorn anfangen; er aber habe sich nicht beirren lassen, sondern in Kenntnis der natürlichen Kräfte befohlen, eine gewaltige Menge Wasser zu bringen. Das ließ er stundenlang über seine Maschine gießen, und als die Taue, in denen der Obelisk hing, allmählich naß und wieder trocken wurden, hätten sie sich ihrer Natur gemäß zusammengezogen; so hätten sie den Obelisken emporgerückt und auf das Postament gestellt, unter großer Bewunderung und Beifall des Volkes.

Ich habe in Konstantinopel allerlei wilde Tiere gesehen: Luchse, Wildkatzen, Panther, Leoparden und Löwen, und zwar ganz gebändigte und zahme; ich habe selber gesehen, wie sich ein Löwe ein ihm vorgeworfenes Schaf von dem Bändiger aus dem Maul reißen und, da sein Rachen schon Blut gekostet hatte, besänftigen ließ. Ich habe auch einen ganz jungen Elefanten von seltener Drolligkeit gesehen: er tanzte und spielte Ball. Hier, glaube ich, wirst du kaum das Lachen verhalten: ein Elefant, wirst du sagen, der Ball spielt und tanzt? Zwar weniger als der seiltanzende Elefant, von dem Seneka, und der schriftkundige, von dem Plinius meldet. Aber höre genauer, damit du nicht glaubst, ich erfinde hier etwas, oder auch mich mißverstehst. Als man ihn tanzen hieß, hob er wechselsweise die Füße, mit dem ganzen Körper schwingend, so daß man deutlich sah, wie er der Tanzlust Ausdruck geben wollte. Mit dem Handball aber spielte er so, daß er ihn mit dem Rüssel geschickt auffing und weit zurückwarf, wie wir es mit der Hand tun. Wenn dir dies nicht genügt, um von Tanz- und Ballspiel reden zu können, dann mußt du einen suchen, der es klarer und beredter darstelle. Es war auch ein Kamelopardel — eine Giraffe — unter den wilden Tieren, kurz bevor ich nach Konstantinopel kam, doch leider grade eingegangen. Ich ließ aber die Knochen wieder ausgraben, weil ich sie sehen wollte. Das Tier ist auf der Vorderhand weit höher gewachsen als auf der Hinterhand, daher es sich zum Lasttragen oder Reiten nicht eignet. Weil Kopf und Nacken dem Kamel gleichen, das Fell aber wie beim Pardel gefleckt ist, nennen sie es Kamelopardel.

Das Schwarze Meer nicht zu besuchen, wenn die Möglichkeit einer Fahrt dahin gegeben war, hätte gar zu große Lässigkeit bedeutet, da es doch den Alten nicht minder lohnend galt, den Pontus zu sehen, als nach Korinth zu fahren. Deshalb fuhr ich in heiterster Schiffahrt dorthin und ward in einige Lust- und Erholungshäuser des Sultans eingelassen. In deren einem sah ich auf einer Flügeltür den bekannten Kampf Selims mit dem Perserkönig Ismael [zu Tschaldiran 1514] in eingelegter Arbeit malerisch dargestellt. Ferner sah ich mehrere Gärten der Sultans in den lieblichsten Tälern, die der Kunst das Wenigste, der Natur fast alles verdanken.

O ihr Häuser der Nymphen! ihr Throne der Musen! ihr wahren Stätten vergeistigter Einsamkeit! Wahrlich, sie scheinen — ich habe es schon einmal gesagt — jetzt zu trauern und sich nach Arbeit und Pflege der Christen zu sehnen. Und noch vielmehr Konstantinopel selbst, ja das ganze Griechenland! Einst war es blühend, jetzt beugt es sich in unwürdiger Knechtschaft; einst war es Finderin aller guten Künste und aller freieren Lehre, jetzt scheint es die Menschlichkeit, die es uns geschenkt hat, zurückzufordern und um der gemeinsamen Heiligtümer willen gegen die skythische Barbarei um Hilfe zu flehen. Aber umsonst; in anderer Richtung geht der Sinn aller christlichen Fürsten. Denn nicht bedrücken die Türken die Griechen mit schwererer Frohn, als uns die Laster beherrschen, Luxus und Völlerei, Trägheit und Lust, Hoffart und Ehrgeiz, Habsucht und Haß, Mißgunst und Neid: die halten unsern Sinn so gebannt und begraben, daß wir nicht mehr fähig sind zum Himmel aufzuschauen und Leuchtendes zu ersinnen und zum Erhabenen zu streben. Wohl sollten Frömmigkeit und Pflicht uns zur Hilfe treiben, wenn unsere Gefährten niedergeworfen sind: und wenn weder des Ruhmes noch der Ehre Herrlichkeit den schlaffen Sinn zu entflammen vermochte, hätte doch die Nützlichkeit, die heute am meisten gilt, uns bewegen sollen, diese berühmten, an Vorteilen und Möglichkeiten so reichen Länder den Barbaren zu entreißen und lieber in unserm Besitz zu sehen als in ihrem. Jetzt sucht man über unermessene Meeresbreiten hin Indien und die Antipoden heim — freilich, leicht ist dort der Raub und fett die Beute, ohne Blut nimmt man sie den truglosen, einfältigen Völkern ab: man redet von Frömmigkeit, man sucht nach Gold. Sehr anders unsere Ahnen — die suchten nicht, als ob sie Krämer wären, die Länder auf, wo es am meisten Gold gab, sondern wo Tugend und Pflicht am meisten nach ihnen verlangten. Nicht ein Vorteil, sondern die Ehre belohnte sie für Arbeit und Gefahren des langen Auszuges; aus ihren Kriegen kam man nicht reicher, sondern ruhmvoller nach Hause zurück. Aber dies nur für dich; ein anderer hält es vielleicht für Frevel, wenn an der Gesittung unseres Jahrhunderts etwas ausgesetzt wird. Aber wie dem auch sei, ich sehe die Pfeile zu unserm Verderben schon geschliffen; und ich fürchte, es wird kommen, wenn wir es für den Ruhm nicht mögen, daß wir für unser Leben kämpfen müssen.

Ich gehe jetzt zum Pontus zurück, den die Türken Caradenis nennen, das heißt Schwarzes Meer. Es geht durch schmale Schlünde in den thrakischen Bosporus ein; hier, wo es durch die einspringenden Vorgebirge zahlreiche Wirbel und Biegungen bildet, reicht es in einer Tagfahrt nach Konstantinopel hinab; dann bricht es durch ähnliche Engen ins Marmarameer. Mitten in der Mündung, wo es in den Bosporus einfließt, steht ein Fels mit einer Säule, auf deren Basis der Name eines Römers Oktavian, wenn mir recht ist, lateinisch eingeschrieben ist. Weiter ragt am europäischen Ufer ein Turm auf, der nachts den Schiffern Licht zuwirft, Pharus geheißen. Nicht eben weit von dort rinnt ein Flüßchen ins Meer, in dessen Bett wir Steine von nicht minderer Art als Onyx und Sardonyx aufgelesen haben: geschliffen gäben sie gewiß denselben Glanz. Wenige Meilen von der genannten Mündung zeigt man die Meerenge, wo Darius gegen die europäischen Skythen sein Heer hinübergeschifft hat. Ungefähr in der Mitte zwischen den beiden Mündungen des Bosporus liegen zwei Burgen, die eine in Europa, die andere gegenüber in Asien. Diese letztere haben die Türken schon lange vor der Eroberung Konstantinopels besessen; die andere wurde mit ihren starken Türmen von Mahomet gebaut, wenige Jahre bevor er Konstantinopel erstürmte. Heute gebrauchen die Türken sie als Gefängnis vornehmer Gefangener. []

B. Abschied und Rückkehr ins Reich.

Wiewohl ich nun an der Gesinnung meines Herrn keinen Zweifel haben konnte, so gedachte ich doch, daß es im Gefolge der Fürsten immer Leute gibt, die auch die tüchtigsten Leistungen anderer, besonders auswärtiger Männer anschwärzen, und beschloß daher, womöglich alles seiner freiesten Entscheidung vorzubehalten. Ich stellte mich demnach gegen Ali auf den Standpunkt, die vorgeschlagenen Bedingungen entsprächen zwar nicht durchaus den Erwartungen meines Herrn, dennoch dächte ich, er würde ihnen beitreten, sofern jemand mit mir zu ihm gesandt würde, der die dunkleren oder sonst bedenklichen Punkte aufklären könnte. Dazu, sagte ich, scheine mir Ibrahim der geeignete Mann, und durch ihn könnten dann wieder die Türken des Kaisers Meinung über den Frieden erfahren. Dieser Vorschlag fand leicht Zustimmung.

So wurde an dieses langwierige Friedensgeschäft die letzte Hand gelegt. Es ist Sitte, daß die Paschas einen in Gnade scheidenden Botschafter im Diwan zu ihrer Tafel ziehen. Aber weil ich den Eindruck erhalten wollte, daß alles bis zur Antwort meines Herrn noch in der Schwebe und ungewiß sei, wurde mir diese Ehre nicht erwiesen, was ich mit großem Gleichmut hinnahm.

Ich hatte den Wunsch, eine Anzahl edler Pferde mitzuführen. Deshalb waren meine Diener beauftragt, sich fleißig auf dem Markt nach derlei Tieren umzutun. Als Ali davon hörte, ließ er selbst ein reines Rassepferd aus seinem Stall als käuflich hinführen. Meine Leute eilten herbei, man handelt, als Preis werden hundertzwanzig Dukaten angegeben, sie bieten, unkundig des Besitzers, achtzig. Die Leute Alis weigerten sich, es dafür herzugeben. Ein paar Tage später wurde mir dasselbe Pferd nebst zwei nicht geringeren von Ali Pascha als Geschenk übersandt; das eine war ein arabischer Zelter von herrlichem Wuchs. Als ich mich für die Gabe bedankte, fragte Ali, ob ich das Pferd, das meine Leute für achtzig Dukaten auf dem Markt hatten kaufen wollen, nicht höher einschätze? Ich antwortete: „Weit höher, aber sie hatten Auftrag von mir, nicht über diesen Preis hinauszugehen, weil ich nicht zu schlecht abschneiden wollte, falls sie mir aus Unvorsichtigkeit, wie das so geht, ein Tier mit verborgenen Fehlern einhandelten.“ Er ermahnte mich dann wegen der sorgfältigen Fütterung der Türkenpferde zu Anfang der Reise, nämlich mit einer ganz kleinen Ration; auch sollte ich möglichst kleine Tagereisen machen, bis sich die Pferde an die Reise gewöhnt hätten: den Weg nach Adrianopel, den man sonst in fünf Tagen zurücklegt, sollte ich auf neun bis zehn Tage einteilen.

Ali Pascha schenkte mir auch ein überaus feines, goldbesticktes Gewand und eine Büchse voll des vorzüglichsten alexandrinischen Theriaks; zuletzt fügte er ein Glasgefäß voll Balsam hinzu, nicht ohne es ausführlich zu preisen. Die übrigen Geschenke, meinte er, schätze er nicht hoch ein, die könne man um Geld kaufen: dies aber sei eine seltene Gabe, sein Herr selbst könne einem Freunde oder verbündeten Fürsten keine größere geben. Er sei einige Jahre Statthalter in Ägypten gewesen, daher habe er das erlangen können. Die Staude hat nämlich zweierlei Saft: der eine wird aus dem Öl der abgekochten Blätter gewonnen, ist schwarz und wohlfeil; der andere ist gelb und tropft aus der eingeschnittenen Rinde — das ist der echte, von dem er mir geschenkt hat. Er selber bat sich ein paar Gegengaben aus, einen Panzer nach dem Maße seines mächtigen und großen Körpers, auch ein kräftiges Pferd, dem er sich sturzsicher anvertrauen könne; denn wegen seines Gewichts findet sich nicht leicht ein Pferd, das ihm gewachsen ist. Zuletzt wünschte er gemasertes Holz von Ahorn oder anderen Bäumen, mit deren Furnieren man bei uns die Tische einlegt.

Von Suleiman bekam ich nur die gewöhnlichen Geschenke, wie man sie jedem beliebigen scheidenden Botschafter gibt, ungefähr ebenso wie in den voraufgehenden Jahren, wenn ich von ihm Urlaub nahm. Mit ein paar Worten schalt er über die Frechheit der Heiducken und der Besatzung von Sziget. „Was hat es Zweck, sagte er, daß wir hier Frieden machen, wenn die Leute in Sziget ihn doch stören und den Krieg fortsetzen werden?“ Ich sagte, ich würde dem Kaiser berichten und hoffe auf Abhilfe.

So trat ich unter guten Zeichen zu Ende August die ersehnte Reise an, als Frucht von acht Jahren einen achtjährigen Stillstand mitnehmend; immerhin wird er leicht auf beliebige Dauer zu verlängern sein, wenn keine wesentliche Veränderung eintritt.

[Busbeck erzählt nun einige minder bedeutende Begebnisse auf der Rückreise, die besonders das Schicksal der von ihm mitgeführten spanischen Offiziere betreffen.]

Als wir schon Buda vor uns sahen, kamen uns auf Befehl des Paschas Leute von seiner Dienerschaft mit zahlreichen Tschauschen entgegen. Sehenswert war vor allem eine große Schar junger Leute zu Pferd wegen ihrer ungewöhnlichen Tracht, die so aussah: auf dem bloßen Kopf, der bei ihnen großenteils abrasiert ist, hatten sie die Haut in langer Linie eingeschnitten und allerlei Federn in die Wunde hineingelegt; dabei ließen sie sich trotz des tropfenden Blutes den Schmerz nicht merken, sondern zeigten sich froh und heiter und wie empfindungslos. Dicht vor mir gingen eine Anzahl Fußsoldaten; deren einer schritt mit eingestemmten nackten Armen einher und hatte durch beide über dem Ellenbogen ein Messer gesteckt. Ein anderer hatte den Oberkörper bis zum Nabel entblößt und an zwei Stellen seiner Lenden, unten und oben, die Haut so aufgerissen, daß er die Keule hindurchstecken konnte und sie ihm wie von einem Gürtel herabhing. Ein dritter hatte sich auf dem Scheitel des Kopfes mit mehreren Nägeln ein Hufeisen befestigt, aber das war alt und die Nägel so mit dem Fleische verwachsen, daß sie sich nicht rührten.

In solchem Pomp zogen wir in Ofen ein und wurden dem Pascha vorgeführt; mit ihm besprach ich mich des längeren über den Stillstand. Im Vorraum stand jene herrlich schmerzverachtende Jugend, und als ich zufällig einen Blick auf sie warf, fragte mich der Pascha, wie mir das vorkomme. „Schön! sagte ich: nur daß sie mit ihrer Haut machen, was ich mit meinem Kleid nicht machen würde; denn ich will es lieber ganz behalten.“ Da lachte der Pascha und entließ uns.

[Nunmehr erzählt Busbeck die Weiterreise bis Frankfurt, wo Kaiser Ferdinand auf dem Reichstag weilte und eben seinen Sohn Maximilian zum römischen König krönen ließ. Er berichtet von seiner guten Aufnahme, von seinem Wunsch, sich aus dem Hofleben zurückzuziehen und mit wenigen Freunden den Musen zu leben. Danach schreibt er einen sehr ausführlichen, begeisterten Preis seines kaiserlichen Herrn, innerhalb dessen er noch an einer wichtigen Stelle auf Suleiman zurückkommt: er verteidigt hier Ferdinands zögernde, passive Taktik in den Türkenkriegen.]

Denselben Plan wie Fabius Maximus hat auch Kaiser Ferdinand eingehalten: in Erwägung der eigenen Kräfte und derer Suleimans erachtete er es für die ungeeignetste Führung, wenn man das Schicksal herausfordere und den Stoß eines solchen Feindes in offener Schlacht auffange. Das nächste war hier wie beim Ansturm eines geschwollenen Flusses, ihn mit Wällen, Gräben und sonstiger Wehr aufzuhalten und zurückzudrängen, und darauf wandte er alle Mühe. Es sind nun ungefähr vierzig Jahre, seit Suleiman zu Beginn seiner Regierung Belgrad genommen, Ungarn durch den Fall König Ludwigs zerschmettert und daraufhin die Einnahme nicht nur dieser, sondern auch weiterer Provinzen sich zum Ziele gesteckt hat. In dieser Hoffnung hatte er Wien belagert, in wiederholtem Kriege Güns [bei Steinamanger] in seine Gewalt gebracht, Wien zum zweiten Male, zwar von ferne, bedroht. Aber was erreichte er mit dem ungeheuren Waffenaufwand, mit den grenzenlosen Mitteln und den unzähligen Truppen? nur daß er fast an derselben Stelle Ungarns hängen geblieben ist, die er damals genommen hat. Er, der gewöhnt war, Riesenreiche in Einem Feldzug zu erledigen, hat halbbefestigte Burgen oder winzige Städtchen als Preis seiner Feldzüge davongetragen und teuer genug das erkauft, was er nach und nach von dem weiten Umfang Ungarns abgerissen hat. Wien hat er wohl gesehen, aber kein zweites Mal. Drei Dinge, sagt man, leben in Suleimans Wünschen: daß er den Bau seiner Moschee (ein wahrhaft prachtvolles und glänzendes Werk) vollendet sähe; daß er durch Wiederherstellung der alten Aquädukte Wasser in Fülle nach Konstantinopel brächte; und daß er Wien eroberte. In zwei Punkten hat er seinen Wunsch erreicht, im dritten blieb er hängen und wird es hoffentlich bleiben. So pflegt er denn Wien mit keinem anderen Namen zu betiteln als „seine Schmach und Schande“.

Aber ich kehre zu Ferdinand zurück, um ihm seinen unzweifelhaften Platz unter den vorzüglichsten Feldherrn zu sichern. Ohne auch nur entfernt den Beistand zu finden, den ein solches Unwetter erforderte, gab er sich doch nicht auf, sondern hat mit hervorragender Geistesstärke all die Jahre schon dem Druck des ungemeinen Feindes standgehalten. Ihm gebührt größeres Lob dafür, daß er ein gut Teil Ungarns für bessere Zeiten erhalten hat, als vielen anderen wegen zahlreichen Triumphen, die sie im Überfluß aller glücklichen Umstände über Könige und Völker gefeiert haben. Je mehr ihm in der Zeit der Not alles abging, umso heller leuchtete sein Mut ... Wahrhaftig, es gleicht bald einem Wunder, daß sich das offene und ausgedehnte ungarische Reich mit seinen alten Zwietrachten so lange hat verteidigen lassen und noch nicht unter das Joch dieses mächtigsten Feindes geraten ist. Und das ist immer wieder durch Gottes einzige Güte, immer wieder durch des hochweisen Fürsten unendliche Mühe und schwerste Sorgen erreicht worden. Wann folgte ihm bei diesem Werke auf eine große nicht die noch größere Schwierigkeit? Der Feind steht vor Augen, die Freunde sind fern; zu spät, weither kommen die Hilfstruppen seines Bruders Karl; der Hilfeleistungen müde, wenn auch dem Brande am nächsten, ist Deutschland; die Erblande sind durch Auflagen erschöpft; taub für die Beistand heischende Stimme sind die Ohren der vielen christlichen Fürsten, die jeden Handel lieber betreiben als den, der sie am meisten anginge. So hat er bald mit eigenen Kriegskräften, mit ungarischen, österreichischen und böhmischen Truppen, bald mit den Kräften des Reiches, bald mit Hilfstruppen aus Italien oder Spanien unter ungeheuren Kosten durchgehalten. Er hat die in einer Breite von fünfzehn Tagemärschen offenen Grenzen Ungarns durch ständige Besatzungen gesichert. Denn jederzeit muß er Soldaten im Felde halten, auch wenn Stillstände sind (denn auch solche gibt es bisweilen) und es verdrießt ihn nicht, wenn der Anzug des Tyrannen zu befürchten ist und die Lage keinen anderen Ausweg übrig läßt, ihn durch Gesandtschaften und Geschenke zu besänftigen, um den verheerenden Sturm von den armen Ungarn abzuwenden. — —

Wenn du nach griechischen Büchern fragst, und wenn du gehört hast, ich hätte viele seltene Dinge und einige ungewöhnliche Tiere mitgebracht, so ist das alles nicht sehr der Rede wert. Ich habe einen ganz zahmen Ichneumon mitgebracht, bekannt durch seinen Haß und seine tötlichen Kämpfe mit Krokodil und Schlange. Ich hatte auch ein hervorragend schönes Wiesel von der Gattung der Zobelmarder, habe es aber unterwegs verloren. Ich habe mehrere so edle, herrlich gewachsene Pferde wie vor mir noch niemand, dazu sechs weibliche Kamele mitgeführt. Von Setzlingen und Kräutern habe ich diesmal fast nichts, nur Abbildungen, die ich für Mattioli aufbewahre; denn Kalmus und vieles andere habe ich schon vor Jahren an ihn gesandt. Teppiche, nach babylonischer Art besticktes Linnen, Schwerter, Bogen und Pferdegeschirr, dazu viele recht feine Arbeiten aus Leder, besonders Roßleder, auch andere Kleinigkeiten türkischen Gewerbefleißes habe ich, oder richtiger gesagt, hatte ich. Denn in dieser großen Versammlung fürstlicher Männer und Frauen zu Frankfurt, wo ich vielen vieles freiwillig verehre, vieles auf Bitten nicht abschlagen mag, ist mir nur wenig übrig geblieben. Aber ich denke, auch das andere ist gut untergebracht; nur mit einem verschwendet zu haben bereue ich, nämlich mit dem Balsam. Denn die Ärzte haben seine Echtheit in Zweifel gezogen, weil er nicht vollständig den Angaben des Plinius zu entsprechen scheint. Vielleicht ist der Grund, daß die Kraft der uralten Pflanzen, aus denen er rinnt, durch die Jahre schwächer geworden ist; dies ist mir jedenfalls gewisser als gewiß, daß er aus den Stauden geflossen ist, die in den Gärten von Matarieh bei Cairo wachsen.

Bevor ich Konstantinopel verließ, habe ich einen spanischen Arzt namens Albacar nach Lemnos geschickt: er sollte dort am sechsten August am Ausgraben der berühmten Terra Lemnia teilnehmen und uns ihre Lagerung und ihren Ursprung, sowie die Art ihrer Förderung und Behandlung in allen Einzelheiten beschreiben. Ich zweifle nicht, daß er es tun wird, wenn keine höhere Gewalt dazwischentritt. Ich selber war lange Zeit begierig, hinüber zu fahren und Augenzeuge zu sein; da es aber von den Türken nicht erlaubt wurde, habe ich das meine getan, um wenigstens Ohrenzeuge zu werden.

Ich bringe ferner eine große Menge alter Münzen mit, von denen ich die besten meinem Herrn schenken will. Ferner ganze Lasten griechischer Handschriften, ja ganze Schiffsladungen; es sind, glaube ich, nicht weniger als 240 Bücher. Ich habe sie über See nach Venedig geschickt, von da sollen sie nach Wien gefahren werden; denn ich habe sie für die kaiserliche Bibliothek bestimmt. Es sind einige nicht zu verachtende unter vielen gewöhnlichen: ich habe alle Winkel durchstöbert, um alle Reste dieser Ware wie in letzter Nachlese zusammen zu bringen. Nur eins habe ich in Konstantinopel gelassen, eine Handschrift von höchstem Alter, ganz in Majuskel, den Dioskorides, mit gemalten Abbildungen von Pflanzen; darin sind auch, wenn ich nicht irre, kleine Stücke von Cratevas und ein Büchlein über die Vögel. Die Handschrift liegt bei einem Juden, dem Sohne des verstorbenen Hamon, des Arztes Suleimans; ich hätte sie gern gekauft, aber mich schreckte der Preis. Denn es wurden hundert Dukaten verlangt, eine Summe für den kaiserlichen, nicht für meinen Beutel. Ich werde den Kaiser unablässig bitten, einen so berühmten Schriftsteller aus der Knechtschaft loszukaufen. Das Buch ist durch Alter in schlechtestem Zustand, es ist außen so von Würmern zernagt, daß es kaum einer aufheben würde, wenn er es am Wege fände.

Aber nun genug des Briefes, erwarte nächstens mich selbst: alles übrige sei für unsere Begegnung aufgespart. Halte du nur gute und gelehrte Männer bereit, damit ich in der Anmut ihrer Unterhaltung und ihres Umgangs alles in meinem Geist auslösche, was noch von Ekel und Elend aus dem langen Zusammensein mit Türken darin geblieben ist. Lebe wohl!

Frankfurt, den 16. Dezember 1562.

Quelle: Ogier Ghislain de Busbecq, Vier Briefe aus der Türkei, aus dem Lateinischen übersetzt von Wolfram von den Steinen. Erlangen: 1926, S. 43–49 (A); 217–224 (B). Online verfügbar unter: https://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=pst.000023991583.