Kurzbeschreibung

Dieser Abschied der Reichsstände (das heißt, der im Reichstag versammelten kirchlichen und weltlichen Fürsten sowie Reichsstädte) war bedeutend aufgrund der Befugnis, die er ihnen im Namen des Kaisers verlieh, autonom zu agieren, um für sich selbst und das Reich militärische Verteidigungssysteme aufzubauen. Diese Befugnis war von Bedeutung besonders für die größeren weltlichen Fürstentümer. Historiker haben dies als Bevollmächtigung für absolutistische stehende Heere interpretiert.

Der jüngste Reichsabschied von 1654 (17. Mai 1654)

Quelle

[§§ 170-177 behandeln die in Art. VIII § 5 IPO angesprochenen Probleme betr. Kriegsschulden, Zahlungsmoratorium für Kapital und Zinsen, u.a.]

§ 178. Nachdem auch Kurfürsten und Stände hiebei befunden, daß zu Stabilierung Fried und Rechtens in allweg reiflich zu beratschlagen, welchergestalt das Heil. Römische Reich wider allen auswärtigen Gewalt und etwan herfürbrechende Empörungen auf alle Fäll gesichert und bei beständigem Ruhestand erhalten werden möchte, in mehrer Erwägung, daß von vielen Jahren hero, und zwar nach oftbesagtem Münster- und Osnabrückischen Friedensschluß ebensowohl als vorhin, verschiedene gewaltsame Einbrüch wider Kurfürsten und Stände des Reichs, bevorab aber gegen die kur- und oberrheinische, wie auch westfälische Kreisstände von andern im Krieg stehenden Parteien de facto fürgenommen und vollnzogen worden, und daß solchen unleidentlichen, dem Heil. Römischen Reich sowohl verderb- und schimpflichen Prozeduren ohne ferners Nachsehen mit beständigem Ernst zu begegnen, die höchste Notdurft erfordert; als haben Wir auf solches gehorsamstes Einraten Uns mit ihnen und sie mit Uns sich durch gegenwärtigen Abschied verglichen: Setzen und ordnen also, daß der in dem Reichsabschiede de anno 1555 heilsamlich aufgerichtet und hernach in annis 1559, 1564, 1566, 1570, 1576, 1582, 1594 mit nützlichem Zusatz und Verbesserung wiederholter Exekutionsordnung wider vorgemeldte und alle andere eines oder andern Orts entstehende Gewalttätigkeit und Empörungen mit rechtem Eifer und Fleiß nachgegangen und auf alle begebende Notfäll die darin enthaltene Hülfleist- und Verfassung mit würklicher starker Hand unverzüglich zu Werk gestellt und obgemeldte Reichsverordnung als eine unfehlbar rechte Richtschnur in allen und jeden Punkten von männiglich festiglich gehalten, auch zu dessen mehrern Versicherung in gesamten des Heiligen Röm. Reichs Kreisen die darzu gehörige der Kreisobristen und andern Nach- und Zugeordneter Ämter und Stellen unverzüglich, und zwar auf das längste vom dato dieses Reichsabschieds bis auf den ersten nächstfolgenden Monats Septembris, vermittels werkstellenden Kreiszusammenkünften solchergestalt ersetzt werden sollen, damit sie auf allen und in mehrberührter Exekutionsordnung versehenen und entstehenden Notfall auf des Kreisobristen erstes Erfordern sich alsobald zusammentun und die erheischende Notdurft wohlbedächtlich erinnern können.

§ 179. Und wann der Kreisobriste seinem Amt mit gebührender Wachsamkeit und Aufsicht ein Genügen zu leisten ermangeln würde, so sollen alsdann die Nach- und Zugeordnete solches zu tun schuldig sein, und desjenigen Kreis Obristen, welchem auf Erfordern gehöriger Beistand widerfährt, über die zugeschickte Hülf das Direktorium haben, gleichwohl aber ohne Vorwissen, Einraten und Mitbewilligung deren zu Hülf gekommenen Kreisobristen und der hülfleistenden Kreise Nach- und Zugeordneter nichts Hauptsächliches fürzunehmen bemächtiget sein.

§ 180. Und gleichwie dieses hochangelegene Werk zu allgemeiner Wohlfahrt und des Heiligen Reichs beständigem Ruhestand zielet, wovon kein Kurfürst oder Stand noch derselben Untertanen zu eximieren; also soll, auf den Fall sich jemand obbesagter Exekutionsordnung widersetzen und an Unserm kaiserlichen Reichshofrat oder Kaiserlichen Kammergericht einigerlei Prozeß dargegen zu suchen sich gelüsten lassen würde, ein solcher keineswegs angehört, sondern a limine iudicii ab- und zu schuldiger Parition angewiesen, [] sonderlich aber sollen jedes Kurfürsten und Stands Landsassen, Untertanen und Bürger zu Besetz- und Erhaltung der einem oder andern Reichsstand zugehörigen nötigen Festungen, Plätzen und Garnisonen ihren Landsfürsten, Herrschaften und Obern mit hülflichem Beitrag gehorsamlich an Hand zu gehen schuldig sein.

§ 181. Wie hoch aber in jedem Kreis die notwendige Verfassung zu stellen, nachdeme in vorberührten Reichsabschieden und Exekutionsordnung gewisse Maß und Verordnung enthalten, also lassen wir es neben Kurfürsten und Ständen für diesmal auch dabei bewenden.

§ 182. Wollte aber derjenige Kreis, so der Gefahr am nächsten gesessen, über seine nach der Exekutionsordnung gebührende quotam sich in eine mehrere Verfassung stellen, so soll gleichwohl derselbige einem andern Kreis über seinen Anschlag und obliegende Portion Hülf zu leisten nicht schuldig sein.

§ 183. In Kreishandlungen sollen über die in der Exekutionsordnung enthaltene und dahin gehörige Verfassungssachen jederzeit die maiora statthaben und die mindere Stimmen denen mehrern nachzugeben verbunden sein.

§ 184. Weil aber verschiedene Stände und in specie die Reichsstädte zu angedeutetem quanto sich nicht ehender verstehen wollen, bis die in puncto moderationis matriculae hernach bedingte Erkündigung zur Richtigkeit gebracht, und damit die notwendige Verfassung hierdurch nicht gehindert werde, soll aller möglicher Fleiß angewendet werden, damit solche Erkündigung noch vor dem ersten Septembris bei denjenigen, welche sich zu diesem notwendigen Werk diesfalls beschwert befinden, für die Hand genommen und erörtert werden, entzwischen aber sollen dieselbige nach der alten Reichsmatrikel ihre quotas mit beizutragen schuldig sein.

§ 185. Und obwohl bei diesem Reichstag in Beratschlagung kommen, ob und wie besagte Exekutionsordnung nach des Heiligen Reichs gegenwärtigem Zustand zu verbessern und in vollkommenen Stand einzurichten, ingleichem wie es mit denen mit ungleicher Religion vermengten Kreisen wegen der an Seiten der Augsburgischen Konfessionsverwandten bei den Defensionsverfassungen begehrten Parität zu halten; dieweil es aber diesmal sich eines Endlichen zu vergleichen die Zeit ermangelt, so soll ein jeder Kreis obgedachtermaßen, sobald möglich und noch vor dem erstfolgenden Monat Septembris sich absonderlich zusammentun, die Notdurft überlegen und was mit gemeinem Schluß vor gut befunden wird, auf dessen unter sich selbst vorgehenden Kommunikation zuvorderst Uns, als dem Oberhaupt, dann auch zu Unsers lieben Neffens, des Kurfürsten zu Mainz, Kanzlei dasselbige einschicken, damit es auf nächstfolgender Reichsdeputation oder anderwärtiger Reichsversammlung, davon hernach Meldung beschehen wird, ferner erwogen und mit gesamter Hand vollends beschlossen und in selbigen Reichsabschied gebracht werden möge.

Quelle: Aller des Heiligen Römischen Reichs gehaltener Reichstäge Abschiede und Satzungen, sambt andern Kayserlichen und Königlichen Constitutionen []. Mainz 1654, S. 55–101.
Deutsche Übersetzung: Der jüngste Reichsabschied von 1654. Abschied der Römisch Kaiserlichen Majestät und gemeiner Stände, welcher auf dem Reichstag zu Regensburg im Jahr Christi 1654 aufgerichtet ist. Bearbeitet von Adolf Laufs. Bern und Frankfurt a. M.: Lang, 1975, S. 86–89; abgedruckt in Helmut Neuhaus, Zeitalter des Absolutismus 1648-1789. Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung, Hrsg. Rainer A. Müller, Band 5. Stuttgart: P. Reclam, 1997, S. 35–42.