Kurzbeschreibung

Während nach 1897 die Flotte im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stand, verlangsamte sich das Wachstum der Armee. Zwar wuchs die Zahl der Offiziere und Unteroffiziere weiter an, jedoch blieb die Gesamtstärke der Armee gemessen am prozentualen Verhältnis zur Bevölkerungszahl relativ konstant. Ein Grund für dieses langsame Wachstum war die Furcht der Konservativen, eine schnelle Truppenerweiterung würde sozialistische Arbeiter in die Armee bringen und das aristokratische Offizierskorps schwächen. 1911 begannen nationalistische Kritiker die Vernachlässigung der Armee zu beklagen. Sie behaupteten, das Land befände sich angesichts der wachsenden Stärke russischer und französischer Armeen in tödlicher Gefahr. Die Schlagkraft beider Länder, so die Befürchtung, würde Deutschlands Kapazitäten in einem Zweifrontenkrieg übertreffen.

Etatstärke des deutschen Heeres (1890–1914)

Quelle

Etatstärke des Heeres1

Jahr

Gesamtstärke

Offiziere Mann

Mannschaften

Davon Unteroffiziere

Gesamtstärke in % der Bevölkerung

1880

422 589

17 227

401 659

48 531

0,937

1881

449 257

18 128

427 274

51 586

0,989

1887

491 825

19 262

468 4092

55 447

1,035

1891

511 657

20 400

486 9833

58 448

1,028

1894

584 548

22 534

557 1124

77 883

1,138

1900

600 516

23 850

571 6925

80 556

1,065

1905

609 758

24 522

580 1586

82 582

1,006

1910

622 483

25 718

589 672

85 226

0,959

1914

800 646

30 739

761 438

105 856

1,181

Die Auswahl wurde nach den Jahren getroffen, in denen durch Gesetze zur Friedenspräsenzstärke des Heeres eine Erhöhung der Gesamtstärke eintrat.

Eigentlich hätte die Personalstärke auf die männliche Bevölkerung bezogen werden müssen: da indessen die Sexualproportion der Bevölkerung in Friedenszeiten relativ konstant bleibt, erweist sich die Relation zur Gesamtbevölkerung als fast gleichwertig; als Bezugsgröße wurde die mittlere Bevölkerung der Jahre benutzt.

Die Zahl der neu ausgehobenen Rekruten stand in einer beachtenswerten Relation zur gesamten Personalstärke. So waren es beispielsweise 1880 151 180 Mann, 1910 dagegen bereits 267 554 Rekruten. Ein Teil der Rekruten waren Freiwillige: 1875: 16 069; 1880: 18 767; 1889: 25 954 (davon vor Beginn des militärdienstpflichtigen Alters: 13 125); 1900: 49 122 (22 738); 1910: 69 146 (29 186).7

In den 70er und 80er Jahren gab es eine relativ hohe Zahl von Rekruten, die sich der Wehrpflicht durch unerlaubte Auswanderung entzogen und deshalb gerichtlich verurteilt wurden: 1875: 17 451; 1880: 11 446; 1889: 19 139. Für die spätere Zeit, in der allerdings die Gesamtzahl der Auswanderer (seit Mitte der 90er Jahre) stark zurückging, sind Zahlen über die wegen unerlaubter Auswanderung Verurteilten nicht mehr verfügbar.

1 Die Personalstärke der Marine war vergleichsweise gering; sie betrug:

1880: 11 116

1894: 20 498

1881: 11 352

1900: 28 326

1887: 15 244

1905: 40 862

1891: 17 083

1910: 57 374

2 Diese Zahl stellt die durch Gesetz vom 11. März 1887 festgesetzte Friedenspräsenzstärke des Heeres dar (ohne Einjährig-Freiwillige); Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich 1887, S. 161.

3 Die Zahl stellt die durch Gesetz vom 15. Juli 1890 festgesetzte Friedenspräsenzstärke des Heeres (ohne Einjährig-Freiwillige) dar; Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich 1891, S. 148.

4 Die Zahl berechnet sich aus der durch Gesetz vom 3. August 1893 festgesetztes Friedenspräsenzstärke des Heeres von 479 229 (Gemeine) plus der Zahl der Unteroffiziere, die fortan nicht mehr in der Friedenspräsenzstärke enthalten sind; Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich 1894, S. 149.

5 Berechnet wie unter Anm. 4 beschrieben; Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich 1900, S. 172.

6 Analog zu Anm. 4 und 5 berechnet.

7 Die Zahl der Freiwilligen enthält die der Einjährig-Freiwilligen, d. h. Rekruten, des aufgrund ihrer Schulbildung und der Aufbringung der Kosten ihres Unterhalts des besondere Privileg hatten, nur ein Jahr dienen zu müssen. Vgl. dazu Ritter/Kocka, Deutsche Sozialgeschichte, S. 224 f.

Quelle: Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich, jeweiliger Jahrgang.; abgedruckt in Gerd Hohorst, Jürgen Kocka und Gerhard A. Ritter, Hrsg., Sozialgeschichtliches Arbeitsbuch: Materialien zur Statistik des Kaiserreichs 1870–1914. München, 1975, 2: S. 171–72.